Walk by FAITH. Felicitas Brandt

Walk by FAITH - Felicitas Brandt


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brach in Gelächter aus. „Snoopy, du solltest dein Gesicht sehen. Das pure Entsetzen.“

      Ich lächelte halbherzig und stupste den Teppich mit meiner Schuhspitze an. „Bist du sicher, dass hier nichts lebt?“

      „Hast du etwa Angst vor einem grausamen Tod? Keine Sorge, ich beschütze dich.“

      „Äußerst charmant, mein Herr.“ Ich streckte ihm die Zunge heraus.

      Sein Blick ruhte auf mir und schien jeden Zentimeter abzusuchen – nach was auch immer. Etwas bewegte sich in meinem Bauch, vielleicht die Häppchen von vorhin, vielleicht aber auch etwas anderes, Tieferes. Etwas, von dem ich nicht wusste, dass es da war. An der Uni hatte es mal einen Jungen gegeben, der mir gegenüber immer sehr aufmerksam gewesen war. Einmal hatte ich ihn mit auf eine Feier meiner Eltern genommen und er mich auf eine Ehrung für seinen Vater. Aber er hatte mich nie so angesehen, wie Jayden es gerade tat.

      „Hast du Angst vor mir, Snoopy?“ Seine Stimme war ganz rau und sein Blick so intensiv, dass er sich beinahe wie eine Berührung anfühlte.

      „Nein“, sagte ich und wunderte mich über die Festigkeit meiner eigenen Stimme. Aber es macht mich nervös, wenn du mich so ansiehst, und ich habe Angst, mich wie ein Trottel zu benehmen, wenn du in der Nähe bist. Außerdem hüpft mein Magen ganz seltsam und ich würde gerne das Fenster aufreißen, denn irgendwie ist hier gar kein Sauerstoff im Raum. Nur du, du bist da, bist überall und ich verstehe nicht ganz, was das bei mir auslöst. Die Worte segelten unausgesprochen durch die Luft wie Konfetti aus Buchstaben. „Ich habe keine Angst vor dir.“ Um ihm – aber vor allem auch mir – das zu beweisen, machte ich einen vorsichtigen Schritt in den Raum hinein. „Sollte ich das denn?“

      Er schüttelte den Kopf. Sein Blick brannte auf meiner Haut.

      Ich zeigte zu den Akten und Ordnern, um das Thema zu wechseln. „Was ist das alles?“

      „Zeug von dem Vorbesitzer. Ein bisschen was ist auch von mir.“

      „Ordnung ist nicht so deins, hm?“

      Er schien sich über meine Fassungslosigkeit zu amüsieren. „Ich wusste, du bist eher der ordentliche Typ.“

      „Geht so. Aber das hier bricht sogar mir das Herz.“ Ich dachte unwillkürlich an meinen Vater, der bei diesem Anblick sicher einen Schreikrampf bekommen hätte. Allerdings hätte er nach etwa einer Stunde Rumschreien die Ärmel hochgekrempelt und sich der Sache angenommen. Ich seufzte und spähte in ein, zwei Ordner. Chaos im Zahlenformat lachte mir entgegen. „Ich fürchte, so einfach wird das nicht“, stellte ich fest. „Es gibt kein System. Du brauchst jemanden, der das alles systematisch durchgeht und abheftet. Oder wegwirft – je nachdem. Dann müssen die Belege sortiert und geordnet werden und dann kann man mit der eigentlichen Steuererklärung anfangen.“

      „Und, machst du es?“ Jayden trat in mein Sichtfeld, die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben. „Ich kann dir nicht sehr viel zahlen, aber du hättest hier immer freien Eintritt und Gratis-Getränke. Und wenn Ty etwas zu essen zaubert, hättest du Anrecht auf die erste Portion – und glaub mir, das ist viel wert! Du kannst kommen, wann und wie es dir passt. Und du würdest dir meiner ewigen Dankbarkeit sicher sein.“ Er legte den Kopf schief und eine Haarsträhne fiel ihm in die Augen. „Du musst mir nur versprechen, keine krummen Dinger zu drehen.“

      Ich schnaubte. „Und was ist mit den krummen Dingern, die ich hier finden werde?“

      Das Grinsen flammte wieder in seinem Gesicht auf und nahm seinen Augen den dringlichen Ausdruck. „Unter dem Teppich ist sicher noch Platz.“

      Unwillkürlich stolperte ein mädchenhaftes Kichern über meine Lippen und verfing sich irgendwo in einer Spinnwebe in der Ecke. Jayden machte einen Schritt auf mich zu und hob hilflos die Schultern. „Hilft es was, wenn ich auf Knien darum bitte?“

      „Warum tust du das? Ich könnte sonst wer sein.“

      „Bist du aber nicht.“

      Ich schüttelte den Kopf und starrte blicklos auf den Ordner vor mir im Regal. „Ewige Dankbarkeit, hm?“

      „Und Freigetränke.“

      „Und ich darf hier Ordnung machen?“

      „Dein eigenes System. Lass mir nur eine Gebrauchsanleitung da.“

      „Für Ty ist das in Ordnung?“

      „Ich rede mit ihm.“

      Das ist bekloppt, völlig bekloppt! Ich kenne ihn kaum und ich habe keine – na gut – kaum Ahnung von dem, was hier zu tun ist. Aber … es war eine Aufgabe. Und vielleicht half es ja. Und wenn ich ehrlich war, mochte ich diesen Ort mehr als irgendeinen anderen in den letzten zwei Jahren. Die Musik. Die Menschen. Die Fee. Und … Jayden. Ich sah auf. „Was, wenn ich es nicht hinbekomme, abreise oder die Flucht ergreife?“

      „Das ändert nichts.“

      „Verklagst du mich, wenn du nachzahlen musst?“

      Er schüttelte den Kopf. „Nein, Snoopy. Versprochen.“

      Ich nickte vor mich hin, schob den Ordner ins Regal zurück und wischte mir die Hände an meiner Jeans ab. „Okay.“

      „Okay?“ Hoffnung glomm auf seinem Gesicht auf.

      Ich nickte erneut. „Ja. Ich mach’s.“

      „Im Ernst?“

      „So ernst, wie man freitagsabends nach einem Berg teurer Häppchen und zu viel Orangensaft sein kann.“

      Im nächsten Moment stand er vor mir und zog mich in eine feste Umarmung. „Du bist meine Heldin!“

      „Ich … ähm … danke.“ Oh Mann, dein Ernst, Valerie? Hör auf, so steif dazustehen. Atme, atme!

      „Ich habe zu danken.“ Jayden ließ mich los und geriet leicht ins Taumeln, fing sich aber rasch.

      Ich runzelte die Stirn und bemerkte erst jetzt, dass die Ringe unter seinen Augen ziemlich dunkel waren und seine Gesichtsfarbe sich seit heute Morgen von blass zu ungesund gewandelt hatte. „Du siehst gar nicht gut aus. Bist du sicher, dass alles okay ist?“

      Er machte eine abwehrende Handbewegung. „Ich glaube, ich werde krank. Nichts Wildes.“

      Ohne nachzudenken streckte ich die Hand aus und fühlte seine Stirn. „Warm bist du auf jeden Fall, aber nicht heiß.“

      Ein Lächeln blitzte auf seinem Gesicht auf. „Und du bist so charmant.“

      Jetzt war es mein Gesicht, das heiß wurde. „Blödmann.“

      Jayden lachte auf und fasste meine Hand. „Komm, das feiern wir.“

      „Aber sollte ich nicht lieber –“

      „Papperlapapp.“ Er zog mich so schwungvoll zur Tür, dass ich ins Stolpern geriet. Stimmen und Gelächter schwappten über uns herein. Jayden trat an das Geländer und zog an einer Schnur, die mir bis dahin gar nicht aufgefallen war. Im nächsten Moment ertönte ein wildes Glockengeklingel, das die Gespräche zum Verstummen brachte und selbst dem Treiben am Kickertisch Einhalt gebot. „Ladies und Gentleman“, brüllte Jayden in die beginnende Stille und legte einen Arm um meine Schultern. „Seht Snoopy. Meine Rettung, eure Rettung, unser aller Hoffnung. Das Balou spendet euch eine Runde Freigetränke auf ihren Namen!“

      Gegröle und Klatschen war die Antwort, gefolgt von gellenden Pfiffen. Ich machte Anstalten, in das Büro zu flüchten, doch Jayden hielt mich fest an seine Seite gedrückt und grinste wie eine geistesgestörte Grinsekatze. Seine Augen glänzten. Hitze kroch durch sein Shirt auf mich über. Na, wenn da mal keine Grippe im Anmarsch ist, dachte ich besorgt und fragte mich gleich darauf, seit wann ich eigentlich Ärztin war. Endlich hörte das Klatschen auf und in dem allgemeinen Ansturm auf die Bar konnten wir die Treppe wieder nach unten klettern. Dort wartete schon Tori mit ausgebreiteten Armen und breitem Grinsen. „Was soll das sein? Ein Antrag?“

      „Knapp daneben“, erwiderte


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