10 Galaktische Abenteuer Box 4. divers
»Ich sehe bloß Röhren, Pumpen und Turbinen!«
»Schwing dich zwischen den Rohrleitungen durch! Da haben die Viecher es schwerer, uns zu verfolgen!«
Jerichos und Nicis verzweifelte Flucht wurde zu einem angstschweißtreibenden Marathon.
»Da muss doch bald mal ein Gebäude kommen!«, rief sie prustend aus. »Die Bastarde hetzen uns wie der Teufel die arme Seele!« Sie stoppte mitten im Lauf, drehte sich um und feuerte ihre COLTs ab. Fleischfetzen wurden einem Ungetüm aus der Brust gerissen; gelb-grüner Saft spritzte umher.
Sofort spurtete Nici wieder los, folgte Jericho mit gewagten Sprüngen zwischen mannsstarken Rohren hindurch, kletterte hinter ihm über einen Gitterzaun und landete beim Absprung mit den nackten Füßen auf steinigem Untergrund. Der Schmerz stach durch ihre Fußsohlen bis in die Waden, ließ sie straucheln und der Länge nach hinfallen. Jericho bemerkte es rechtzeitig, kehrte um und lud sich Nici über die Schultern. Dann stürmte er weiter.
Nicoleta machte aus der Not eine Tugend und nahm ihre Jäger ins Visier. Aufgrund der Erschütterungen beim Laufen konnte sie nicht sonderlich gut zielen, doch verfehlen würde sie die Monstren nicht. Ein halbes Magazin jagte sie dem vordersten der Angreifer in den Leib. Das Fleisch explodierte förmlich, Geschwüre platzten auf und verspritzten Unmengen gelblichen Blutes. Wie eine gefällte Eiche fiel der Mutant vor und grub sich in die Erde.
»Nur noch sechs!«, triumphierte Nicoleta.
»Spar deine Munition, Babe!«, hielt Jericho dagegen, der allmählich zu körperlicher Hochform auflief und dem die Anstrengung kaum mehr anzumerken war. »Wer weiß, wann wir deine Knarren das nächste Mal brauchen.« Gleich einem Hochleistungssportler preschte er über das Gelände. Im Schein von Strahlern und Scheinwerfern konnte er sich ausgezeichnet zurechtfinden. Doch es war abzusehen, dass sie nicht ewig vor den Scheusalen davonrennen konnten. Der Abstand zu ihnen verkürzte sich stetig.
»Was soll ich denn machen?«, jammerte Nici. »Die holen enorm auf! Lass mich runter! Ich schaffe das schon!«
»Keine Zeit!«, erwiderte Jericho knapp. Er hatte einen Bau ausgemacht, der nicht weit entfernt lag. Noch einmal mobilisierte er sämtliche Kraftreserven und erhöhte sein Tempo. Er wusste, sie konnten es schaffen.
»Nicht da rein!«, zerschnitt eine helle Stimme die Luft. »Kommt hierher! Schnell!«
Überrascht verlangsamte Jericho seinen Lauf.
»Bleib jetzt bloß nicht stehen!«, schrie Nici ihm ins Ohr.
»Warte!«, sagte Jericho. »Dort drüben …«
Vor einem Schuppen hatte sich eine Bodenklappe geöffnet; eine schattenhafte Gestalt war erkennbar.
»Frag mich nicht wieso«, meinte Jericho, »aber ich denke, da sind wir besser aufgehoben.«
»Dann steh nicht rum wie eine Wachsfigur, sondern schaff uns rüber!« Entsetzt beobachtete Nici die Monstren, die wie blutgierige Raubtiere heranpreschten. Unter ihren kraftvollen Bewegungen wurde die Erde hochgeschleudert. Verbissen ballerte die Rumänin ihre Magazine leer und brachte zwei weitere Ungetüme zu Fall. Energisch stieß sie Jericho mit spitzem Ellbogen in den Rücken. Der Söldner beschrieb eine Biegung weg vom rettenden Gebäude und hin zu der schmalen Luke, in der die Gestalt wild gestikulierte.
»Aus dem Weg, Hoschi!«, donnerte Jericho, griff über seine Schultern hinweg und packte Nici. »Dreh dich so, dass du an mir heruntergleiten kannst!«
Sie zog ihre Beine über seine linke Schulter, hielt sich an seinem Hals fest – und sprang ab!
Mehrmals überschlug sie sich, rollte hinter Jericho her, der zu einem Sprung ansetzte und mit den Füßen voraus in die Bodenöffnung stieß. Haltlos kullerte Nici über den steinigen Boden ihm nach und verschwand ebenfalls in der Luke.
Keine Sekunde zu früh! Nicoleta spürte noch den Lufthauch, mit dem eine der Monsterpranken über sie hinwegfegte. Aber da hatte ihr Retter die Klappe bereits zugezogen.
*
Dumpfes Poltern wurde über ihnen laut. Fäuste wie Dreschflegel hieben auf die solide Stahlplatte ein.
»Keine Angst«, klang die helle Stimme auf. »Die kommen nicht durch.« Die Gestalt stand dicht an eine Eisensprossenleiter gelehnt, während Jericho rücklings aufgeschlagen war und als Puffer gedient hatte, der Nicis Fall ausgebremst hatte. So war sie auch als erste wieder bei sich, tastete ihre geschundenen Fußsohlen und die Blessuren an ihrem Körper ab und fixierte schließlich die Erscheinung, die auf der Leiter zu ihnen hinabgeklettert kam.
»Das ist ja ein Kind!«, stieß Nici verwundert aus. Es kam aus dem dunklen Schacht zu ihnen hinunter und zeigte sich im Licht der uralten Neonröhren.
»Mein Name ist Naud«, sagte der Junge. Er konnte nicht älter als dreizehn oder vierzehn sein.
Erneut folgte brutales, hämmerndes Schlagen gegen die Bodenluke.
»Du bist sicher, das Ding hält?«, deutete Jericho nach oben.
»Ich vermute es«, war Naud nicht mehr überzeugt. »Den Schlupfwinkel habe ich nicht oft benutzt. Aber stabil ist die Klappe schon.«
»Wir sollten uns nicht länger als nötig hier aufhalten«, bestimmte Jericho. »Wohin führt dieser Gang?« Er wies mit ausgestrecktem Arm voraus.
»Es gibt viele Abzweigungen«, wich der Junge aus. »Einige führen an die Oberfläche, einige weiter zum Zentrum. Ich kenne mich gut aus, aber …« Er stockte.
»Was befindet sich im Zentrum?«, wollte Jericho wissen.
»Nun dräng ihn doch nicht!«, schaltete sich Nici ein. Sie wandte sich an Naud: »Lebst du an diesem Ort? Und wenn ja, seit wann?«
»Ich weiß es nicht genau«, antwortete Naud wahrheitsgemäß.
»Was ist passiert, Kleiner?«, hakte Nici nach. »Wo sind deine Eltern?«
»Vater starb kurz nach meinem letzten Geburtstag«, erwiderte Naud. »Glaube ich wenigstens. Jeder Tag ist wie der andere. Die Zeit vergeht, doch ich kann nicht sagen wie viel.«
»Und deine Mutter?«
»Sie war sofort tot, als … als …« Nauds Blick wurde glasig, und er schien in weite Fernen zu entschwinden. Rasch jedoch war er wieder bei der Sache. »Gefahr!«, stieß er aus. »Sie werden gleich durch sein!«
Jericho runzelte die Stirn.
»Was soll das heißen?«
Er erfuhr es noch im selben Moment. Stahl ächzte und verbog sich. Es gab einen scheppernden Knall. Die Eisenluke kam mit tosendem Gepolter den Schacht hinuntergesaust, knallte gegen die Sprossen der Leiter, dann an die gegenüberliegende Wand und zurück an die Leiter, bis sie donnernd am Boden aufschlug. Naud stürzte augenblicklich den erhellten Gang entlang. Nici und Jericho überlegten eine Sekunde, ob sie dem Jungen folgen oder ihr Glück auf eigene Faust versuchen sollten. Doch sie besannen sich und rannten ihm nach.
»Der weiß schon, was er tut«, meinte Jericho, als würde seine Freundin eine dahingehende Erklärung erwarten.
»Viel Auswahl haben wir ja auch nicht, du Witzbold«, keifte Nici.
Grollen schwang durch den Schacht von der Oberfläche her, gleich darauf das Aufprallen schwerer Körper und das Stampfen muskulöser Beine.
»Wie viele sind noch übrig?«, fragte Jericho und versuchte zur selben Zeit zu ergründen, wohin Naud auf flinken Füßen lief.
»Vier«, antwortete Nici. »Falls die Spießgesellen keinen Zuwachs bekommen haben.«
Naud bog an einer Abzweigung nach links.
»Wohin führt der Gang?«, rief Jericho ihm hinterher.
»Zu einem Stahlschott!«, brüllte der Junge über die Schulter. Jericho und Nici waren etwa zwanzig Meter zurückgeblieben. »Dahinter kann uns nichts mehr passieren!«
»Das will ich