10 Galaktische Abenteuer Box 4. divers
Kreaturen, die teilweise nicht die mindeste Ähnlichkeit mehr mit Menschen oder Humanoiden im Allgemeinen besaßen.
»Vier, ja?«, reckte Jericho sein Kinn in Richtung der Meute vor. Immer noch fielen groteske Wesen durch den Schacht zu Boden.
»War nur eine grobe Schätzung«, entgegnete Nici abwehrend, linste um die Ecke Naud nach und gab ihrem Gefährten einen Klaps gegen die Schulter. »Noch ein paar Meter«, sagte sie, »und wir haben es geschafft.«
Naud stand bereits in dem kreisrunden Schott und winkte aufgeregt. Als Jericho und Nici ebenfalls hindurchschlüpften, zogen sie das Stahltor zu und verriegelten es.
»Ein viertel Meter grundsolider Stahl«, gab Jericho eine anerkennende Bemerkung ab. »Daran beißen sich die Fichtenheinis die Zähne aus.« Er stupste Nici an. »Rück mal eine Fackel raus.«
»Hab ich verloren.«
»Ich mache Licht«, bot sich Naud an. Mit schlafwandlerischer Sicherheit bewegte er sich in der Finsternis. Irgendwo klackten Schalter und Hebel. Wenige Sekunden später wurde es hell.
Nicoleta Belà schaute sich um. Schwarze, gusseiserne Kessel standen umher, dazwischen Konsolenschränke mit Anzeigetafeln. An den Wänden und der Decke verliefen dicht gedrängt Rohrleitungen.
»Hältst du dich nachts in diesem Raum auf?«, erkundigte sie sich bei Naud.
»Nein, nein«, sagte der. »Das ist nur eine Zwischenstation.« Der Junge lächelte vielsagend. »Die Raffinerie ist mein Zuhause. Das Versteck, in dem ich mich am meisten aufhalte, liegt auf der anderen Seite des Geländes.«
»Weshalb hast du dich so weit vorgewagt?«, bohrte Nici. »Ist das nicht viel zu gefährlich?«
»Ich war auf Nahrungssuche. Es wird immer schwieriger, etwas zu essen zu finden.«
»Krieg auch langsam Hunger«, machte sich Jericho bemerkbar. »Was steht denn auf der Speisekarte, Wichtel?«
Naud räusperte sich.
»Ab und zu verirren sich wilde Tiere hierher. Einige verenden, die meisten werden von den Monstren erschlagen.«
»Die Scheusale fressen Fleisch?«, erschrak Nici und stellte sich lebhaft vor, was ihnen widerfahren wäre, hätten die Ungeheuer sie in die Pranken bekommen.
»Meistens lassen sie genug übrig«, hielt Naud dagegen. »Selten finde ich auch eins der Ungeheuer tot vor. Naja …« Er ließ offen, was er damit meinte.
»Dann gibt’s Untier am Spieß«, grinste Jericho verstehend. »Na, soll mir recht sein –« Unwillkürlich zuckte er zusammen, als das Stahlschott unter einer wütenden Erschütterung erbebte.
»Unsere fiesen Freunde sind da«, meinte er gelassen. »Ich will weiter ins Innere. Möchte nicht im Schlaf von den Bestien zerrissen werden.«
»Die kommen nicht durch«, bekräftigte Naud. »Sie haben es oft genug probiert.«
»Vielleicht warst du ihnen die Mühe nicht wert«, gab der Söldner zu bedenken. »Außerdem haben wir einen Job zu erledigen. Der wird nicht einfacher, wenn wir länger warten.«
»Ich bringe euch in mein Versteck«, teilte Naud mit. »Aber ihr müsst mir versprechen, bei mir zu bleiben. Kommt nicht vom Weg ab. Bitte, kommt nicht vom Weg ab …«
Jericho und Nici sahen sich fragend an.
»Vorerst bleiben wir zusammen«, sagte Jericho. Suchend blickte er sich um und entdeckte den zweiten Zugang des Raumes. »Also los, Winzling, schwing die Hufe!«
*
Ein niedriger, aus Beton gegossener Korridor schloss sich an. Über den Boden ergoss sich ein Wasserrinnsal, an den Wänden und der gewölbten Decke hatte sich eine moosige Schicht abgesetzt.
»Es stinkt«, rümpfte Jericho die Nase.
»Dafür gibt’s keine qualligen Sabberviecher«, bemerkte Nici.
Jericho schritt weit aus und erreichte die angrenzende Halle. Ein vierzig Meter breites und mindestens zehn Meter hohes, rundes Becken füllte das Zentrum der Halle aus. An den Seiten führten Leitern auf einen Rundsteg.
»Wer sagt dir, dass die Viecher nicht auch von der anderen Seite reinkönnen?«, fragte er und funkelte Nicoleta an. Die zuckte mit den Schultern.
»Die Zugänge sind ebenfalls mit einem Stahlschott gesichert«, antwortete Naud an ihrer Stelle. »Außerdem sind sie niedriger. Die Monster kämen nur langsam voran.«
An Jericho vorbei drängte Nici in die Halle.
»Sieht nach einer Kläranlage aus«, mutmaßte sie. »Aber es muss noch eine Menge anderer Einrichtungen geben wie Werkstätten, Ersatzteillager und Labore.«
»In einer Werkstatt könnten wir Sachen finden, die als Waffen zu gebrauchen sind«, überlegte Jericho laut.
»Und in den Laboren einen Hinweis, was zum Geier in dieser Raffinerie vorgeht.« Nicoleta stemmte die Fäuste in die Hüften.
»Was soll denn hier vorgehen?«, wunderte sich Jericho. »Draußen lungerten irgendwelche Streuner rum, die kontaminiert wurden und sich in hässliche Triefnasen verwandelt haben.«
»Das ist eine Erdölraffinerie«, tadelte Nici, »und kein Atomkraftwerk.«
»Nicht mal einen Grundriss der Anlage haben wir«, winkte Jericho ab. »Wird schwierig, sich zurechtzufinden, geschweige denn, gezielt zu suchen.«
»Ich führe euch«, meldete sich Naud nach längerem Schweigen zu Wort. »Ich war fast überall in der Anlage.«
»Fast überall?«, fragte Nici gedehnt. Ihr fielen einige Äußerungen ein, die Naud gemacht hatte. Auch rief sie sich in Erinnerung, dass der Junge das Durchbrechen der Kreaturen an der Bodenluke vorausgeahnt hatte. Nur ein oder zwei Sekunden zwar, aber die junge Rumänin vertraute ihrem Gespür für außergewöhnliche Vorgänge.
»Einige Bereiche habe ich gemieden«, erwiderte Naud kleinlaut. »Das solltet ihr auch tun. Weicht nicht von meiner Seite.«
»Junger Mann«, hob Nici mahnend den Zeigefinger, »du schuldest uns einige Antworten. Du hast uns immer noch nicht gesagt, warum du hier bist und was mit deiner Mutter geschah. Komisch finde ich auch, dass du so lange Zeit allein in dieser feindseligen Umgebung überleben konntest.«
»Ich habe nicht gelogen!«, verteidigte sich Naud. »Alles, was ich sagte, ist wahr!«
»Das glaube ich dir. Doch du verschweigst mehr, als du uns bisher mitgeteilt hast.«
Naud lehnte sich an die Wand und rutschte daran hinunter, bis er auf dem nackten Erdboden saß. Er reckte ein Bein vor und pitschte mit dem Fuß in das Wasserrinnsal.
»Papa kam irgendwann von der Arbeit heim. Er war sehr aufgeregt, rannte in der Wohnung herum und hat verschiedene Dinge eingepackt. Mama und ich hatten gar keine Zeit, unser eigenes Zeug mitzunehmen. Er scheuchte uns aus der Wohnung zu unserem Gleiter. Viel sagte er nicht. Nur, dass er uns alles erklären werde. Aber das müsse warten. Überstürzt verließen wir die Stadt. Papa hatte wohl einen bestimmten Plan, doch schon bald hingen Verfolger an uns. Sie eröffneten das Feuer. Anfangs konnten wir ausweichen, bis unser Gleiter schwer getroffen wurde. Meine Mutter starb im Maschinengewehrfeuer. Die Verfolger drehten ab, als sie sahen, dass wir abstürzten. Trotzdem schaffte Papa es noch, uns ein gutes Stück weit zu bringen. Dann versagten die Triebwerke, und wir machten eine Bruchlandung. Irgendwie schafften wir die vielen Kilometer von der Absturzstelle bis zu dieser Raffinerie. Wir glaubten sie verlassen und richteten uns einen Wohnraum her. Eifrig war Papa damit beschäftigt, den Gleiter zu reparieren. Täglich wanderte er den weiten Weg dorthin und kam erst spät abends zurück. Es war tiefe Nacht, als wir erstmals die Lastwagenkolonnen sahen. Sie durchfuhren das Gelände und verschwanden in einem Bereich, den wir nicht kannten. Jede Woche kamen die Wagen. Mein Papa wollte herausfinden, was es mit den nächtlichen Besuchen auf sich hatte. Mehrmals pirschte er sich an die Kolonne heran, hängte sich an einen Wagen und blieb immer lange fort. Auch machte er merkwürdige