Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman - Michaela Dornberg


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wollte Angela an überhaupt nichts mehr denken, sondern nur noch genießen – den See, auf dem sich die Wellen leicht kräuselten und dessen Wasser in den verschiedensten Grau- und Blautönen schimmerte. Möwen flogen pfeilschnell über das Wasser, um sich plötzlich blitzschnell auf die Beute zu stürzen. Zwei Schwäne zogen ihre Bahnen, einige Enten schienen sich um etwas zu streiten. Der Streit wurde beendet, indem ein Erpel mit einem prächtigen Gefieder sich dazwischenschob und sich das Objekt der Begierde schnappte. Es war wie im wahren Leben, wenn sich zwei streiten, in dem Fall waren es sogar vier, freut sich der Dritte.

      Angela hätte hier noch eine ganze Weile verweilen können, doch ihr wurde allmählich kalt, außerdem wollte sie, wenn möglich, den See umrunden.

      Sie stieg wieder auf ihr Fahrrad, fuhr los, doch dann, nach wenigen Metern war es vorbei. Es schepperte, und da sah sie die Bescherung. Die Kette war heruntergesprungen. Wie ärgerlich. Sie versuchte ihr Glück, indem sie das Fahrrad an einen Baum stellte und die Kette wieder aufziehen wollte. Es ging nicht. Also drehte sie das Fahrrad um, versuchte ihr Glück erneut.

      Wieder geschah nichts!

      Das hätte sie sich einfacher vorgestellt!

      Vor allem, immer wenn Angela glaubte, es geschafft zu haben, sprang das dumme Ding erneut herunter.

      Um den ganzen See herumzuradeln, das konnte sie sich jetzt wohl abschminken. Sie würde ihr Fahrrad nach Hause zurückschieben müssen. Während sie das dachte, fiel ihr ein eigentlich banaler Satz ein: »Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt.«

      Wer sich so etwas immer ausdachte. Sie könnte das auf jeden Fall nicht. Aber was sie gern könnte, das war, eine Fahrradkette aufziehen.

      Sie versuchte es noch einmal. Und jetzt erwachte auch ihr Ehrgeiz. So schwer konnte das nun auch nicht sein, verdrehte Hacke. Sie hatte es doch schon beinahe geschafft. Was machte sie da nicht richtig?

      Angela war so vertieft in ihre Arbeit, dass sie nicht mitbekam, dass sich ihr jemand näherte, vor ihr stehen blieb.

      Erst als eine sympathisch klingende Männerstimme sich erkundigte: »Kann ich Ihnen helfen?«, zuckte sie zusammen, richtete sich auf. Ihre Finger waren vom Fahrradöl verschmutzt, und ihre bislang vergeblichen Aktivitäten hatten auch deutliche Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Wäre ihr das bewusst gewesen, dann hätte sie sich bestimmt nicht so unbefangen mit dem Mann, den der Himmel ihr geschickt hatte, unterhalten. Sie erzählte ihm von ihrem Missgeschick.

      Er erkundigte sich: »Darf ich?«

      Sie nickte, trat beiseite, und er wandte sich dem Fahrrad zu.

      Angela hatte keine Ahnung, wie lange es gedauert hatte, bis er die Kette aufgezogen hatte, eine Minute, vielleicht nur eine halbe?

      Wie peinlich! Er machte zum Glück keine spöttische Bemerkung wie ›typisch Frau‹ oder so was, was Männer in solchen Fällen losließen.

      Er lächelte sie an.

      »Jetzt steht Ihrer Weiterfahrt nichts mehr im Wege. Aber Sie sollten bei Gelegenheit die Kette auswechseln lassen, sie ist alt und kann immer wieder herunterspringen, außerdem ist das Fahrrad wohl lange nicht benutzt worden.«

      Angela bedankte sich bei diesem hilfreichen Fremden, der winkte ab.

      »Das habe ich gern getan, ja, dann angenehme Weiterfahrt. Der See ist wirklich sehr schön, und er ist größer als man denkt.«

      Er nickte ihr zu, dann ging er, Angela sah ihm nach, das ging nicht lange, denn dann war er schon um eine Wegbiegung verschwunden.

      Wenn sie seine letzten Worte richtig interpretierte, dann war er wohl nicht von hier, und das fand sie sehr schade.

      Sie überlegte. Was sollte sie jetzt tun? Das, was er da über die Kette gesagt hatte, klang nicht gerade ermutigend. Wenn die nun wieder abging? Sie konnte nicht davon ausgehen, dass ihr dann noch ein so hilfsbereiter Retter auf den Weg kam.

      Es war jetzt vernünftig, zurückzugehen, und das tat Angela auch. Vorsichtshalber schob sie ihr Fahrrad, und erst, als die Siedlung in Sicht kam, stieg sie auf. Jetzt konnte ihr nichts mehr passieren.

      Sie war gerade am Grundstück angekommen, als die Haustür sich öffnete und Teresa von Roth durch die Tür trat.

      Das überraschte Angela nicht, denn weil Teresa gekommen war, hatte sie sich ja dazu entschlossen, um den See zu radeln.

      »Du bist aber schnell zurück, Angela«, rief Teresa, »ich wollte bei mir gerade ein Spiel holen, das ich mit deiner Mutter machen wollte. Wir haben uns darüber unterhalten, und das hat bei Sophia und mir Kindheitserinnerungen erweckt. Aber ich denke, das kann ich jetzt lassen, verschieben wir es auf morgen. Du bist ja wieder daheim, und da wäre es unhöflich, wenn Sophia und ich spielen würden. Und du hast doch bestimmt keine Lust, oder?«

      Die hatte Angela nicht, Teresa kam näher, und jetzt entdeckte sie die verräterischen Spuren in Angelas Gesicht.

      »Hattest du Probleme mit der Kette?«, erkundigte Teresa sich, und das zeigte Angela, dass das wohl keine Seltenheit war.

      Das bestätigte sie, um sich allerdings ein wenig verwundert zu erkundigen: »Woher weißt du das, Teresa?«

      Die lachte, deutete auf Angelas Gesicht.

      »Die Spuren sind nicht zu übersehen.«

      Wie peinlich, so hatte ja auch dieser hilfsbereite Fremde sie gesehen. Na und? Machte das etwas aus? Den würde sie vermutlich niemals wiedersehen. Und wenn auch, sie musste sich ihm nicht als verführerische Frau präsentieren.

      Aber dennoch. Vielleicht wusste Teresa etwas über ihn.

      Sie erzählte von dem Mann, der ihr geholfen hatte, und Teresa rief: »Welch ein Glück, mein Kind. Ich wäre da auch total überfordert gewesen. Es gibt ja Frauen, die da den Männern etwas vormachen können. Dazu gehöre ich nicht. Was war das denn für ein Mann?«, erkundigte sie sich ein wenig neugierig. »Vielleicht kenne ich ihn.«

      Angela beschrieb den Fremden, doch Teresa konnte mit der Beschreibung nichts anfangen, winkte schließlich ab und sagte: »So wichtig ist das nun auch wieder nicht. Es wird schon jemand vom Sonnenwinkel sein.«

      Dass sie das nicht glaubte, behielt Angela für sich.

      Teresa wechselte auch sofort das Thema: »Ich komme noch mal rasch mit rein, um Sophia zu sagen, dass ich dann morgen mit dem Spiel kommen werde, und ich muss mich auch noch von ihr verabschieden, einfach zu gehen, das wäre unhöflich. Und während ich das tue, kannst du dein Gesicht sauber machen, und wie ich sehe, haben es deine Hände auch nötig.«

      Sie ging ins Haus zurück, Angela brachte das Fahrrad in die Garage, und dann lief auch sie ins Haus und verschwand ins Badezimmer. Auf dem Weg dorthin hörte sie Teresa und ihre Mutter herzhaft miteinander lachen.

      Ihr Ausflug war nicht so verlaufen, wie sie das geplant hatte, aber es war schön zu sehen, wie die beiden Frauen sich verstanden. Sie waren wirklich ein Herz und eine Seele, und dafür konnte man nur dankbar sein.

      *

      Als es an ihrer Haustür Sturm klingelte, war Roberta sehr irritiert. So klingelte nur ihre Freundin Nicki. Doch die hatte doch ihre Einladung zum Wochenende bedauerlicherweise abgelehnt.

      Wer mochte das sonst sein?

      Sie kannte niemanden. Und es wäre so schön gewesen, wenn Nicki ihre Einladung angenommen hätte. Roberta war allein im Haus. Alma war zu einem Konzert mit ihrem Gospelchor unterwegs.

      Alma hatte sie mit allem, wie konnte es auch anders sein, versorgt, und das gut und reichlich. Wenn man all das sah, dann konnte man den Eindruck gewinnen, Alma bliebe nicht über das Wochenende weg, sondern ging auf eine lange Weltreise.

      Roberta hätte es sich mit ihrer Freundin Nicki so gemütlich machen können, und sie hätten aus dem Vollen schöpfen können. Es war wirklich jammerschade, dass Nicki die Einladung abgesagt hatte.

      Es klingelte erneut. Diesmal wollte offenbar jemand die Klingel abreißen. Das musste Roberta


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