Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman - Michaela Dornberg


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die Polizei holen, das verhinderte mein Heinz, er bewaffnete sich mit einem Golfschläger, und dann ging er hinunter. Ich weiß nicht, vielleicht waren die Einbrecher Anfänger oder aber sie wollten keine Konfrontation, sie hauten ab.«

      »Das war unvernünftig, sie hätten schießen können. Man hört doch die gruseligsten Geschichten. Und sie hätten auch dich knebeln, fesseln, erschießen können.«

      »Haben sie aber nicht, und ich war auch nicht dumm, ich habe mich nicht darauf verlassen, dass mein Heinz ein Held ist. Ich habe die Polizei angerufen, und die war sehr schnell da, von den Verbrechern war natürlich nichts mehr zu sehen. Es war ziemlich aufregend, denn die Spurensicherung kam, und wir haben erfahren, dass in dieser Nacht in unserer Gegend mehrere Einbrüche stattgefunden haben. Inge, ist alles nicht furchtbar? In welcher Zeit leben wir denn? Ist man nicht einmal mehr in den eigenen vier Wänden sicher? Bei dir ist es ja zum Glück nicht dazu gekommen, und wir hatten auch Glück, die wirklichen Wertsachen wurden nicht gestohlen, ein paar Leuchter, etwas sonstiges Silber. Es ist alles versichert, das zahlt die Versicherung, auch wenn man sich da erst mal herumschlagen muss. Nein, schlimm ist, dass Fremde unbefugt in dein Leben, in deine Intimsphäre eingedrungen sind. Stell dir mal vor, sie wären in unser Schlafzimmer eingedrungen, hätten zwischen unserer Wäsche herumgewühlt, in unseren intimsten Sachen.«

      Inge konnte erst einmal überhaupt nichts sagen. Sie war erschüttert, sie hatte zunächst verhindert, dass etwas passieren konnte, und dieser falsche Polizist war ja auch nicht der Einbrecher gewesen, sondern erst einmal ein Späher. Aber was Rosmarie da erzählt hatte …

      Nein, derartige Gedanken sollte man besser nicht ausschmücken, die zogen einen nur herunter, machten Angst.

      »Rosmarie, es tut mir ja so leid, dass bei euch eingebrochen wurde, aber na klar, wenn man diese komfortable Villa sieht, da hofft man auf reiche Beute. So einen Einbruch wünscht man nicht seinem ärgsten Feind. Es kann durchaus sein, dass dieser falsche Polizist zu der Bande gehört, die derzeit in Hohenborn ihr Unwesen treibt. Und bis zu uns ist es nicht weit. Aber ich hoffe sehr, dass man dieser Bande sehr schnell das Handwerk legt. Dieser Hauptkommissar Fangmann, bei dem ich war, macht einen sehr kompetenten Eindruck, und er ist auch sehr nett.«

      Das bestätigte Rosmarie, und sie erzählte, dass sie zu dem auch wollte, um ihm die Liste der gestohlenen Gegenstände zu bringen.

      »Er war kurz bei uns, hat den anderen Beamten gesagt, was sie tun sollten. Ich finde, er sieht auch sehr gut aus, und er hat einen knackigen Hintern.«

      Jetzt kam Inge aus dem Staunen nicht mehr heraus.

      »Rosmarie …«

      Die lachte.

      »Du liebe Güte, Inge, es stimmt doch. Und auch wenn man nicht mehr ganz taufrisch ist, wenn man daheim einen Mann hat, den man nie gegen einen anderen eintauschen würde, so kann man doch mal hingucken. Da gibt es sogar so einen Spruch, dass man sich draußen den Appetit holen, aber daheim essen soll oder so ähnlich. Ist ja auch vollkommen wurscht. Ich unterhalte mich auf jeden Fall mit jemandem wie diesem Herrn Fangmann lieber, als mit einem miesepetrigen Beamten, der die Zähne nicht auseinanderbringt. Aber das sind auch wieder Vorurteile. Inge, meine Liebe, ich muss mich sputen. Ich will wieder zu meinem tapferen Helden und ihn ein wenig bewundern, das geht meinem Heinz herunter wie Öl.«

      Die beiden Frauen verabschiedeten sich voneinander, Inge wollte zu ihrem Auto gehen, dann besann sie sich anders.

      Es gab zwar hier im Gebäude eine Kantine, die auch für Besucher geöffnet war, doch darauf hatte Inge keine Lust. Direkt um die Ecke gab es ein kleines Bis­tro. Dort wollte sie schnell noch einen Kaffee trinken, den brauchte sie jetzt, und dann wollte sie die Ereignisse der letzten Stunden noch einmal überdenken. Und eigentlich konnte da auch ein Schoko-Cup-Cake nicht schaden, die gab es nämlich in dem Bistro ebenfalls.

      Eine gute Idee!

      Inge hatte es eilig, zu dem Bis­tro zu kommen, und irgendwann später, wenn sie wieder daheim war, würde sie das, was geschehen war, wieder einholen, doch dann war sie gestärkt. Und zum Glück war ja noch nichts passiert.

      Aber dass auch bei den Rückerts eingebrochen worden war! Und ehrlich gesagt, hätte sie Heinz einen solchen Mut nicht zugetraut. Mit einem Golfschläger auf Einbrecherjagd zu gehen, Respekt!

      Aber jetzt wollte sie sich mit diesem Thema nicht mehr beschäftigen und ihren Kaffee und die kleine, feine Köstlichkeit genießen. Und wer weiß, wenn sie da sonst noch etwas anmachte, würde sie nicht nein sagen. Sie brauchte schließlich Nervennahrung …

      *

      Angela Halbach war ganz aufgeregt, als sie mit dem Fahrrad Richtung Sternsee einbog. Sie hatte das Rad damals, als sie das Haus im Sonnenwinkel gekauft hatten, in der Garage gefunden, und heute benutzte sie es zum ersten Male. Zum ersten Male seit ihrer Jugend. Man sagte zwar, dass man das nie verlernen würde, und das schien auch zu stimmen. Es funktionierte, dennoch fühlte sie sich ein wenig verunsichert. Doch das konnte auch ein wenig daran liegen, dass es seit Wochen ihr erster Ausflug war. Wegen ihrer Krankheit, dieser schrecklichen Gürtelrose, hatte sie das Haus hüten müssen. Die Schmerzen waren unerträglich gewesen. Auch jetzt war sie noch nicht schmerzfrei, doch das war nichts gegen das, was sie durchgemacht hatte. Und von Frau Dr. Steinfeld, dieser großartigen Ärztin, wusste sie, dass die Schmerzen auch noch lange andauern konnten. Wenn man Pech hatte, dann konnte es sogar bis zu einem Jahr gehen. Doch so wollte sie nicht denken. Sie musste sich ein Beispiel an ihrer Mutter nehmen. Um deren Gesundheit hatte man keinen Pfifferling gegeben, und vermutlich säße die Ärmste noch immer im Rollstuhl, wären sie nicht hierher gezogen. Das war die richtige Entscheidung gewesen, eigentlich eine Fügung des Himmels. Denn sie waren nicht nur auf die beste Ärztin der Welt gestoßen, den besten Physiotherapeuten, sondern ihre Mutter hatte alte Bekannte aus ihrer Heimat getroffen, Magnus und Teresa von Roth, die mittlerweile richtig gute Freunde geworden waren. Ja, es hatte sich gut gefügt. Angela wollte nicht daran denken, dass ihre Ehe dabei in die Brüche gegangen war. Die hatte nie auf einem festen Fundament gestanden, sie hätte Wim Halbach niemals heiraten dürfen. Sie konnte nicht mehr sagen, was sie zu dieser Heirat bewogen hatte. Sicherheit? Nun, Wim konnte sehr charmant sein, wenn er wollte, und ob er sie geliebt hatte, das wusste sie nicht. Er brauchte wohl nur ein Aushängeschild, und da machte sich ein Name aus altem, wenn auch verarmtem Adel, Angela von Bergen, gut.

      Nein!

      Sie wollte nicht mehr darüber nachdenken, das tat nur weh. Wim hatte seinen wahren Charakter gezeigt, als das mit ihrer Mutter geschehen war. Obwohl sie in einer großen Villa mit vielen unbewohnten Räumen gelebt hatten, hatte er sich geweigert, ihre Mutter bei sich aufzunehmen. Er hatte sie sofort in ein Heim abschieben wollen. Wie eiskalt er doch war. Angela konnte auch jetzt nur noch voller Entsetzen an diese Zeit denken, und sie bereute nicht, sich auf die Seite ihrer Mutter geschlagen zu haben. Das war ja wohl selbstverständlich. Und eigentlich bereute sie auch nicht die Scheidung von Wim, mit so einem Menschen wollte sie nichts zu tun haben. Und wie er sie behandelt hatte. Nachdem er sie vor die Alternative gestellt hatte, entweder ohne Mutter zu ihm zurück oder aber die Scheidung, hatte er seinen wahren Charakter erneut gezeigt. Er hatte die Scheidung eingereicht, und da sie einen Ehevertrag hatten, musste er nicht einen Cent für sie zahlen, obwohl sie jahrelang für einen funktionierenden Haushalt, Gästebewirtung und für das Ausrichten von Gesellschaften gesorgt hatte.

      Vorbei!

      Sie trat heftiger in die Pedalen, und das Rad schoss nach vorne, das erschreckte sie so sehr, dass sie sofort auf die Rücktrittbremse trat. Ganz so verwegen wollte sie doch nicht sein.

      Dachte sie doch lieber an etwas Schönes, und das war zweifelsohne die Gesundheit ihrer Mutter. Es war abzusehen, dass sie irgendwann ohne Stöcke, einen Rollator und vor allem ohne Rollstuhl auskommen würde. Es war wie ein Wunder. Klar hatten Frau Dr. Steinfeld und die anderen großen Anteil am Genesungsprozess ihrer Mutter, doch die hatte auch selbst dazu beigetragen mit ihrem Willen, mit ihrer Stärke und ihrem Wunsch, wieder gesund zu werden. Manchmal wünschte Angela sich, ein wenig mehr von ihrer Mutter zu haben. Vielleicht lag es auch ein wenig daran, dass ihre Mutter durch eine harte Schule des Lebens gehen musste, mit Krieg, dem Verlust der Heimat, mit einem bitteren Neuanfang. Das hatte sie nicht zu spüren bekommen.


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