Walk by FAITH. Felicitas Brandt

Walk by FAITH - Felicitas Brandt


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Wind of Change ein und ich erschrak mich halb zu Tode, brach aber keine Sekunde später in Gelächter aus. Es war ein gutes Gefühl zu lachen. Eine Weile hatte ich gedacht, es verlernt zu haben, doch die letzten Tage waren dabei, mich eines Besseren zu belehren.

      Beschwingt durch die Musik setzte ich meine Arbeit fort und bemerkte nicht, dass Jaydens Stimme oben verstummte und dass er wieder die Treppe herunterkam. Erst als die Jukebox erstarb und das Klingen einer neuen Münze ertönte, hob ich den Kopf. Jayden hatte die Arme verschränkt und sah mich seltsam an. Neugier und Verwirrung war in seinen dunklen Augen zu lesen. „Was tust du da?“

      „Das hätte sonst Streifen gegeben“, erwiderte ich, ehe ich zurück zum Putzeimer balancierte. „Jedenfalls behauptet meine Mutter das immer.“

      „Soso.“ Er machte einen Schritt beiseite, um mir nicht im Weg zu stehen. Erst jetzt sah ich, dass er etwas blass war.

      „Alles okay?“

      „Kurze Nacht gehabt.“ Jayden rieb sich über die Augen. „Die erste Steuererklärung ist fällig und treibt mich in den Wahnsinn.

      „Oh. Soll ich mir das mal ansehen?“ Kaum waren die Worte über meine Lippen, hätte ich mir am liebsten die Zunge abgebissen. Reiß dich zusammen, Valerie, schimpfte mein Gehirn. Du hast sie ja wohl nicht mehr alle.

      „Hast du Ahnung davon?“ Pure Hoffnung strahlte in Jaydens Miene auf. „Ich nämlich kein bisschen. Und der Vorbesitzer war ein Chaot. Das sogenannte Arbeitszimmer ist eine Müllhalde.“

      „Und das hast du dir nicht vorher angesehen?“, rutschte es mir heraus. Und da passierte es zum ersten Mal: Etwas an Jayden veränderte sich. Als hätte er plötzlich einen Mantel umgelegt, einen Mantel, der nur aus Schatten und Traurigkeit zu bestehen schien und zenterschwer auf seinen Schulten ruhte. Ich wollte meine Worte zurücknehmen, wollte auf ihn zu treten und seinen Arm berühren. Doch da war der Moment schon wieder vorbei und Jayden zuckte mit den Schultern. „Schätze, ich war gutgläubig.“

      „Kein Investortyp, hm?“

      „Nein.“ Er lachte leise. „Definitiv nicht.“

      „Also, ich kann nichts versprechen. Ich habe nur ein Semester Steuerrecht belegt und einen Großvater, der in dem Bereich gearbeitet hat. Zur Expertin macht mich das nicht. Aber ansehen kann ich es mir ja mal.“

      „Großartig! Heute Abend? So gegen sechs?“

      „Ähm … ich … okay. Ich denke, das geht klar.“ Am liebsten hätte ich gefragt „Warum nicht gleich?“, doch ich ließ es lieber. Bis heute Abend hatte ich vielleicht eine plötzliche Eingebung, wie ich mich aus dieser Misere retten konnte. Das hätte dir vielleicht eher einfallen sollen, ätzte mein Unterbewusstsein. Jetzt hast du den Salat.

      6

       Ewiger Sonnenschein schafft eine Wüste

      „Oh, du warst shoppen?“ Tante Fiona betrachtete erfreut die Tüten, die von meiner linken Hand baumelten. Der Starbucks-Becher in meiner rechten bekam einen weniger freundlichen Blick. Aber sah ich da nicht auch ein winziges Fünkchen Sehnsucht? Ha ha, Tantchen, erwischt!

      „Ganz spontan“, erklärte ich, während ein glückseliges Grinsen an meinen Mundwinkeln herumzerrte.

      Tatsächlich war ich, nachdem ich mich von Jayden verabschiedet hatte, einfach nur so herumgelaufen und hatte dann diesen unglaublich schönen Pullover in einem Schaufenster gesehen. Getrieben von dem Wahnsinn, der seit zwei Tagen in meinem Kopf zu tanzen schien, hatte ich den Laden betreten und den Pullover anprobiert. Alleine. Ich HASSTE es, alleine Klamotten anzuprobieren. Aber diesmal hatte ich es getan und die Verkäuferin war sehr nett gewesen. Ich hatte den Pulli gekauft – in drei verschiedenen Farben. Und jetzt fühlte ich mich bereit für die Weltherrschaft.

      „Sehr schön. Soll ich dir Geld überweisen oder …“

      Ich winkte ab. „Ist schon gut. Ich glaube nicht, dass meine Eltern mir die Konten haben sperren lassen.“

      „Hast du sie mal angerufen?“

      „Mh mh.“ Ich schüttelte den Kopf. Unser Gespräch begann, in unangenehme Bahnen abzugleiten und meine Tante sah mich mitfühlend an.

      „Valerie, irgendwann musst du mit ihnen reden.“

      „Das tust du doch schon für mich, oder?“ Ich schämte mich für den leicht beißenden Tonfall, der meine Worte begleitete. „Entschuldige. Das klang fieser, als ich es meinte.“

      Tante Fiona zuckte mit den Schultern. „Dein Vater ruft mich jeden Tag an. Was soll ich tun? Ihn ignorieren so wie du?“

      „Nein.“ Ich senkte den Kopf. „Nein, tu das bitte nicht.“

      „Gut. Sonst steht er hier morgen nämlich auf der Matte, das weißt du genau. Richard kann so unglaublich stur sein.“ Sie musterte mich und ein Grinsen huschte über ihr Gesicht. „Und das ist definitiv kein rezessives Gen in dieser Familie.“

      Ich erlaubte mir ein zaghaftes Lächeln.

      „Wir gehen heute Abend weg, du und ich.“

      Aaaahhh!

      „Ein Freund gibt eine kleine Feier“, fuhr Tante Fiona fort. „Wir werden uns nett unterhalten und vielleicht kann ich dich ja sogar ein paar Bekannten vorstellen. Außerdem gibt es reichlich Essen.“

      „Tante Fiona –“

      „Keine Ausrede.“ Die Worte kamen streng, doch ihre Miene wurde weich, als sie meine herabsinkenden Schultern sah. „Bitte, Valerie. Gib mir doch eine Chance. Ich habe dich immerhin ewig nicht gesehen. Und jetzt wohnst du hier und ich … Ich weiß eigentlich gar nichts über dich. Lass uns heute Abend da hingehen und uns amüsieren. Ich möchte dich kennenlernen. Dein Laptop verkraftet auch einen Abend ohne dich.“

      Es war wohl ihr Blick, der mich überzeugte. Aus diesen schokoladenbraunen Augen, die sie mit meinem Vater teilte. Ich seufzte. „Na schön. Aber ich werde kein Kleid anziehen. Und keine hohen Schuhe.“ Jayden fiel mir erst ein, als ich schon fast an meiner Zimmertür war. Mit geschlossenen Augen drehte ich mich herum. „Ähm, Tante Fiona?“

      „Ja?“

      „Um wie viel Uhr ist das noch gleich?“

      „Um sechs sollten wir da sein, also sei eine Stunde vorher fertig.“

      Na wunderbar …

      Bis genau 16.55 Uhr grübelte ich über einen Ausweg nach. Ich wollte Tante Fiona nicht versetzen, sie tat schließlich alles dafür, mich aufzumuntern, und konnte sich bestimmt auch etwas Besseres vorstellen, als mich auf diese Party mitzunehmen. Also würde ich mitgehen und mir Mühe geben. Ich schlüpfte in den wollweißen Pullover aus dem Schaufenster, band mir die Haare zu einem Zopf, versuchte einen Fingerabdruck von meiner Brille zu wischen und stiefelte die Treppe hinunter.

      Tante Fiona hantierte noch in der Küche. Sie trug ebenfalls Jeans und dazu eine schicke graue Bluse, die ihre schmale Figur betonte. Sie sah aus wie jemand, der genau wusste, was er vom Leben wollte. Jemand, der die Welt im Griff hatte. Jemand, der so ganz und gar anders war als ich.

      „Du siehst toll aus“, sagte ich.

      Tante Fiona drehte sich zu mir herum und lächelte. „Na, und du erst. Der Pullover ist wundervoll. Soll ich dir eine Kette dazu leihen? Für den Schal wird es dort sicher zu warm sein.“

      Ich sah an mir herunter. Gut, vielleicht sah ich ein klein wenig winterlich aus. Aber ich liebte doch Schals. „Ich weiß nicht genau …“, druckste ich herum und versuchte mich zu erinnern, was für Schmuck meine Tante normalerweise trug. „Ich glaub … zu diesem Style –“

      „Ich schau eben, ob ich etwas Passendes habe.“ Schon war sie weg und ich stand unschlüssig, ob ich ihr folgen sollte oder nicht, in der Küche.


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