10 Galaktische Abenteuer Box 4. divers
sich damals bereits Monstren in der Raffinerie herum?«, fragte Nici.
»Ich schätze, die ersten tauchten zwei, drei Wochen nach Papas Tod auf.«
»Er muss nicht tot sein, Naud. Vielleicht konnte er flüchten und holt Hilfe.«
»Er ist tot«, sagte Naud starr. »Ich weiß es.« Der Junge erklärte es mit einer Eindringlichkeit, die keinen Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt ließ.
Wieder beschlich Nici das eigentümliche Gefühl, dass dieses Kind über außerordentliche Wahrnehmungsfähigkeiten verfügte, eventuell sogar übersinnlich war.
Jericho, der sich derweil zurückgehalten und die Halle oberflächlich inspiziert hatte, ging dazwischen.
»Seid ihr mit eurem Sermon fertig? Außer getrockneter Scheiße gibt’s in diesem Abwasserloch nämlich nichts zu entdecken. Ich will endlich wissen, wer für den ganzen Zirkus verantwortlich ist.«
»Weicht nicht vom Weg ab«, ermahnte sie Naud aufs Neue. »Bleibt dicht bei mir.«
»Hast du etwas gespürt?«, fragte Nici. »Oder etwas gesehen?«
»Es gibt Orte innerhalb der Anlage, die mir Angst machen, wenn ich in ihre Nähe komme. Deshalb meide ich sie. Und weil das Orakel mich vor ihnen gewarnt hat.«
Nici stutzte; Jericho hob eine Braue.
»Das Orakel?« Die Rumänin kniete sich neben Naud. »Was ist dieses Orakel, und wann hat es dich gewarnt?«
»Ich war einige Male mit meinen Eltern dort. Wir mussten den Gleiter nehmen, um hinzukommen. Für jeden von uns hatte das Orakel eine persönliche Botschaft, die nur für den Empfänger bestimmt war und auch nur für diesen einen Sinn ergab.«
»Was hat dir das Orakel gesagt?«
Der Junge schwieg einige Sekunden. Dann antwortete er:
»Deine innere Stimme wird dich leiten, wenn du es ihr erlaubst. Versage dich den Einflüsterungen deines bewussten Selbst, denn es führt dich in die Finsternis …«
Nicoleta erschauerte.
»Auf, auf!«, drängte Jericho. »Schauergeschichten könnt ihr immer noch austauschen.«
Leicht benommen half Nici dem Jungen auf die Füße und folgte ihrem Gefährten. Mit jedem Schritt, den sie tat, wuchs ihre Beklemmung.
*
Hoch über den Dächern von METROCITY III glitten die Segmente eines Kuppelhangars auseinander wie die Finger einer vielgliedrigen Hand. Die Sonne brach sich auf der glasähnlich wirkenden Metalloberfläche und zauberte grelle Reflexe. Die beiden Männer, die sich zwischen den geparkten Gleitern bewegten, verloren sich in der Weite des Kuppelbaus.
»Ich habe den gepanzerten Omni-Gleiter vorbereitet«, erläuterte Denford Sucksbee und wies mit der Hand auf das imposante Gefährt.
»Disponieren Sie um«, erwiderte der Kraushaarige. »Nichts Auffälliges. Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass wir unter der Beobachtung von Regierungsbeamten stehen. Der Untergang der MS ›Commonwealth‹ samt der zugehörigen, mysteriösen Umstände hat eine Menge Fragen aufgeworfen. Ich werde mich ihnen zu gegebener Zeit widmen. Aktuell aber ist es von äußerster Wichtigkeit, behutsam vorzugehen und die Wogen zu glätten.«
»Wie Sie wünschen, Sir.« Sucksbee wanderte zum Omni-Gleiter und holte allerlei Gerät daraus hervor, um es zu einem entsprechend kleineren Modell zu schaffen und dort zu verstauen. Die Aktion dauerte nur wenige Minuten.
»Henderson macht mir ein wenig Kopfzerbrechen«, meinte Sucksbee, als er im Pilotensitz Platz nahm. »Es bleibt weiterhin unklar, welche Informationen er gestohlen und weitergegeben hat.«
Der Kraushaarige bewegte zur Verneinung leicht den Kopf.
»Er ist tot. Auch wenn wir ein bisschen nachlässig bei seiner Beseitigung vorgegangen sind, scheinen die entwendeten Daten noch nicht in Umlauf gekommen zu sein. Das jedenfalls vermelden meine Informanten.«
Denford Sucksbee startete die Triebwerke. Sanft hob der Fluggleiter ab und beschleunigte mit Höchstwerten.
»Kein Aufsehen!«, ermahnte der Mann im weißen Einteiler. »Das bezieht sich auch auf unsere Reisemodalitäten. Ich möchte nicht als jemand erscheinen, der auf der Flucht ist oder in Panik handelt. Halten Sie sich an die Durchschnittsgeschwindigkeiten innerhalb der City.«
Sucksbee drosselte die Schubregulierung.
»Wir verzeichnen leichte bis mittelschwere Umsatzeinbrüche im Bereich Gen-Präparate«, kam Denford Sucksbee auf ein anderes Thema zu sprechen. »Die Produktion der Gen-O-Matics stagniert.«
»Eine bedauerliche Entwicklung, die Mister Blane mit seiner Titan-Aktion ausgelöst hat.**Wer sich nicht erinnert, schlägt nach in BLACK JERICHO #1 Ein wenig zu viel Medienrummel, gefolgt von öffentlicher Verunsicherung. Aber ich habe Mittel und Wege, dem entgegenzuwirken. Ich denke, wir können gelassen in die Zukunft blicken. Das Bestehen der Stiftung ist gesichert. Der Markt liegt brach für Männer, die versteckte Chancen zu nutzen wissen.«
Geschmeidig und in moderatem Tempo steuerte Sucksbee den Gleiter zwischen den Nano-Tubes hindurch.
»Ich habe nichts anderes erwartet, Mister Rosgard«, sagte er kaltlächelnd.
*
An das Klärwerk schloss sich eine weitere, allerdings wesentlich kleinere Halle an. Sie mündete in einen lang gezogenen Schacht, der zu beiden Seiten mit Neonröhren ausgestattet war. Die meisten von ihnen verstrahlten helles, weißblaues Licht, ein paar von ihnen flackerten und einige wenige waren komplett ausgefallen. Große, geschlitzte Lüftungsklappen wiesen auf Frischluftschächte hin.
»Was ist das da vorne, Winzling?«, fragte Jericho barsch. Am Ende des Korridors erkannte er in der rechten Wand eine Unregelmäßigkeit in der glatten Verkleidung, die auf eine Öffnung hinwies.
»Ein Schacht, der nicht versiegelt wurde«, teilte Naud mit. Er blieb stehen und schloss die Augen. Offenbar horchte er nach ungewöhnlichen Geräuschen.
Oder nach außersinnlichen Wahrnehmungen, dachte Nici, die jede Regung des Jungen beobachtete.
»Der Kleine hat recht«, meinte Jericho und stellte sich vor die Öffnung. Kabelstränge hingen lose an den Bruchstellen herab. Dahinter zeigte sich nacktes Gestein, das kreisrund ausgehöhlt war. Aber nur etwa anderthalb Meter. Danach gab es lediglich unbearbeitetes Erdreich und nackten, kantigen Fels.
»Da hat wohl jemand frühzeitig aufgegeben«, kommentierte Jericho ihren Fund. »Die Frage bleibt, warum an dieser Stelle in die Tiefe gebohrt wurde.«
Naud öffnete die Augen.
»In den Gängen gibt es noch mehr dieser Bohrlöcher. Die reichen aber alle nicht weit in den Felsen hinein.«
»So hart sieht das Gestein gar nicht aus«, meinte Nici und äugte in die Öffnung hinein.
»Die Arbeiter müssen auf einen Widerstand gestoßen sein.« Jericho kratzte sich am Kopf und schaute Naud an. »Liegt noch ein weiterer Komplex unter der Raffinerie?«
»Nein!« Die Antwort kam zu schnell, um der Wahrheit zu entsprechen. Der Vierzehnjährige bemerkte es und setzte nach: »Ich habe mich nie über diese Ebene hinausbegeben. Ihr solltet nicht nach Dingen suchen, die nicht entdeckt werden wollen.«
»Genau die Dinge sind es aber, die mich interessieren«, erwiderte Jericho. »Unter deinem hässlichen Potthaarschnitt verbirgt sich mehr, als du preisgeben willst, Wichtel.«
»Hab mir die Haare selbst geschnitten«, brummte Naud beleidigt. »Kann nichts dafür, wenn es nicht wie vom Coiffeur aussieht.«
»Du weißt verdammt gut, was ich meine«, fixierte ihn Jericho angriffslustig. »Solltest du uns irgendwas verschweigen –«
»Nun lass ihn doch in Ruhe!«, schimpfte Nici mit ihrem Freund. »Ich bin sicher, Naud wird uns alles