Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman - Michaela Dornberg


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Lesen, das kann ich. Und weißt du was, Inge, ich freue mich.«

      Inge war platt, sie konnte nur hervorbringen: »Rosmarie, ich freue mich auch, da tust du ein gutes Werk, und die alten Menschen sind glücklich. Viele haben so schlechte Augen, dass sie selbst nicht mehr lesen können, und Fernsehen ist wahrlich keine Alternative.« Sie lächelte. »Rosmarie Rückert, du erstaunst mich immer wieder.«

      Dieses Lob freute Rosmarie, sie wäre gern geblieben, aber es würde wirklich keinen guten Eindruck machen, käme sie beim ersten Male zu spät. Hierher zu kommen, das war für Rosmarie aber ein Anliegen gewesen, und sie war so froh, dass es glimpflich für sie abgelaufen war.

      Sie umarmte Inge, dann rannte sie davon, wenig später hörte Inge ihre Besucherin mit aufheulendem Motor davonbrausen.

      Sie suchte sich für die wirklich wunderschönen Blumen eine geeignete Vase, und nachdem die versorgt waren, nahm sie den Elefanten in die Hand. Sie hatte bereits eine große Sammlung, und manchmal bedauerte sie, überhaupt damit angefangen zu haben, denn eine Zeit lang hatte man ihr bei allen Gelegenheiten immer nur Elefanten geschenkt. Sie selbst konnte mittlerweile an Elefanten, und mochten sie noch so schön sein, ganz gut vorübergehen, ohne von dem Zwang besessen zu sein, sie unbedingt haben zu wollen. Wenn, dann musste es ein besonderer Elefant sein.

      Der Elefant, den Rosmarie ihr mitgebracht hatte, war ein besonderer. Wenn sie selbst ihn in der Auslagen gesehen hätte, hätte ihr Herz vor lauter Begeisterung höher gehüpft. Aber Inge wusste, dass sie den Elefanten nicht gekauft hätte, weil er ihr zu teuer gewesen wäre und man mit dem Geld dafür Sinnvolleres anfangen könnte.

      Daran dachte Rosmarie nie, sie war es gewohnt, ihre Kreditkarte glühen zu lassen. Doch das war zum Glück selten geworden, und dass sie jetzt in die Seniorenresidenz ging, um als ehrenamtliche Helferin zu arbeiten, das wäre für die frühere Rosmarie undenkbar gewesen. Da hatte sie wirklich nur an sich gedacht. Es war schade, dass Fabian und Stella die Veränderung ihrer Mutter nicht mitbekamen, nicht wahrhaben wollten. Das würde das Verhältnis zueinander wesentlich mehr entspannen, und Rosmarie hätte es verdient. Es tat ihr doch leid, was früher gewesen war. Es ließ sich nicht rückgängig machen, aber man konnte toleranter aufeinander zugehen. Eine harmonische Familie mit wirklichem Zusammenhalt funktioniert nur, wenn alle Seiten, alle Generationen etwas dafür taten. Mit Stella, das ging ja, die hatte sich schon immer besonnen verhalten. Aber Fabian, ihr Schwiegersohn, ein wirklich guter, liebenswerter Mensch, der konnte ganz schön unerbittlich sein. Sie würde mit Fabian nicht reden, er war zwar ihr Schwiegersohn, doch sie wollte sich da nicht einmischen. Aber sie würde mal mit Ricky reden, die hatte einen guten Einfluss auf ihren Mann, und, wie gesagt, Rosmarie hatte es verdient.

      Die schönen Blumen …, dieser so unglaublich kostbare Elefant …

      Inge griff zu ihrem Telefon und rief ihre Mutter an, sie musste das jetzt mit jemandem teilen, und was für ein Glück, dass ihre Eltern gleich nebenan wohnten.

      »Mama, hast du Lust auf einen Kaffee?«, erkundigte Inge sich, die hatte ihre Mutter immer.

      »Gern, komm vorbei.«

      Normalerweise kein Problem, diesmal lehnte sie ab. »Mama, kannst du zu uns kommen? Ich muss dir was erzählen, vor allem, da muss ich dir etwas zeigen.«

      Das machte Teresa von Roth neugierig.

      »Einverstanden, dann kann ich gleich das Buch mitbringen, das Pamela bei uns vergessen hat. Wo ist sie?«

      »Vermutlich schläft sie noch, aber es kann auch durchaus sein, dass sie sich in ihrem Zimmer eingeigelt hat und still vor sich hin leidet. Der Abschied von Manuel Münster nimmt sie ganz schön mit.«

      »Wundert dich das, Inge? Die beiden sind zusammen mehr oder weniger aufgewachsen, Pam fühlt sich verlassen und vergisst dabei allerdings, dass sie selbst, ohne Manuel zu fragen oder seine Befindlichkeit in Betracht zu ziehen, damals nach Australien gegangen ist. Für den, der geht, ist es einfacher als für den, der zurückbleiben muss. Pam ist stark, sie wird es schon packen. Lass sie jetzt halt ein wenig traurig sein. Sie hat ja ihre Luna, die ist doch bestimmt bei ihr?«

      Das bestätigte Inge.

      »Die beiden sind unzertrennlich, und Luna fühlt genau, dass Pamela sie jetzt besonders braucht, sie ist ganz anhänglich, beinahe fürsorglich. Aber Mama, darüber können wir gleich reden und über das, was ich dir erzählen will. Du wirst staunen, und nun komm bitte. Ich freue mich auf dich.«

      Sie beendete das Gespräch, kümmerte sich darum, dass gleich frischer Kaffee auf dem Tisch stand, und da kam ihre Mutter auch schon, was natürlich nicht erstaunlich war, da sie ja gleich nebenan wohnte.

      »So«, rief Teresa, nachdem sie ihre Tochter kurz in den Arm genommen hatte, »jetzt bin ich aber gespannt.«

      Inge servierte den Kaffee, vergaß nicht, eine Schale mit Keksen auf den Tisch zu stellen, und Teresa langte prompt auch direkt zu. Sie schob sich genüsslich einen Keks nach dem anderen in den Mund. Und manchmal war es wirklich sehr gemein auf der Welt. Teresa war rank und schlank, sie musste sich um Hüftgold, im Gegensatz zu ihrer Tochter, überhaupt keine Sorgen machen. Zum Glück hatte Ricky die Statur ihrer Oma geerbt und auch deren Gene, sonst würde Ricky das mit ihren fünf Kindern nicht beinahe mit links schaffen.

      Doch augenblicklich ging es nicht um Hüftgold, nicht um Ricky, sondern um Rosmarie, und deswegen begann Inge damit, ihrer Mutter alles zu erzählen und ihr auch voller Stolz die Blumen und den wunderschönen Elefanten zu zeigen. Und auch Teresa war nicht nur erstaunt, sondern sie freute sich. Sie kannte auch noch die andere Rosmarie …

      *

      Pamela Auerbach litt wirklich sehr darunter, dass ihr Freund Manuel nun in Arizona lebte. Es war ja nicht nur schlimm, dass er weggegangen war, nein, viel, viel schlimmer war, dass es ihm in Arizona auf der Farm, die sein Vater von einem Onkel geerbt hatte, gefiel, sehr sogar. Das konnte man an seinem Strahlen sehen. Manchmal wünschte Pamela sich, lieber nichts von Manuel zu hören anstatt seine Freude mitzubekommen. Er war im fernen Amerika angekommen, er vermisste den Sonnenwinkel nicht. Und Pamela wagte nicht, sich auszumalen, ob er sie eigentlich vermisste. Er schrieb darüber nichts, und sie wagte nicht, daran zu rühren. Positiv war doch auf jeden Fall, dass er sie nicht vergessen hatte, er ließ sie an seinem Leben teilhaben, und das war doch schon etwas. Und wenn sie ganz ehrlich war, die Bilder, die er ihr schickte, konnten schon Neidgefühle erwecken. Australien war ja auch ein riesiges, beeindruckendes Land, doch der kleine Flecken Erde, wo sie bei ihrem Bruder Hannes gelebt hatte, war mit der Farm in Arizona überhaupt nicht zu vergleichen. Wenn sie ehrlich war, dann gefiel ihr Arizona besser. Und die Fotos von den Pferden, die Manuel immer schickte, die waren unglaublich schön. In einem konnte sie Manuel verstehen, dass er jetzt natürlich auch mit dem Reiten anfing. Das würde sie auch tun.

      Wenn er ihr bloß nicht so fehlen würde!

      Weil das Wetter gut war, entschloss sie sich, mit dem Fahrrad ein wenig herumzufahren, was ohne Manuel auch ziemlich öde war.

      Sie hatten so ihre Rituale gehabt, sie waren um die Wette gefahren, hatten Pausen gemacht, um miteinander zu reden, sie waren nebeneinander her geradelt.

      Es war schrecklich, allein machte nichts Spaß, außerdem konnte man ja wohl mit sich selbst nicht um die Wette fahren.

      Nein, der See war heute keine gute Idee, da wurden zu viele Erinnerungen wach, die wehtaten.

      Pamela fuhr zurück, wollte schon wieder nach Hause fahren, als sie sich entschloss, ein bisschen durch den Sonnenwinkel zu fahren. Vielleicht traf sie ja jemanden, mit dem sie ein wenig plaudern konnte und so von ihrem Kummer abgelenkt wurde.

      Sie traf niemanden und egal, ob am See oder in der Siedlung, es war beides öde. Sie trat in die Pedalen, um nach Hause zu fahren, oder sie würde zu Omi und Opi gehen, die hatten auch immer ein Ohr für sie, und sie konnten ihren Kummer verstehen und unterstützten ihn mit so mancher Leckerei, was ihre Mutter aus erzieherischen Gründen niemals tun würde.

      Pamela entschloss sich, noch einen großen Bogen zu fahren, und dann würde sie zu den Großeltern gehen, da konnte sie auch gleich ihre Luna abholen, die sie dort geparkt hatte. Während


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