Walk by FAITH. Felicitas Brandt
sah es aus, als wäre dein Farbmalkasten explodiert.“
Sie lachte. Hell. Laut. Und ehrlich. Danach redeten wir nicht mehr über Kunst, was gut war, weil ich von Kunst keine Ahnung hatte. Stattdessen erzählte sie mir, wie sie zum Malen gekommen war. Wir sprachen über Hobbys und ob es sich lohnte, sie zum Beruf zu machen.
„Du tust es schon wieder.“ Die Künstlerin, deren Name übrigens Gerda Manneu war, hatte einen leichten Akzent, der ihr zufolge davon stammte, dass sie die größte Zeit ihres Lebens in Frankreich verbracht hatte.
„Was tue ich?“, fragte ich verwundert.
„Du siehst auf deine Uhr.“ Gerda neigte den Kopf. „Wartet noch jemand auf dich?“ Nach drei Stunden Verspätung wohl eher nicht. Statt einer Antwort nippte ich an meinem Orangensaft und Gerda grinste breit. „Ahhh, es wartet wirklich jemand. Warum bist du dann hier?“
Ich sah zu Tante Fiona hinüber, die angeregt mit ein paar Leuten redete. Sie hatte mich die erste halbe Stunde wie ein Bodyguard begleitet und allen vorgestellt, bis ich mich einigermaßen wohl genug gefühlt hatte, um ihr nicht die ganze Zeit am Rockzipfel zu hängen. Ich fand es toll, wie viele Freunde sie hier hatte, die sich wirklich freuten, sie zu sehen. „Meine Tante wollte, dass wir Zeit miteinander verbringen.“
Gerda folgte meinem Blick und nickte grüßend, als Tante Fiona ihr Glas in unsere Richtung hob. „Nun, das habt ihr.“
„Ich kann ihr nicht sagen, dass ich … ich will nicht … ich denke … ich bin nicht sicher …“ Hilflos brach ich ab.
Gerda nickte verstehend. „Ich könnte laut verkünden, dass der Champagner alle ist, dann ist hier ganz schnell alles leer.“
„Du meinst etwa, dass diese Leute nicht wegen deiner schillernden Persönlichkeit, sondern nur wegen deiner Getränkekarte hier sind?“
„Und wegen dem Essen.“ Gerda grinste breit.
„Nun, das Essen ist aber auch wirklich gut“, gab ich zurück. „Ich hatte irgendwie mehr Kaviar erwartet.“
„Es gibt für mich nichts Besseres als fettige Pommes, um kreativ zu werden. Aber sag das bloß nicht weiter, das schadet meinem Ruf.“
„Also ist das Salatbuffet nur Tarnung.“ Ich schlug in gespieltem Entsetzen die Hände vor den Mund. „Wie schockierend.“
Gerda kicherte los und hakte sich bei mir ein. „Na los, mal sehen, ob wir diese Party unauffällig auflösen können.“
„Ach, lass nur“, meinte ich in einem Anflug von Traurigkeit. „Ich bin schon viel zu spät. Sicher ist er längst sauer.“
„Süße, wenn der Typ nicht auf dich warten kann, ist er es nicht wert. Und wenn du nicht den Mumm hast, ihm nachzulaufen und es zu erklären, dann bist du es nicht wert.“
Keine Ahnung, wie genau sie es schaffte, aber eine halbe Stunde später schloss Tante Fiona in bester Laune die Haustür auf. „Und?“, fragte sie. „So furchtbar war es doch gar nicht.“
„Nein“, antwortete ich ehrlich. „War es wirklich nicht. Es war eigentlich ziemlich cool. Danke“, fügte ich nach kurzem Zögern hinzu. „Dass du mich mitgenommen hast.“
„Sehr gern.“ Meine Tante schritt vergnügt neben mir die Treppenstufen hoch. „Dann dir noch eine gute Nacht und wir sehen uns morgen vielleicht beim Frühstück? Ich bin allerdings vorher noch zum Joggen verabredet, also wundere dich nicht.“
„Ist gut. Gute Nacht, Tante Fiona.“
Ich wartete, bis die Tür zu ihrem Reich hinter ihr zufiel. Dann machte ich auf dem Absatz kehrt und flitzte die Treppe wieder hinunter.
Jayden
Seine Finger trommelten in einem unruhigen Rhythmus auf den Tresen. Ty sah schon wieder zu ihm hinüber und Jayden unterdrückte einen spöttischen Kommentar. Er konnte es nicht leiden, wenn sein bester Freund sich aufführte wie eine Glucke. Ein dumpfer Schmerz wütete in Jaydens Kopf und sein Hals fühlte sich unangenehm eng an. Er musste dringend nachsehen, ob er noch etwas von Tys Gesundheitstee vorrätig hatte. Das Zeug schmeckte zwar widerlich, half aber. Jetzt öffnete sich erneut die Tür und Jaydens Blick flog zum Eingang, doch es kamen nur zwei Typen herein.
Das Balou war heute Abend recht voll, was ihn eigentlich freuen sollte. Aber alles, woran er denken konnte, war die eine Person, die eben nicht hier war. Er sah erneut auf die Uhr. Vier Stunden. Wer kam denn bitte vier Stunden zu spät?
Jemand, der gar nicht kommt, Jay, sagte die spöttische Stimme in seinem Hinterkopf. Die Kleine hat dich versetzt.
„Das kannst du überhaupt nicht wissen“, murmelte Jayden und wich dem Blick eines Mädchens aus, das ihm demonstrativ mit seiner leeren Bierflasche zuwinkte. Er war nicht in der Stimmung, den netten Barkeeper zu geben. Die Rolle fiel heute Ty zu. Eine nervöse Unruhe waberte in seiner Brust und zehrte an der Mauer aus Gelassenheit, die er seit einem Jahr um sich herum aufgebaut hatte. Und das war etwas, was er wirklich nicht gebrauchen konnte. Gott, warum geht sie mir so unter die Haut? Ich verstehe nicht, warum du sie hergeschickt hast. Ist es nicht viel zu gefährlich? Was hast du vor?
„Führen wir jetzt schon Selbstgespräche?“ Ty rempelte ihn mit der Schulter an und wischte energisch den Tresen ab.
„Musst du nicht arbeiten?“, gab Jayden zurück. Sein Blick fiel auf das Buch, das unter dem Tresen lag. Er hatte den zweiten Band der Herr der Ringe-Trilogie zur Hälfte gelesen. Er könnte es einfach nehmen und damit verschwinden. Ein freier Abend. Ein Bier, ein Buch, Ruhe … Vielleicht war es ja das, was er brauchte. Ein bisschen Gesellschaft von Gandalf und Aragorn, um seine Gedanken wieder in die richtige Spur zu bringen.
„Oh Verzeihung, Boss.“ Tys Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. „Willst du heute nicht mal ein paar deiner Gäste begrüßen?“
„Offensichtlich nicht, denn ich stehe ja hier.“
„Wow“, ertönte da eine neue Stimme und Jayden unterdrückte mit aller Macht ein entnervtes Stöhnen. „Der Große ist ja richtig gut drauf. Was hast du mit ihm angestellt, Tiger-Ty?“
Ty knurrte. „Nenn mich noch einmal so und ich wische mit dir den Fußboden, Computerfreak.“
„Uhhh, das Kätzchen ist gereizt.“
„Dante!“ Jayden drehte sich dem Neuankömmling zu. Rotes Haar quoll unter einer grauen Strickmütze hervor und reichte fast bis zu den katzengrünen Augen. Die blasse Haut war mit Sommersprossen gesprenkelt. „Was treibt dich denn her?“
Der junge Mann grinste breit und offenbarte dabei einen schiefen Eckzahn. „Dein sonniges Gemüt sicher nicht, die dunkle Seite ist heute stark in dir.“
„Und du hörst dich immer noch gerne reden.“
„Diese Welt wäre ohne meine Stimme viel zu traurig.“
Unwillkürlich entfuhr Jayden ein schnaubendes Lachen, was sein Hals nicht unbedingt freudestrahlend begrüßte. Dieser Typ!
„Ahhh.“ Dante breitete die Arme aus wie ein Schauspieler auf einer Bühne. „Ein Lächeln, wer hätte das gedacht. Da ist er ja wieder.“
„Du bist ein Idiot, Dante.“
„Ich habe dich auch lieb, Jay.“ Dante warf ihm eine Kusshand zu und klopfte dann auf den Tresen. „Barkeeper, gibt es in dieser Spelunke auch etwas zu trinken? Ich bin ausgedörrt.“
„Ausgedörrt? Hat dein Computer dir ein neues Wort beigebracht?“ Ty langte seelenruhig nach einem Glas. „Der braucht wohl mal ein Update.“
„Sagt der Typ in dem Shirt, das schon in den 80ern out war.“
„Wenigstens weiß ich, welche Größe ich kaufen muss, um nicht wie ein Volltrottel auszusehen.“
„Seid