Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman - Michaela Dornberg


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dieser Gedanke kam Inge Auerbach überhaupt nicht. Sie hatte zwar glücklicherweise persönlich eine solche Erfahrung nicht machen müssen, doch aus den Fernsehfilmen wusste man ja, dass in solchen Fällen immer zwei Beamte in Zivil vor der Tür standen, um die Nachricht zu überbringen.

      Außerdem, hier war alles anders, dieser Polizist stand ja nicht einmal vor der Haustür, sondern kam durch den Garten gelaufen und fotografierte.

      Inge erholte sich sehr schnell von ihrer Überraschung.

      »Was tun Sie in meinem Garten, und warum fotografieren Sie?«, herrschte sie den Mann an.

      Der kam seelenruhig näher.

      »Frau Auerbach?«, erkundigte er sich.

      Inge nickte bestätigend. Der Mann war ihr unangenehm, und sie hatte ihn auch noch nie gesehen. In der Siedlung gab es keine eigene Polizeistation, die befand sich in Hohenborn. Und da tummelten sich die Polizeibeamten auch nicht. Die Anzahl war überschaubar, und wenn es auch keine persönlichen Kontakte gab, so kannte man sich doch vom Sehen.

      »Schön, dass ich Sie doch noch antreffe. Ich bin Kommissar Lehmann«, stellte er sich vor.

      »Schön, aber Sie haben meine Fragen noch nicht beantwortet, Herr Lehmann.«

      Er war ein unangenehmer Mensch. Inge konnte das nicht an etwas festmachen, sie fühlte es. Es konnte sein, dass es aber auch an seinem stechenden, kalten Blick lag.

      »Ach so, ja, nun, dass ich hier bin, das ist eine reine Präventionsmaßnahme. Kollegen und ich kontrollieren die ganze Siedlung und beraten die Bewohner, wie sie sich vor Einbrüchen schützen können. Die Einbrüche nehmen zu, und es ist auf den ersten Blick zu sehen, dass hier keine armen Leute wohnen.«

      Inge bekam ein ungutes Gefühl. Warum glaubte sie ihm nicht?

      »Und für diese Präventionsmaßnahmen müssen Sie um das ganze Haus gehen und Fotos machen?«

      Er wusste auf alles eine Antwort.

      »Na klar, je intensiver wir uns alles ansehen, umso präziser können wir beraten.«

      Inge fühlte sich in seiner Gegenwart unbehaglich, dabei war an seinem Aussehen nichts auszusetzen. Er trug eine ordentliche Uniform, sah sauber und adrett aus.

      »Herr Lehmann, darf ich bitte Ihren Ausweis sehen?«, erkundigte sie sich bei ihm.

      Er zögerte nicht, gab ihr den Ausweis, und Inge wurde unsicher. Ließ sie sich jetzt von ihren Gefühlen leiten, und der Mann war wirklich ein harmloser Polizist? Außerdem hatte sie keine Ahnung, wie solche Dienstausweise eigentlich aussahen, bislang wurde ihr noch nie zuvor einer vor die Nase gehalten. Sie warf einen Blick darauf, überlegte, dann sagte sie: »Herr Lehmann, Sie haben doch nichts dagegen, dass ich mich bei Ihrer Dienststelle erkundige? Gewiss kommen Sie von der Polizeistation in Hohenborn, oder?«

      Inge griff nach ihrem Handy, um die Polizei anzurufen, er warf ihr einen beinahe hasserfüllten Blick zu, dann drehte er sich abrupt um, um wegzulaufen. Inge versuchte, ihn festzuhalten, er stolperte, dabei fiel ihm das Smartphone aus der Hand, mit dem er die Fotos gemacht hatte, doch Inge stellte geistesgegenwärtig einen Fuß darauf.

      Er wollte sie wegschubsen und dabei handgreiflich werden, als ein Nachbar am Haus vorbeiging.

      »Hallo, Frau Auerbach«, rief er freundlich.

      Herr Lehmann, der Polizist, war für einen Moment verunsichert, dann lief er weg, wenig später hörte man nicht weit entfernt einen Motor aufheulen.

      Was war das jetzt gewesen? Inge kam es vor, als sei sie unfreiwillig die Darstellerin in einem schlechten Film geworden.

      Welch ein Glück, dass ihr Nachbar gerade vorbeigekommen war, Inge hatte keine Ahnung, was sonst noch passiert wäre.

      Sie bückte sich, hob das Smartphone auf.

      Dann rief sie: »Hallo, Herr Odenwald, haben Sie einen Moment für mich?« Der Mann blieb stehen, kam zurück.

      »Der Beamte schien es ja plötzlich eilig zu haben, gewiss wurde er zu einem Einsatz gerufen«, sagte er arglos.

      »Sie kennen den Polizisten?«

      »Nein, nicht wirklich, aber er hat sich bei uns umgesehen, hat uns Tipps gegeben, wie wir uns vor Einbrechern schützen können. Eine nette Aktion von der Polizei, doch hoffentlich wird so etwas wie ein Einbruch hier bei uns im Sonnenwinkel niemals geschehen. Bis jetzt hatten wir Glück, und so soll es auch bleiben.«

      Er war völlig entspannt.

      »Herr Odenwald, haben Sie sich von dem Polizisten den Ausweis zeigen lassen?«, wollte sie wissen.

      Herr Odenwald blickte seine Nachbarin ein wenig verwundert an.

      »Wozu das denn, Frau Auerbach?«, erkundigte er sich ein wenig erstaunt. »Warum hätte ich das denn tun sollen? Es war schließlich nicht zu übersehen, dass es sich da um einen Polizisten handelte.«

      Inge konnte es nicht glauben. Seine Worte schlugen wirklich dem Fass den Boden aus. Eine Uniform reichte aus, um jemandem etwas vom Pferd erzählen zu können?

      »Herr Odenwald, ich habe mir den Ausweis zeigen lassen. Das hat diesem Menschen überhaupt nicht gefallen. Und als ich ihm sagte, den Dienstausweis überprüfen lassen zu wollen, da hatte dieser scheinbare Polizist es sehr eilig. Zum Glück konnte ich sein Smartphone sichern, mit dem er die Fotos gemacht hat. Wir werden bestimmt so manche Überraschung erleben. Auf jeden Fall ist es Ihnen zu verdanken, Herr Odenwald, das war der perfekte Augenblick, dass Sie hier vorbeikamen. Ich weiß nicht, wozu dieser Mensch sich sonst noch hätte hinreißen lassen. Es hat ihm nämlich überhaupt nicht gefallen, dass ich ihm auf die Schliche gekommen bin.«

      Der arme Herr Odenwald war bei Inges Worten ganz blass geworden. Er konnte es kaum glauben und stammelte: »Sie meinen, er wollte uns nur ausspionieren?«

      Inge nickte.

      Herr Odenwald schluckte.

      »Es ist unfassbar, wir haben ihm geöffnet, haben ihm bereitwillig alles gezeigt, erzählt, haben ihn herumgeführt. Er weiß jetzt über uns Bescheid, und nun muss er nur noch zulangen.«

      Er schüttelte den Kopf. »Frau Auerbach, eine solche Dreistigkeit kann es doch eigentlich nicht geben.«

      Der arme Mann konnte einem leidtun, sein Weltbild hatte sich gehörig verschoben. Er blickte Inge beinahe Hilfe suchend an.

      »Und was soll jetzt geschehen?«

      Da hatte Inge eine Idee. »Ich fahre jetzt nach Hohenborn zur Polizei, schildere den Vorfall, überreiche das Smartphone und kann nur hoffen, dass nach diesem Verbrecher sofort eine Fahndung eingeleitet wird. Ich frage mich nur, wie er an diese Uniform gekommen ist. Die sah auf jeden Fall echt aus.«

      Das fand Herr Odenwald ebenfalls, und er begrüßte Inges Vorschlag, ja er wollte sie sogar begleiten, doch davon wollte Inge nichts wissen, weil sie da eine bessere Idee hatte.

      »Das kann ich allein machen, doch Sie sollten von Haus zu Haus gehen und herausfinden, wo dieser falsche Polizist, der natürlich in Wirklichkeit nicht Lehmann heißt, überall aufgetaucht ist. Das erspart der Polizei Arbeit.«

      Diese Idee gefiel Herrn Odenwald, er fand sie großartig, und er zog auch sofort los, während Inge sich erneut in ihr Auto setzte, um nach Hohenborn zu fahren. Sie hatte sich ihre Heimkehr wahrlich anders vorgestellt. Sie war so glücklich gewesen, sie hatte sich weiter den Gedanken an die kleine Teresa hingeben wollen und natürlich auch an ihre Ricky, die eine so großartige Mutter war.

      Und mitten hinein in ihre Glücksgefühle war dieser Betrüger aufgetaucht. Es gehörte schon eine ganze Menge von Kaltblütigkeit und Dreistigkeit dazu, von Haus zu Haus zu spazieren und es auszukundschaften für einen lohnenswerten Einbruch.

      Inge war nicht eitel, doch jetzt war sie schon ein wenig stolz auf sich, diesen falschen Polizisten nicht nur entlarvt, sondern auch noch sein Smartphone gesichert zu haben, das war bestimmt gutes Beweismaterial für die Polizei. Nun ja, sie hatte Glück,


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