Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Michaela Dornberg
verderblichen Lebensmitteln musste man besonders aufmerksam sein, da durfte die Kühlkette unter keinen Umständen unterbrochen werden. Nichts davon konnte man einfach erst einmal abstellen, um sich später damit zu beschäftigen. Von wegen!
Als Roberto mit seiner Arbeit fertig war und nach oben in seine oben im Haus liegende private Wohnung gehen könnte, da war es zu einer Zeit, in der viele Menschen aufstanden, um zur Arbeit zu gehen.
Roberto zog sich rasch aus, verschwand im Badezimmer. Er war froh, danach endlich ins Schlafzimmer gehen zu können. Da fiel seine Anspannung sofort von ihm ab. Es bot sich ihm ein so friedliches Bild.
Susanne lag im Bett und schlief, und neben ihr im Kinderbettchen lag die kleine Valentina und schmatzte vor sich hin.
Auf Zehenspitzen lief Roberto zu dem Bettchen, blieb dort einen Augenblick lang verzückt stehen. Solange Valentina so klein war, hatte sie sich dafür entschieden, das Bettchen im Elternschlafzimmer stehen zu lassen. Erst später würde es in das entzückend eingerichtete Kinderzimmer zurückkommen.
Das alles hier söhnte Roberto mit allem aus. Es gab keine Worte, dieses Glücksgefühl zu beschreiben.
Er musste an sich halten, das Baby jetzt nicht aus dem Bettchen zu nehmen, es an sich zu pressen. Wie sehr er die kleine Valentina doch liebte, doch nicht nur die. Auch seine Susanne war sein Leben, längst war vergessen, dass sie nicht seine erste Wahl gewesen war, da damals noch immer Nicki so präsent gewesen war.
Nicki …
Er mochte die Zeit mit ihr nicht missen, die voller Leidenschaft gewesen war. Er hatte sehr darunter gelitten, von ihr verlassen worden zu sein. Doch man lebte mit seinem Partner nicht nur im Himmel der Liebe. Man wurde sehr schnell von dem Alltag eingeholt, und ob er den mit Nicki gehabt hätte, das wagte er mittlerweile zu bezweifeln.
Alles hatte seine Zeit.
Die Zeit mit Susanne sollte niemals zu Ende gehen, er liebte sie, sie war seine zweite Hälfte. Sie hatten sich gesucht und gefunden, und auf leisen Sohlen hatte sich die Liebe in ihr Leben geschlichen.
Nach einem letzten Blick auf seine kleine Tochter legte Roberto sich in sein Bett. Susanne bekam das, obwohl er so leise gewesen war, mit, sie rutschte zu ihm herüber, murmelte schlaftrunken: »Da bist du ja, mein Liebling«, dann schlief sie wieder ein, und er hatte gerade noch Zeit, sie behutsam in seine Arme zu nehmen.
Frau und Kind …
Er liebte, er wurde geliebt …
Auf der Glücksskala war er ganz oben angekommen, das wusste Roberto, doch weil es so war, da wollte er sein Glück auch noch mehr genießen.
Er war müde, doch er konnte nicht einschlafen. Es gingen ihm zu viele Gedanken durch den Kopf.
Und einer davon verfestigte sich immer mehr in ihm.
Er würde mit Frau und Kind den ›Seeblick‹ verlassen. Alles hatte seine Zeit, und die war jetzt vorbei. Er hatte trotz vieler Widerstände den ›Seeblick‹ zu dem gemacht, was er jetzt war. Er konnte stolz sein. Aber das war nicht alles.
Es gab da dieses interessante Angebot aus der Toscana. Er musste sich alles noch einmal ansehen, und dann lag es an ihm, ja oder nein zu sagen.
Susanne kuschelte sich im Schlaf noch enger an ihn, sie waren eine Einheit, verschmolzen beinahe ineinander.
Toscana …
Er sah das Bild vor sich, dieses wunderschöne alte Gutshaus, umgeben von einer Vielzahl von Olivenbäumen.
Natürlich wurde er auch dort arbeiten, und das war gut so, er war schließlich noch kein Pensionär, der sich seine Rente redlich verdient hatte. Doch die Abende, die Sonn- und Feiertage würden der Familie gehören. Das war ein verlockender Gedanke.
Er musste noch einmal mit Susanne reden, die war eh damit einverstanden, zusammen mit ihm und Valentina nach Italien zu gehen. Die Frage war nur noch das ›Wann‹.
Einen Käufer für den ›Seeblick‹ zu finden, das war kein Problem. Er hatte hervorragende Bilanzen vorzuweisen, solche Objekte wurden immer gesucht.
Valentina begann zu quengeln, sofort wurde Susanne wach, es war wohl der Mutterinstinkt, der Frauen aus der Tiefschlafphase holte, wenn ihre Kinder sich rührten.
»Bleib liegen, mein Schatz«, flüsterte er, machte sich aus ihrer Umklammerung frei, stand auf, »ich mache das schon.«
Sie vertrauten einander, sie waren ein Team, und so war es überhaupt nicht verwunderlich, dass Susanne sich zur Seite drehte und weiterschlief.
Roberto nahm Valentina aus ihrem Bettchen, drückte sie an sich, wiegte sie sanft hin und her. Es dauerte nicht lange, da war das Baby wieder eingeschlafen. Roberto hielt sie dennoch noch eine ganze Weile im Arm, weil er überwältigt war vor Glück.
Vergessen waren die Anstrengungen, all die negativen Gedanken. Er wurde ruhig. Wenn es an der Zeit war, würde er die richtige Entscheidung treffen.
»Kleine Valentina Andoni, es würde dir gewiss gefallen, hier oben aufzuwachsen, aber ich bin mir sicher, dass es dich glücklicher machen würde, zwischen alten Olivenbäumen in einem wunderschönen Haus zu leben.«
Valentina konnte ihm noch keine Antwort geben, und er merkte, wie müde er war. Viel Zeit, sich auszuschlafen, blieb nicht. Er legte ganz vorsichtig seine kleine Tochter in ihr Bettchen zurück, dann ging er in sein Bett, wenig später war er eingeschlafen, tief und fest.
Die Toscanaträume konnten warten …
*
Inge Auerbach hatte gerade ihren Mann zur Tür gebracht. Werner und ihr Vater wollten gemeinsam bei einem spannenden internationalen Schachturnier zuschauen. Beide waren begeisterte Schachspieler, und Werner hatte sich früher niemals die Zeit genommen, bei so etwas auch mal zuzusehen und die Großmeister des Schachs zu beobachten.
Werner machte wirklich Schritte in die richtige Richtung, und das Schönste dabei war, dass ihm diese Schritte gefielen.
Er hatte sich wie ein Kind gefreut, als ihr Vater Werner vorgeschlagen hatte, doch mitzukommen.
Sie winkte ihnen nach, ging ins Haus zurück, als das Telefon schrillte. Inge blickte auf ihre Armbanduhr. Wer rief denn so früh bei ihr an?
Hoffentlich war da nichts passiert!
Sie zwang sich, nicht schon wieder so negativ zu denken. Es musste nicht immer etwas passiert sein, und sie sollte nicht nur predigen, wie man in seinem Leben etwas verändern konnte, sondern es auch selbst tun. Sie musste sich umpolen von negativ auf positiv, und für sie sollte das berühmte Weinglas nicht halb leer sein, sondern halb voll.
Sie meldete sich.
Jetzt war Inge wirklich verwundert!
Die Anruferin war Rosmarie Rückert!
Es erstaunte sie nicht, dass Rosmarie sie anrief. Es war vielmehr so, dass es die Zeit war, zu der Rosmarie das tat. Inge wusste, dass die Schwiegermutter ihrer Kinder eigentlich eine Langschläferin war und morgens nicht so früh aus den Federn kam.
»Rosmarie«, rief Inge deswegen auch mehr als nur erstaunt aus, »bist du aus dem Bett gefallen?«
Rosmarie lachte. Inge Auerbach kannte sie und ihre Gewohnheiten.
»Mehr oder weniger«, gab Rosmarie zu, »doch ich habe heute einen strammen Tag vor mir, und ich möchte unbedingt vorher ganz kurz bei dir vorbeischauen.«
Inge war mehr als verwundert, konnte zunächst nichts sagen, deswegen erkundigte Rosmarie sich: »Ist es dir recht, wenn ich jetzt vorbeikomme? Du stehst doch morgens mehr oder weniger früh mit den Hühnern auf. Deswegen habe ich mich auch getraut, dich zu so nachtschlafender Zeit anzurufen.«
»Klar kannst du kommen«, sagte Inge, »soll ich schon mal den Kaffee aufsetzen?«
»Das wäre schön«, antwortete Inge, »aber mach dir bitte meinetwegen keine Umstände, ich bleib auch nur ganz kurz.«
Inge