Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Michaela Dornberg
nur ein Wort ein … Leckerli.
Sie blickte zur Seite, als sie an der Auffahrt vorbeiradelte, die hinauf zum Erlenhof führte. Sie konnte sich das nicht ansehen, und es schmerzte unendlich, wenn sie daran dachte, dass sie den Weg dorthin niemals mehr gehen oder fahren würde. Der Besitz war verkauft, und niemand hatte bislang den neuen Besitzer gesehen. Pamela wusste nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Wenn man so einen herrlichen Besitz kaufte, dann wollte man doch dort auch sofort einziehen, und wenn man Benehmen hatte, dann stellte man sich bei den Leuten aus dem Sonnenwinkel vor, auch wenn man oberhalb von ihnen wohnte, besser gesagt, residierte und ein Graf war. Ihre Großeltern hießen auch von Roth, deren Besitz war noch schöner und größer gewesen, und sie waren überhaupt nicht eingebildet.
Pamela war ein ehrlicher Mensch, und deswegen korrigierte sie ihre Meinung auch sofort. Sie kannte diesen Grafen nicht, und deswegen durfte sie sich auch kein Urteil über ihn bilden, auch dann nicht, wenn sie sauer auf Gott und die Welt war. Dafür konnte dieser Mann nichts.
Es brachte nichts, sie wurde immer missmutiger. Als sie am Haus ihrer Schwester vorbeifahren wollte, trat sie auf die Bremse. Da tat sich etwas, sie hatte von ihrer Mutter erfahren, wer in dieses Haus einziehen würde, und anscheinend brachte man schon etwas her.
Neugierig stieg sie von ihrem Fahrrad ab, und dann sah sie das Mädchen und den Jungen. Beide standen ziemlich missmutig am Gartentor und sahen zu, wo verschiedene Sachen ins Haus getragen wurden, ohne einen Finger zu rühren.
Pamela ging auf die Kinder zu. Sie gefielen ihr gut. Die beiden würden zwar niemals ein Ersatz für ihren Freund Manuel sein, aber immerhin passten sie altersmäßig zu ihr. Und das war doch schon mal etwas, außerdem sollte man niemals nie sagen. Wie Manuel konnte niemand sein, aber ein bisschen von ihm, das wäre perfekt!
»Hallo, Ihr zwei«, rief Pamela. »Ihr müsst Maren und Tim Bredenbrock sein.« Sie lächelte die beiden gewinnend an. »Schön, dass ich euch schon kennenlerne. Ich bin Pamela Auerbach, doch ihr könnt ruhig Pam zu mir sagen, ich wohne mit meinen Eltern nicht weit von hier, und das Haus, in das ihr einzieht, das gehört meiner Schwester Ricky und meinem Schwager Fabian. Es wird euch gefallen.«
Sie wollte den beiden die Hand geben, doch das wurde einfach ignoriert. Das Mädchen blickte Pamela beinahe herablassend an. »Was für eine Schlaubergerin du doch bist, und was du alles weißt. Aber du irrst dich, wir finden das Haus fürchterlich und euren Ort auch. Und ansonsten lass uns bitte in Ruhe, verstanden?« Sie schnappte sich ihren Bruder und zog ihn ein wenig gewaltsam in das ungeliebte Haus.
Pamela war außer sich.
Was war das denn jetzt gewesen?
Sie hatte es nur gut gemeint, wollte freundlich sein, und dann diese Abfuhr. Der Junge hatte ja mit ihr reden wollen, doch das Mädchen war eine richtige Zicke. Und die hatte das Sagen.
Das heute war wirklich nicht ihr Tag, sie stieg wieder auf ihr Fahrrad, und dann fuhr sie wirklich nach Hause. Das jetzt hätte sie wirklich nicht haben müssen.
Sie radelte nach Hause, machte sich nicht einmal die Mühe, ihr Fahrrad, wie sonst gewohnt, ordentlich wegzustellen, sondern knallte es in den Vorgarten, und dann stürmte sie ins Haus, knallte mit der Tür.
Verschreckt kam Inge in die Diele gelaufen, sah ihre erzürnte Tochter und erkundigte sich sofort besorgt: »Um Himmels willen, mein Kind, was ist geschehen?«
»Mami, ich hatte eben das Erlebnis der besonderen Art, und ich kann nur sagen, die Leute, die in Rickys Haus einziehen, die sind gruselig, zumindest die Kinder.«
Gut, die waren nicht einfach, das hatte Inge am eigenen Leib erfahren, doch jetzt so etwas von ihrer Tochter zu hören, das irritierte Inge sehr. Jugendliche untereinander pflegten einen ganz anderen Umgangston miteinander, als wenn sie sich vor Erwachsenen profilieren wollten und aufmüpfig waren. Und außerdem, Pam war ein so liebenswerter Mensch, die mochte jeder.
Da konnte etwas nicht stimmen.
»Liebes, ich koche dir jetzt eine heiße Schokolade mit ganz viel Sahne, und dann erzählst du mir alles«, schlug Inge vor, weil sie aus Erfahrung wusste, dass das beinahe so etwas wie ein Heilmittel war.
Damit war Pamela einverstanden, sie freute sich, doch sie fügte hinzu: »Mami, so viel heiße Schokolade kannst du überhaupt nicht kochen, um mich wieder auf den Boden zu bringen.«
Es musste wirklich schlimm gewesen sein. Inge vergaß all ihre guten Vorsätze, und als sie an den Schrank ging, es dort verdächtig raschelte, besserte sich Pamelas Laune augenblicklich. Dieses Geräusch kannte sie. Sie würde nicht nur die von ihr so heiß geliebte heiße Schokolade bekommen, sondern auch noch Schokolade in fester Form, und das war gut. Das brauchte sie jetzt, und hoffentlich dachte ihre Mami daran, dass sie am liebsten die Schokolade mochte, in der sich zusätzlich auch noch kleine bunte Smarties befanden, aber die mit der Caramellfüllung, die war auch nicht schlecht.
Sie hefte richtig geraten, Pamela bekam zuerst die Schokolade, die ihr am liebsten war, bald auch schon stand die heiße Schokolade vor ihr. Das Leben war wieder schön.
Inge widerstand der Versuchung, sich selbst rasch einen Kaffee zu kochen, denn sie hatte ihr Quantum für diesen Tag bei Weitem überschritten. Sie begnügte sich mit einem Glas Wasser, dann setzte sie sich und erkundigte sich behutsam: »Willst du jetzt reden, mein Kind?«
Pamela wollte, denn es ging ihr auch schon viel besser. Sie erzählte ihrer Mutter alles, zuerst, wie unglücklich sie wegen Manuel gewesen war, wie sie sich gefreut hatte, die Kinder zu sehen, die neu in den Sonnenwinkel ziehen würden, und dann sagte sie ihrer Mutter, wie zickig Maren Bredenbrock sich verhalten hatte.
»Und weißt du, was am schlimmsten ist, Mami? Sie findet den Sonnenwinkel doof, und das geht ja wohl überhaupt nicht.«
Darüber hatte Pamela sich vermutlich am meisten aufgeregt, denn für ihre Jüngste war der Sonnenwinkel der schönste Platz auf der ganzen Welt, und den hatte sie in Australien auch so schmerzlich vermisst.
»Pamela, die Bredenbrocks kommen aus der Großstadt, und es ist schon ein Unterschied, dort zu leben als hier in unserer Beschaulichkeit. Das sind einfach zwei verschiedene Welten.«
»Sie haben es sich doch ausgesucht«, begehrte Pamela auf. Inge schüttelte den Kopf.
»Es war eine zwingende Notwendigkeit, eine Entscheidung ihres Vaters.«
Sie überlegte einen Augenblick, dann entschloss sie sich, ihrer Tochter die Wahrheit zu sagen, weil sie nicht wollte, dass das Verhältnis zwischen ihrer Tochter und den Bredenbrock-Kindern gleich von Anfang an vergiftet war. Das wäre wirklich sehr schade, zumal es nicht viele Kinder hier im Sonnenwinkel gab, die altersmäßig so gut zueinanderpassten wie diese drei.
»Pamela, Maren und Tim ziehen nur mit ihrem Vater allein hierher.« Dann erzählte Inge ihrer Tochter die ganze Geschichte, von der Mutter, die Knall auf Fall die ganze Familie verlassen hatte, um sich an der Seite eines wesentlich jüngeren Musikers zu verwirklichen. Sie sprach darüber, dass Herr Bredenbrock von einen Tag auf den anderen ein alleinerziehender Vater geworden war von zwei Kindern, denen der sichere Boden unter den Füßen weggezogen worden war.
»Pam, Herr Bredenbrock hatte einen ähnlich verantwortungsvollen Posten wie unser Fabian. Den hat er aufgegeben, um mehr Zeit für seine Kinder zu haben, um sich besser um sie kümmern zu können. Er wird an unserem Gymnasium in Hohenborn nur noch als Lehrer arbeiten. Es ist keine sehr einfache Situation, nicht für die Kinder, aber auch nicht für den Vater.«
Pamela hatte gespannt zugehört, sie sagte zunächst einmal nichts, als ihre Mutter mit ihren Erzählungen fertig war, doch ihr war anzusehen, wie bewegt sie war. Sie trank einen Schluck, dann schob sie ein Stückchen Schokolade hinterher, ehe sie sich ganz besorgt erkundigte: »Mami, so etwas würdest du doch niemals tun …, uns verlassen und weggehen?«
Oh Gott, welche Gedanken gingen ihrer Tochter da durch den Kopf.
»Nein, mein Kind, das würde ich niemals tun, dazu liebe ich Papa und meine Kinder viel zu sehr. Eine Familie gehört zusammen, und wenn man eine gründet, dann trägt man auch die