Walk by FAITH. Felicitas Brandt

Walk by FAITH - Felicitas Brandt


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mit Freunden.“ Dante zwinkerte ihm zu, aber in seinen Augen lag etwas, das der Geste ihre Freundlichkeit nahm. „Und außerdem denke ich vielleicht laut darüber nach, wie es sein kann, dass der Typ aus dem chinesischen Restaurant ein paar Straßen weiter plötzlich doch das Schutzgeld bezahlen konnte, das er letzte Woche noch nicht hatte. Das ist nämlich ganz schön verrückt. Und wisst ihr, was noch verrückter ist? Dass an dem Abend, als er Besuch von unseren Freunden bekam, plötzlich zwei Polizisten dort aufgetaucht sind, die noch so furchtbaren Hunger hatten, dass sie den ganzen Weg von ihrem Revier auf der anderen Seite der Stadt auf sich genommen haben. Und das, obwohl es auf dem Weg mindestens noch drei ähnliche Restaurants gibt.“

      Jayden spürte genau, wie sich Tys Blick wie ein Piranha, der Blut geleckt hatte, in seinen Rücken fraß. Das gibt noch Ärger. Er hob gleichmütig die Schultern. „Vielleicht haben sie gehört, wie gut die Nudeln bei Cho sind.“

      „Gut möglich.“ Dante nickte langsam. „Ich meine, wir alle wissen, wie gut das Essen dort ist. Wir lieben den Laden. Du bestellst dort oft, oder, Jay?“

      „Hin und wieder. Ich steh auf die gebratenen Nudeln.“ Mach, dass er aufhört zu fragen, dachte Jayden. Vater, ich weiß, dass es leichtsinnig war, aber was hätte ich denn tun sollen? Cho arbeitet so hart und seine Tochter ist ungewollt schwanger geworden. Sie hat keine Arbeit und keinen Mann, der für sie sorgt, Cho übernimmt das alles. Er hatte das Geld wirklich nicht und wenn sie ihm den Laden kurz und klein geschlagen hätten oder womöglich der kleinen Nija … Er knallte dem Gedanken eine imaginäre Tür vor der Nase zu, während sich seine Finger zu Fäusten ballten. Nein, er hatte nicht wegsehen können. Ganz egal, was das nun für Konsequenzen für ihn haben würde. Er machte den Fehler, Tys Blick zu erwidern. Die Augen seines Freundes schienen förmlich zu glühen. Oh ja, das wird definitiv noch Ärger geben.

      „Nun ja.“ Dante räusperte sich demonstrativ. „Nur gut, dass der Prinz momentan nicht in der Stadt ist. So wird die Sache sicher schnell in Vergessenheit geraten.“

      Jayden lief ein Schauer den Rücken hinunter und Ty drückte die Schultern durch. „Hast du etwas gehört?“ Verdammt, seine Stimme klang viel zu tonlos.

      „Nichts. Es ist sehr ruhig auf den Straßen“, antwortete Dante beinahe wie im Selbstgespräch. Doch Jayden entging nicht, wie der Rothaarige aufmerksam die Umgebung im Auge behielt, damit ihnen niemand zuhörte. Dante spielte dieses Spiel schon länger als er. Vielleicht zu lange. Jayden war immer noch nicht ganz sicher, auf welcher Seite der junge Mann stand. Er war einer der Ersten gewesen, die er kennengelernt hatte, nachdem sein Leben sich vor einem Jahr so grundlegend verändert hatte. Dante hatte ihn angewiesen, war sein Ansprechpartner gewesen, auch wenn er immer mal wieder für Tage oder sogar Wochen verschwand. Doch hinter die Fassade des rothaarigen Computerfreaks hatte er bisher nicht schauen können. „Die Schutzgelder sind eingetrieben und niemand hat aufgemuckt. Es heißt, der Prinz habe ein Mädchen, bei dem er etwas Zeit verbringt. Niemand weiß, wann er zurückkommt.“

      „Nie wäre schön“, brummte Ty und hob unter den Blicken der beiden die Hände. „Was?“

      „So etwas zu sagen, ist ziemlich dumm.“ Es lag keine Drohung in Dantes Worten. Nur kalte Wahrheit.

      „Gut, dass wir hier unter Freunden sind“, sagte Jayden und sah Dante fest in die Augen. Ihre Blicke fochten ein stummes Duell, bis Dante nickte. „Ja, unter Freunden.“ Er zog sein Handy hervor, auf dessen Display ein Anruf leuchtete. „Da muss ich rangehen. Entschuldigt mich.“ Er salutierte flapsig. „Bis zum nächsten Mal, Freunde.“

      Jayden sah ihm nach, wie er Richtung Hintereingang verschwand. Würde er jemals schlau aus diesem Kerl werden? Sein Blick huschte zur Uhr, auf der der Zeiger schon wieder weitergewandert war. Er gab auf. „Ich werde Tori anrufen“, sagte er zu niemand Bestimmten. „Vielleicht weiß sie was.“

      Tys Augen verengten sich. „Du machst dir Sorgen. Du bist gar nicht sauer, weil sie dich versetzt hat, sondern weil du denkst, ihr sei was passiert.“

      „Ich denke gar nichts!“ Die Worte kamen deutlich unfreundlicher als geplant aus seinem Mund. „Ich will nur … sichergehen“, murmelte er und tastete nach seinem Handy.

      Ty setzte zu einer Erwiderung an, doch da öffnete sich die Tür des Balou erneut und zusammen mit einem Schwall Mailuft stolperte ein Mädchen mit großen Augen und schief sitzender Brille herein.

      7

       Stranger in Paradise

      Das Balou war nicht so voll wie gestern, aber definitiv gut gefüllt, als ich weit nach zehn dort ankam. Dieses Mal hatte ich die S-Bahn genommen und war sogar fast an der richtigen Haltestelle ausgestiegen. Ich quetschte mich an einem knutschenden Pärchen vorbei, entdeckte Jayden sofort und ging zu ihm hinüber. „Hey.“

      „Ich dachte, du hättest mich versetzt.“

      Zerknirscht verzog ich das Gesicht. „Tut mir wirklich leid! Meine Tante hat mich zu so einer Sache mitgeschleppt. Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte.“

      Jayden hob eine Braue. „Hast du dich gut amüsiert?“

      „War ganz okay.“ Ich versuchte, seine Gefühlslage hinter den dunklen Augen auszumachen, aber es gelang mir nicht.

      „Ich werde also für ein ganz okay versetzt. Vier Stunden. Für ein ganz okay.“

      Na gut, jetzt war ich mir sicher, dass er scherzte. „Ich hätte ja angerufen, aber …“ Ich hob bedeutungsvoll die Schultern.

      Jayden legte den Kopf schief. „Also so fragt man heute nach Handynummern?“

      Und schon war mein Wagemut wieder verpufft, stattdessen stieg mir das Blut in die Wangen. Jayden wirkte amüsiert und winkte zur Treppe. „Also, gehen wir hoch?“

      Verdutzt sah ich ihn an. „Wohin?“

      „Na, ins Büro. Die Sachen ansehen.“

      „Was, jetzt?“

      Zum ersten Mal wirkte er verunsichert. „Bist du nicht deshalb hier?“

      „Ja, nein …“ Ich schüttelte den Kopf. Konzentrier dich, Val. „Musst du nicht arbeiten?“

      „Ich bin ja nicht weit weg.“ Er legte den Kopf schief. „Bist du etwa nur hier, um …“

      „Dir zu sagen, dass es mir leidtut, dass ich dich versetzt habe. Ja.“

      „Hm.“ Jayden kniff die Augen zusammen, als würde er im Kopf eine schwierige Gleichung lösen. Dann machte er eine einladende Bewegung zur Treppe hin. Ich war mir bewusst, dass uns inzwischen der ein oder andere beobachtete – besonders strenge Blicke kamen von der Bar. Also versuchte ich, möglichst würdevoll auszusehen, als ich die Stufen nach oben stieg. Jayden war gleich hinter mir und überholte mich, sobald wir den oberen Teil erreicht hatten. Eine Art Galerie schlang sich an der Wand entlang um den Innenraum der Bar. Von der Treppe aus hatte man den perfekten Blick über den ganzen Raum. Ein Gang führte ins Dunkel und dann gab es noch eine Tür, auf die Jayden jetzt zusteuerte, wobei er den Schlüssel aus seiner Tasche kramte. „Nicht erschrecken“, sagte er über die Schulter. „Ist ein bisschen chaotisch.“

      Nervös folgte ich ihm. Ein bisschen chaotisch war die Untertreibung des Jahrhunderts. Der Raum war ziemlich groß, düster und voll. Richtig voll. An den Wänden standen Regale, von denen eines wackeliger wirkte als das andere, und die vollgepackt mit Kisten, Ordnern oder wüsten Papierstapeln waren. Ein dicker Aktenschrank thronte hinter einem wuchtigen Schreibtisch, der gut und gerne tausend Jahre alt sein mochte und in einem Film mit Sicherheit über ein Geheimfach verfügt hätte. Der zerfledderte Teppich davor sah aus, als wäre schon mal jemand darauf gestorben, und auf den beiden Sesseln, die sich außerdem im Raum befanden, hätte sich jeder Mafiaboss wohl gefühlt. Fehlten nur noch die Perserkatze und das Whiskeyglas. Stattdessen war einer der Sessel unter einem Stapel Bücher begraben.

      Wow,


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