Walk by FAITH. Felicitas Brandt

Walk by FAITH - Felicitas Brandt


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während Tori zurückblieb, an die Fensterscheibe hauchte und ein Herz hineinmalte. Ich blieb noch einen Moment stehen und sah der Bahn nach, wie sie als beleuchtete Schlange in der Straßendunkelheit verschwand, ehe ich mich abwandte und die letzten Schritte nach Hause schlenderte. Es war so still. Ich hätte nie gedacht, dass eine so große Stadt so still sein konnte. Behutsam schob ich den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Tür und schlich im Licht meiner Handytaschenlampe die Treppen hinauf und in mein Zimmer. Mit klopfendem Herzen lehnte ich mich gegen die geschlossene Tür. In mir vibrierten die Klänge des Saxophons und der Mandoline nach, mein Herz wippte noch immer im Takt des Schlagzeugs und meine Fingerspitzen kribbelten. Kurz huschte mein Blick zum Sofa und meine Gedanken irrten zu dem, was darunter verborgen lag. Dieser Abend hatte mich an etwas erinnert, hatte etwas geweckt und in diesem Moment vermisste ich es mit ungeahnter Intensität. Doch ich drängte es fort, wollte den Moment nicht zerstören, keine alten Wunden aufreißen.

      Zu aufgekratzt, um schlafen zu gehen, schlüpfte ich in meine Schlafsachen und schaltete den Fernseher ein. Ein seltsames grünes Wesen hockte in einer Art XL-Kaninchenbau und stützte sich auf einen Stock, während ein junger blonder Mann ihm allerlei Fragen stellte. Ich drückte einen Knopf und die Filminfos leuchteten am Rande des Bildschirms auf. Star Wars – das Imperium schlägt zurück. Hey, die Filme hatte ich vor Urzeiten sogar schon mal gesehen. Dann konnte ich doch nicht so weltfremd sein, oder? Interessiert versuchte ich, der Handlung zu folgen, doch ein leises Klopfen lenkte mich ab. Ich schaltete den Fernseher leiser, doch das Klopfen blieb. Verwirrt stand ich auf und folgte dem Geräusch bis zum Fenster. Etwas bewegte sich dahinter und verpasste mir beinahe einen Herzinfarkt. Eine kleine Katze mit strahlend grünen Augen sah mich durch die Scheibe an. Ihr Schwanz zuckte hinter ihr hin und her. Mit zitternden Fingern löste ich die Hebel und schob das Fenster auf. Die Katze wich nicht zurück, sondern musterte mich nur aus klugen Augen. „Hey, du“, flüsterte ich. „Was machst du denn hier?“

      Mit einem Maunzen stand die Katze auf. Ich streckte die Hand aus – vorsichtig. Als Kind hatte mich mal eine Katze übel gekratzt, so was blieb in Erinnerung. Doch der kleine Stubentiger kam sofort auf mich zugetapst und rieb den Kopf an meiner Hand. Das seidige, warme Fell fühlte sich wunderbar unter meinen Fingern an. Maunzend strich das Tier einmal um meine Hand, sah mich dann beinahe fragend an und sprang in mein Zimmer. Mein erster Impuls war, lauthals zu protestieren und entsetzt an den Teppich zu denken. Doch der seltsame Zauber dieses Abends hielt mich noch in seinen mit Feenstaub verklebten Fingern und so folgte ich meinem flauschigen Gast zur Couch, wo er hochsprang und sich genau dort niederließ, wo ich eben noch gesessen hatte. Dann schaute er mich aufmerksam an.

      „Möchtest du etwa auch Star Wars gucken?“, fragte ich und setzte mich zu dem Kätzchen auf die Couch. Sofort krabbelte das Tier auf meinen Schoß und machte es sich dort gemütlich, den Blick aufmerksam auf den Bildschirm gerichtet, wo Luke Skywalker und Yoda weiterdiskutierten. Behutsam sah ich nach, ob das Tier ein Halsband trug, doch da war nichts. „Hast du einen Namen?“, fragte ich, doch bis auf ein Maunzen erhielt ich – verständlicherweise – keine Antwort. Gähnend lehnte ich den Kopf an die Lehne der Couch und grub die Finger in das weiche, stahlgraue Fell. „Weißt du was? Ich werde dich Yoda nennen.“ Als Erwiderung drückte Yoda den Kopf gegen meine Hand und begann zu schnurren.

      5

       Ein verhängnisvolles Angebot

      „Ich muss unbedingt aufhören, auf dieser Couch zu schlafen“, war der erste Gedanke, der mir beim Aufwachen in den Sinn kam. Der zweite war, dass es eisig kalt war, und der dritte, dass die kleine Fellkugel sich nicht mehr wie eine schnurrende Wärmflasche an meinen Bauch drückte. Die Sonne winkte, in ein paar weiße Wolken gekleidet, fröhlich zum Fenster hinein und ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits elf war. Der Fernseher war aus, wenigstens so weit musste mein Verstand nach Lukes spektakulärem Kampf gegen den dunklen Lord Vader noch gereicht haben. Anscheinend aber nicht bis dahin, auch das Fenster zu schließen. Leicht benommen tappte ich zum Fenster hinüber und schob es zu. Natürlich nicht, ohne nach Yoda Ausschau zu halten, aber der schien das Weite gesucht zu haben.

      Ich sammelte meine Sachen ein, die ich beim Heimkommen in verschiedene Ecken gepfeffert hatte. Jacke, Tasche, Schuhe, Schal … Schal? Oh nein! Hastig sah ich erneut nach, doch mein Schal blieb verschwunden. Mist! Ich erinnerte mich daran, wie ich ihn im Balou abgenommen hatte, aber nicht daran, ihn wieder umgelegt zu haben! Also hing er bestenfalls noch über meinem Stuhl oder hatte schlimmstenfalls einen neuen Besitzer gefunden. Ich stöhnte. Das war mein Lieblingsschal! Und ein Geschenk meiner Schwester! Hastig klaubte ich meine Jeans vom Boden. Wenn ich direkt zum Balou aufbrach, konnte ich ihn vielleicht noch retten!

      Das Haus war leer. Kein Wunder, Tante Fiona rettete bestimmt schon seit Stunden die Welt. Für einen Blick in den Kühlschrank blieb trotz knurrendem Magen keine Zeit und so schnappte ich mir bloß mein Handy und flitzte los. Eine alte Dame musste mir vor dem Haus förmlich aus dem Weg springen. Ich entschuldigte mich hastig, stürmte dann weiter und erwischte gerade noch die S-Bahn.

      Die Straße zum Balou war verlassen, die Fenster der Musikbar dunkel. Bitte sei nicht abgeschlossen, flehte ich innerlich und drückte vorsichtig gegen die Tür. Sie ging auf, doch dieses Mal empfing mich keine Musik, dafür aber der Geruch von Putzmitteln.

      Jayden sah mich über seinen Wischmopp hinweg erstaunt an, ehe seine Lippen sich zu einem Lächeln verzogen. „Guten Morgen, Snoopy.“

      „Hi.“ Zu mehr hatte ich keine Luft. Am liebsten hätte ich mich irgendwo flach auf den Boden gelegt. Meine Lungen brannten von dem Spurt, meine Waden schmerzten und mein frisches Top unter dem Kapuzenpullover war schweißnass. Ich war einfach so was von unsportlich! „Hast … hast du zufällig –“

      „Hol erst mal Luft.“ Jayden stellte den Mopp beiseite, wischte sich die Hände an seiner Hose ab und zog mit Schwung einen Stuhl vom Tisch. „Komm, setz dich.“

      „Danke, ich wollte bloß –“

      „Ich weiß schon.“ Er winkte ab und ging die zwei Schritte zur Bar hinüber. Dort lag wieder ein Buch, allerdings sah das Cover jetzt irgendwie anders aus und daneben … Jayden deutete auf den Haufen Stoff. „Deiner?“

      Beim Anblick des grauen Schals hätte ich am liebsten geweint. „Ja! Oh du meine Güte, JA!“ Ich machte einen kleinen Freudensprung. „Danke!“

      „Na, da freut sich aber jemand.“ Lächelnd kam Jayden auf mich zu und drückte mir den Schal in die Hand. „Irgendwer hatte ihn bei Ty abgegeben. Ich hatte Tori schon geschrieben, ob sie deine Adresse weiß. Dann wäre ich später vorbeigekommen.“

      „Danke Irgendwer.“ Ich widerstand dem Drang, mein Gesicht in dem weichen Stoff zu vergraben, der zugegebenermaßen ein klein wenig nach Bier roch. Stattdessen ließ ich den Schal sinken und schloss Jayden in eine rasche Umarmung. „Danke!“

      „Ich habe nichts getan, Snoopy. Aber glaub mir, hätte ich gewusst, dass du dich so freust …“ Er zwinkerte mir zu und in meinem Magen machte irgendetwas einen Salto. „Kann ich dir was anbieten? Wir könnten Tys Cranberry-Vorräte plündern.“

      „Wo ist Ty?“

      „Schläft sich aus. Ich habe ihm freigegeben.“

      „Also arbeitet er für dich?“

      „Eine Tatsache, die er sicherlich abstreiten würde.“ Jayden zuckte mit den Schultern und ging zu seinem Wischmopp zurück. „Wir sind gute Freunde. Er mag den Laden, das Klavier und auch den Gedanken, hier etwas zu sagen zu haben. Er passt hierher. Und er ist ein Furcht einflößender, riesiger Kerl. So jemand ist in einer Bar immer gut.“

      Irgendwo begann etwas zu klingeln. Jayden hob den Kopf, kniff die Brauen zusammen und ließ Wischmopp Wischmopp sein. „Entschuldige mich kurz.“ Mit großen Sätzen hechtete er die Treppe hinauf. Unschlüssig stand ich nun da, hörte, wie das Klingeln verstummte und durch seine Stimme ersetzt wurde. Der Wischmopp neigte sich bedrohlich zur Seite. Kurz zögerte ich, doch dann ergriff ich ihn, legte meinen Schal auf einen Tisch und begann zu wischen. Die gleichmäßigen


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