Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman - Michaela Dornberg


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Hausfriedensbruch ist, verstanden?«

      Die Kinder standen wie gelähmt da, als der Mann bedrohlich näher kam, drehten sie sich abrupt um und liefen zurück.

      Es dauerte eine Weile, ehe Pamela in der Lage war, dazu etwas zu sagen. Der Schock saß tief in ihren Knochen. Seit sie hier wohnten, gehörte die Felsenburg zu ihrem Leben, und nun wurde sie verjagt wie eine Verbrecherin.

      Es dämmerte ihr allmählich. Sie hatte nicht nur ihren Freund Manuel verloren, sondern alles, was ihr früheres Leben hier oben ausmachte, insbesondere die Felsenburg.

      »Tut mir leid«, sagte sie, nachdem sie schon eine Weile schweigend den Rückweg zurückgelegt hatten. »Das war früher nicht so.«

      Maren legte einen Arm auf ihre Schulter.

      »Was da passiert ist, dafür musst du dich doch nicht entschuldigen. Du kannst doch nichts dafür, dass sich da alles geändert hat. War das der neue Besitzer?«

      »Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass alles ganz, ganz schrecklich ist. Die Felsenburg ist für immer verloren, wenn das die Frau von Rieding wüsste. Die hatte immer ihren Spaß, wenn wir zur Felsenburg hinaufgegangen sind. Und wenn wir dann wiederkamen, da hatte die Frau von Rieding stets eine Leckerei für uns parat. Eine kleine Wegzehrung für die tapferen Helden, hat sie dann immer gesagt.«

      Pamela mochte überhaupt nicht daran denken, wie schön das immer gewesen war.

      »Es war auf jeden Fall sehr nett von dir, dass du uns das zeigen wolltest«, bemerkte Tim, der immer zutraulicher wurde. »Wir können ja auch ein andermal etwas gemeinsam unternehmen«, fügte er nach einem vorsichtigen Blick auf seine große Schwester hinzu.

      Maren war ganz offensichtlich friedlich gestimmt.

      »Klar können wir das«, sagte sie großzügig.

      Die ersten Häuser des Sonnenwinkels kamen in Sicht, gerade als sie beratschlagen wollten, was sie demnächst gemeinsam unternehmen könnten, kam ihnen ein Mann entgegengelaufen.

      »Da seid ihr ja«, rief er, und aus seiner Stimme klang eindeutig Erleichterung. »Wo seid ihr gewesen? Ihr kennt euch doch hier noch nicht aus? Warum habt ihr mir nicht Bescheid gesagt? Ich habe mir solche Sorgen gemacht, als ich das fremde Fahrrad am Gartenzaun entdeckte.«

      Maren war anzusehen, wie peinlich ihr der Zwischenfall war. Sie war doch kein kleines Mädchen mehr, um das man sich Sorgen machen musste. Sie kam aus der Großstadt!

      »Dachtest du, der Radfahrer ist von seinem Fahrrad gesprungen und hat uns entführt?«, fuhr Maren ihren Vater an.

      Die Situation war Pamela peinlich. Sie fühlte sich unwohl, vor allem würde sie niemals so respektlos mit ihrem Vater reden. Man konnte Mitleid mit diesem armen Herrn Bredenbrock haben. Er konnte doch nichts dafür, dass seine Frau mit einem anderen Mann durchgebrannt war.

      Pamela rief schnell: »Man sieht sich«, dann rannte sie zu ihrem Fahrrad, sprang auf und radelte davon.

      Der Tag hatte so gut begonnen …

      Am liebsten hätte Pamela jetzt angefangen zu weinen. Nicht wegen Maren und Tim und auch nicht, weil sie sich ihrem Vater gegenüber so schrecklich benommen hatte, die Maren. Nein, es lag an der Begegnung mit diesem schrecklichen Mann da oben am Herrenhaus.

      Als Manuel gegangen war, das war schlimm gewesen, doch nun dämmerte ihr, dass die glück­liche Zeit ihrer Kindheit mit ­allem, was dazugehörte, end­gültig vorbei war. Und das tat weh, sehr sogar.

      *

      Inge Auerbach sah sofort, dass mit ihrer Tochter etwas nicht stimmte. Sie war blass und sah traurig aus.

      »Liebes, hast du geweint?«, erkundigte sie sich behutsam. Hätte sie das bloß nicht getan, denn diese harmlose Frage löste bei ihrer Tochter sofort einen Tränenstrom aus.

      Pamela warf sich in die Arme ihrer Mutter, klammerte sich an ihr fest. Sie fühlte sich beschützt.

      An ihrer Mutter war alles weich und warm, und sie wollte in diesem Augenblick wieder ein kleines Mädchen sein, dem die Mutter alles Unangenehme abnahm, sie vor allem Bösen beschützte.

      Inge umschloss ihre Tochter sanft, drückte sie zärtlich an sich und ließ ihr Zeit.

      Allmählich beruhigte Pamela sich wieder, und dann erzählte sie ihrer Mutter alles, was sie zusammen mit Tim und Maren da oben am Herrenhaus erlebt hatte.

      »Mama, dieser alte Mann war so böse, und er hat uns davongejagt, als wären wir Diebe. Dabei wollten wir doch nur hinauf zur Felsenburg gehen, das durften wir doch immer.«

      Sie schluckte, seufzte, dann fuhr sie fort: »Dieser Graf, der hat überhaupt kein Benehmen, und Frau von Rieding hätte niemals an diesen unfreundlichen Mann verkaufen dürfen.«

      So ganz konnte Inge Auerbach nicht verstehen, was ihre Tochter ihr da erzählte. Sie kannte den neuen Besitzer noch nicht, aber Sophia von Bergen kannte die Familie, und sie hatte über diesen Mann nur Gutes erzählt. Das passte nicht zu dem, was Pamela ihr da berichtet hatte. Gut, die Eigentumsverhältnisse hatten sich verändert, und jeder ging mit seinem Eigentum anders um, der eine schirmte sich ab, der andere hatte mehr oder weniger ein Haus der offenen Tür.

      Aber ein solches Benehmen passte einfach nicht zu einem Grafen Hilgenberg.

      Gut, adelig zu sein bedeutete nicht, ein besserer Mensch zu sein, auch unter altem Adel gab es schwarze Schafe, die sich vollkommen daneben benahmen, sehr zur Schande ihrer Familie. Aber dieser Graf sollte doch so nett sein.

      »Mami, unser Opi ist ein von Roth, und der ist so nett.« Ganz verstand Inge jetzt nicht, was ihre Tochter damit sagen wollte, deswegen erkundigte sie sich.

      »Ich meine, der Opi ist auch alt, und er ist lieb, und dieser Graf da oben, der ist alt und böse.«

      Allmählich ging Inge ein Licht auf.

      »Pamela, ich weiß nicht, wer euch da vertrieben hat, aber Graf Hilgenberg war es auf jeden Fall nicht, der ist nämlich nicht alt.«

      Was hatte ihre Mami da gesagt?

      »Der Graf ist nicht alt?«, wiederholte Pamela vorsichtshalber, weil sie glaubte, sich verhört zu haben.

      Inge schüttelte den Kopf. »Nein, das ist er wirklich nicht. Und ehe du jetzt weitere Fragen stellst, mein Kind, ich weiß es von Frau von Bergen, die kennt die Familie des neuen Besitzers.«

      Diese Worte ihrer Mutter erleichterten Pamela ein wenig. Natürlich konnte man jetzt nicht sagen, wie der richtige Graf sich verhalten würde, aber immerhin gab es einen kleinen Hoffnungsschimmer, und die Felsenburg war für sie noch nicht verloren. In dieser Sache konnte Pamela also ein wenig durchatmen, doch da gab es ja noch die Sache mit Maren und Tim. Sie erzählte ihrer Mutter alles, auch, wie schlecht Maren sich ihrem Vater gegenüber benommen hatte.

      »Mami, das hättest du mal hören sollen. Das war mir so richtig peinlich.«

      Inge strich ihrer Tochter liebevoll über die braunen Locken.

      »Man muss Maren und Tim gegenüber nachsichtig sein, mein Kind. Sie können noch nicht so richtig mit der Situation umgehen, in der sie sich jetzt befinden. Zwischen einer Mutter und ihren Kindern besteht normalerweise eine ganz feste Bindung, es gibt zwischen ihnen ein unsichtbares Band, das hat die Mutter zerschnitten, sie hat ihre Kinder verlassen, ohne Rücksicht auf die Familie, der das alte Leben um die Ohren geflogen ist. Sie mussten ihr Zuhause aufgeben, sind hierher gezogen, etwas was Maren und Tim überhaupt nicht wollten. Auch wenn es ungerecht ist, ihr Vater muss es jetzt ausbaden, auf den sie in ihrer Hilflosigkeit einhämmern. Doch ich denke, Herr Dr. Bredenbrock versteht das, er kann damit umgehen. Er liebt seine Kinder und ist bereit, alles für sie zu tun. Alles, was im Rahmen seiner Möglichkeiten ist. Aber ein Vater, auch wenn er seine Kinder über alles liebt, kann die Mutter nicht ersetzen.«

      Pamela schmiegte sich noch enger an ihre Mutter, obwohl das kaum noch möglich war.

      »Du tust auch alles für mich, Mami. Du hast mir verziehen, dass ich herumgezickt


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