Der Thron des Riesenkaisers. Lena Klassen

Der Thron des Riesenkaisers - Lena Klassen


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später kamen auch die Reiter, die Manina verfolgt hatten, wieder zurück. Sie schüttelten mit düsteren Mienen die Köpfe.

      Der Kaisergänger fluchte. »Na schön. Aber sie werden zurückkommen, ihretwegen.« Er hielt Maja fest, während er ihre Hände von einem der Männer fesseln ließ.

      »Ich soll Eure Geisel sein?«, fragte sie und versuchte zu lachen. »Das wird nicht klappen. Mein Bruder wird die Prinzessin in Sicherheit bringen. Er weiß, was wichtig ist. Dass ich immer noch hier bin, wird Euch rein gar nichts nützen.«

      Erion runzelte die Stirn und überlegte. »Wie weit ist es von hier zum Fluss? Dann tun wir Folgendes.« Er besprach mit seinen Männern einen Plan, der sich für Maja äußerst verrückt anhörte – wozu dieser Aufwand?

      »Ihr werdet sie nicht kriegen!«, rief sie. »Darauf fallen sie nie herein! Lasst mich einfach gehen!«

      Aber natürlich hörte er nicht auf sie. Er stieg auf sein Pferd; einer der Soldaten half ihm, die übriggebliebene Gefangene vor sich in den Sattel zu heben. Dann ritt er mit ihr davon, in die Nacht hinein.

       5. Ein alter Bekannter

      Z E R Z A U S TU N DB E S C H Ä D I G Tlag die Adlerschwinge auf dem Sand. Sie hatten es geschafft, die Klippen zu umschiffen, waren aber vom Sturm zu nah an die Küste von Wenz getrieben worden und auf Grund gelaufen. Auf wackeligen Beinen staksten die Piraten ans Ufer, durchnässt, erschöpft und zugleich erleichtert.

      Lauthals schimpfend zählte Kapitän Suresch seine Männer. »Wie viele fehlen? Zwei? Verdammt!«

      Die Wolken waren aufgerissen und entblößten einen hellgrauen Himmel, unter dem der Wind jetzt nur noch verspielt tanzte.

      »Nach Sandart kommt ihr wohl nicht mehr«, meinte Blitz. »Und auf der Insel der Amazonen werden sie vergeblich auf mich warten.«

      »Du kannst jetzt damit aufhören, Beny«, knurrte der Kapitän. »Wir beide wissen, dass es um Wenz geht. Um Wenz und immer um Wenz und um nichts sonst. Und hier sind wir nun.«

      Blitz hatte das Gefühl, etwas ganz Entscheidendes nicht mitbekommen zu haben, aber er ließ sich seine Unwissenheit nicht anmerken.

      »Das Königreich Wenz«, murmelte er, um den Kapitän dazu zu verleiten, weitere Informationen preiszugeben.

      »Ja«, knurrte Suresch, »widerspenstig wie eine Frau, die man gegen ihren Willen verheiratet. Aber sie muss sich fügen, verflucht noch mal! Wenn es uns nicht gelingt, die Küste zu überwachen, wird Zukata uns in Grund und Boden stampfen.«

      Eine Frau, die nicht heiraten wollte? Das Bild war aussagekräftig genug, um ihm zu verraten, dass Wenz sich nicht ohne Widerstand in ein Kaiserreich unter Kaiser Zukata einfügen ließ. Natürlich! Bestimmt waren sie deswegen hier. Um den König daran zu hindern, Unterstützung über den Seeweg zu rufen. Oder vielleicht war die Hilfe sogar schon unterwegs, eine Flotte Kriegsschiffe von wer weiß wo.

      Aber Zukata würde niemals allein auf ein abgewracktes Schiff wie die Adlerschwinge bauen.

      »Wie viele von uns sind noch hier?«, fragte er. »Sind die anderen schon da?«

      Suresch hob die Schultern. »Wer weiß das schon. Dieser Sturm hat alle gehörig durcheinandergewirbelt, wetten?« Er blickte zu seinen Piraten hinüber, die nass und erschöpft auf den Steinen hockten und trübsinnig vor sich hinstarrten. »Wir müssen hier weg. Wenn die Soldaten kommen, will ich ihnen bestimmt nicht in diesem Zustand begegnen.«

      Soldaten? Das hieß, dass der König die Küste überwachen ließ. Entweder erwartete er einen Angriff seiner Feinde – oder vielleicht seine Verbündeten? So oder so hatte Blitz nicht die Absicht, Uniformierten in die Hände zu fallen. Seine Erfahrungen mit Männern im Dienste eines Fürsten oder eines Königs waren alles andere als angenehm. Solche Leute glaubten grundsätzlich nie, dass man auf ihrer Seite war.

      »Dann sollten wir so schnell wie möglich von hier verschwinden«, schlug Blitz vor. »Und sehen, dass wir irgendwie mit den anderen zusammentreffen.«

      Suresch krauste die Stirn. »Manchmal ist es, als wenn ein böses Schicksal einem alle Pläne durchkreuzt. Na los, gehen wir.«

      Sie waren kaum über die Steine geklettert und hatten einen Kiesweg, von struppigem Gras überwachsen, gefunden, als sie schon einen Trupp auf sich zumarschieren sahen. Es gab hier keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Nur das Meer hinter ihnen, die steinige, windumtoste Küste, den blassen Himmel über sich. Der Wind fuhr in ihre nassen Kleider und ließ sie frösteln, und doch fühlte Blitz, wie das Blut ihm heiß durch alle Adern rann. Er tastete nach seinem Messer.

      »Zum Donnerwetter!«, schrie der Kapitän auf. »Ihr seid es!«

      Nun, da sie näherkamen, sah man, dass es mit Sicherheit keine Soldaten waren. Vielmehr handelte es sich um Seeleute wie sie selber, nicht ganz so nass und abgerissen, sondern gut gekleidet und noch besser bewaffnet. Trotzdem waren sie unzweifelhaft vom gleichen Schlag wie die Gestrandeten.

      »Das sind die Männer der Greifenklaue«, verriet einer der Piraten Blitz. »Wusste ich’s doch, dass sie vor uns hier sind.«

      Die beiden Anführer boxten sich kameradschaftlich in den Bauch und auf die Schultern.

      »Suresch, alter Hund! Ich dachte, du bist ertrunken!«

      »Wilu, du verdammtes Narbengesicht! Wo hast du deinen Fischkutter gelassen?«

      »Fischkutter! Nennt der Kerl die Greifenklaue Fischkutter!«

      »Sei froh, dass ich euch nicht Fischfutter nenne!«

      Nach der lautstarken Begrüßung nahm die Mannschaft der Greifenklaue die Besatzung der Adlerschwinge mit zu ihrem Lager. Sie wohnten in einem kleinen Dorf in einer stillen Bucht, wo sie ihr Schiff rechtzeitig vor dem Sturm geankert hatten, und obwohl das Unwetter auch hier gewütet und ganze Teile der Küste überflutet hatte, war der Piratensegler unbeschadet davongekommen. Suresch und seine Leute füllten sich die Bäuche und wärmten sich am Herdfeuer. Bedient wurden sie von ängstlich dreinblickenden Dörflern. Die Freibeuter hatten kurzerhand ein ganzes Dorf eingenommen und es zu verhindern gewusst, dass sie jemanden um Hilfe ausschickten.

      »König Oka wartet auf die Schiffe aus Velas«, sagte Kapitän Wilu und grinste, während er einen frisch gebratenen Fisch kunstvoll entgrätete. »Da kann er lange warten.«

      »Warum sollte Velas Schiffe schicken?«, fragte Blitz verwundert und biss sich sogleich auf die Lippe.

      Wilu hob die Brauen und starrte ihn an.

      »Was für einen vorlauten Kerl hast du dir denn da aufgegabelt?«, fragte er seinen Kollegen.

      Suresch öffnete den Mund, aber da der Kaisergänger ganz sacht den Kopf schüttelte, schloss er ihn wieder, schnitt ein paar Grimassen und seufzte. »Buchstäblich aus dem Meer gefischt. Aber mich würde es auch interessieren. Warum, verdammt noch mal, schicken die Velaner Oka Kriegsschiffe? Velas ist am Ende der Welt und hat mit uns nichts zu schaffen.«

      »Außer, dass sie Nachbarn von Sandart sind und seit Jahren darauf warten, dass Zukata sie schluckt?« Wilu lachte dröhnend. »Der arme Oka hat keine Ahnung, dass wir seinen Boten abgefangen haben.« Er beugte sich vor. »Und das Beste kommt noch. Oka wird hierher kommen, um seine Verbündeten zu empfangen. Und nun ratet mal, wer ihm hier einen Empfang bereiten wird.«

      Suresch lachte so laut, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Blitz versuchte mitzulachen, aber er konnte nicht, obwohl er sich dessen bewusst war, dass man ihn beobachtete. Natürlich fiel es auf, wenn er als Einziger mit versteinerter Miene dabeisaß.

      Wilus Lachen brach ab, er stieß den anderen Kapitän in die Seite und beugte sich vor. »Was ist das für ein Kerl?«, flüsterte er. »Junge, ich habe ja schon viel erlebt, aber der da jagt mir einen Schauer über den Rücken. Er hat nicht einmal gelächelt. Er sieht mich an, als wollte er mir gleich das Messer in die Brust stechen. Du solltest mir besser sagen, wer das ist.«


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