Der Thron des Riesenkaisers. Lena Klassen

Der Thron des Riesenkaisers - Lena Klassen


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soll mir gehören«, sagte der Riese grimmig. Er lachte nicht mehr, aber in seinen Augen brannte das Feuer eines neuen Wunsches, mindestens ebenso stark wie sein früheres Verlangen, die Kaiserkrone zu tragen. »Ich will, dass er mir dient. Er soll sich vor mir beugen. Das ist das, was ich wirklich will. Das, wobei du mir helfen wirst.«

      Erion runzelte die Stirn. »Hat er eine Schwachstelle? Irgendetwas, woran sein Herz hängt?«

      Zukatas Lächeln entblößte seine weißen Zähne. »Ich sehe, du denkst mit. Wie immer. Genau darum geht es. Ich muss alles über Sorayn wissen. Warum hat mein nichtsnutziger Bruder ihm den Segen gegeben? Was verbirgt er? Welche Geheimnisse trägt er mit sich herum?« Er sagte es noch einmal: »Was ist es, woran sein Herz hängt?«

      »Ich finde es für Euch heraus, Herr.«

      Zukata nickte. »Du weißt, warum ich dir nur ein winziges halbes Königreich gegeben habe? Nur diesen Felsen, der im Wasser versinkt?«

      »Ihr gebt jedem, was Ihr wollt«, entgegnete Erion, in dem immer noch die Enttäuschung darüber brannte, dass andere Räuber, die Zukata lange nicht so gut gedient hatten wie er, mit lukrativen Fürstentümern und Ämtern belohnt worden waren und er nichts anderes bekommen hatte als eine wertlose Insel. Nicht einmal als König der beiden Glücklichen Inseln konnte er sich bezeichnen, denn König von Arima war sein Onkel Norha.

      »Ein König sitzt in seinem Schloss, in seinem eigenen Land, und regiert und verwaltet und urteilt und verschwendet seine Zeit mit tausenderlei Dingen«, erklärte Zukata, seine Stimme klang beinahe liebevoll. »Dich brauche ich hier, mein Junge, hier bei mir. Es gibt nur wenige, denen ich einen Auftrag wie diesen anvertrauen kann. Du bist hier, im Herzen der Macht, nur wenig unter mir. Meinst du nicht, dass das mehr ist, als König von Laring, Diret oder Mindonien zu sein?«

      »Ja, Herr.« Er neigte den Kopf.

      »Wenn du das für mich tust«, sprach Zukata weiter, »wenn du der Mann bist, der Sorayn vor mir in die Knie zwingt, werde ich dich zum König von Aifa machen. Das ist doch ein Königreich, das dir hoffentlich groß genug ist? Nun, willst du König von Aifa werden?«

      »Aber«, stammelte Erion, »das seid Ihr! Das ist immer der Kaiser!«

      »Das war bisher so«, bestätigte der Riese ungerührt, er lächelte über die Aufregung, die seine Worte bewirkten. »Aber mir gehört ganz Deret-Aif. Herrscher zu sein über die halbe Welt ist keine Kleinigkeit. Ich habe gar nichts dagegen, wenn du dich um einen Teil meines Landes kümmerst. Das hat den Vorteil, dass der König von Aifa hier in Kirifas residiert. Du würdest also als mein engster Vertrauter und Ratgeber in meiner Nähe bleiben.«

      »Ihr ehrt mich, Herr.« Diese Aussichten waren überwältigend. »Aber – und Eure Tochter Ilinias?«

      »Wieso Ilinias? Was hat das mit ihr zu tun?«

      »Sie ist die Prinzessin von Kirifas, ist sie dann nicht eigentlich die rechtmäßige Anwärterin auf Aifa?«

      »Das entscheide immer noch ich«, sagte Zukata. »Und ich gebe es demjenigen, der Sorayn für mich besiegt. Seine Mutter Ilinias wird das wohl kaum tun.«

      Erion verneigte sich fast bis zum Boden.

      »Dann geh«, beschied sein unvergleichlicher Herr. »Mach, dass ich wieder schlafen kann. Sorayn soll mir dienen, so wie du es tust, und er soll seine Knie vor mir beugen. Dann erst werde ich wahrhaft Kaiser sein.«

      Majas Flötenspiel konnte niemand auf dem ganzen Schiff entkommen. Sogar die Ruderer verhielten, wenn es gar zu schlimm wurde, was zur Folge hatte, dass der Rhythmus, der den Frachter die Strömung hinauftrieb, stockte. Die Männer lauschten gebannt der wilden, stürmischen Melodie, die einen Orkan auf sie herabzurufen schien. Es hörte sich an, als ob jemand schrie.

      »Solche Lieder bringen Unglück«, presste Kapitän Dogla zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er fügte hinzu, dass die Dame, die mehrere Königreiche wert war, gefälligst damit aufzuhören hatte, wenn sie ihr Ziel erreichen wollten.

      Maja saß auf dem Bett, die Knie angezogen, in ihrer Hand die kleine Flöte, dieses so unschuldig aussehende Stück Holz. Ihre Finger tanzten auf den Löchern. Sie spielte einfach weiter, als Erion hereinkam.

      »Schluss damit«, befahl er streng.

      »Sonst was?« Die Zinta blickte ihn herausfordernd an. »Werft Ihr mich sonst über Bord?«

      Er konnte sie nicht ausstehen. Solche Frauen machten nichts als Ärger.

      »Nichts lieber als das«, knurrte er, und sie lachte. »Nun zeigt Ihr endlich einmal Euer wahres Gesicht, Herr Halber König von Neiara.«

      Ihm war danach, sie zu verprügeln, in ihr herausforderndes Lächeln zu schlagen, aber er hatte sich vollkommen in der Gewalt. Er streckte die Hand aus.

      »Gebt mir die Flöte.«

      »Nein.« Sie hielt sie mit beiden Händen fest. »Nein!«

      »Dieses verdammte Musikinstrument hat Euch schon einmal verraten.«

      »Was?«

      Eigentlich wollte er es ihr nicht sagen. Die Reise würde viel leichter sein, wenn sie dachte, dass Sorayn sie in Kirifas erwartete. Andererseits würde es mit Sicherheit nicht lange dauern, bis sie sich dafür entschieden hatte, lieber nicht zu diesem treulosen Sorayn zurückzukehren, von dem er ihr erzählt hatte. Vielleicht war es unklug – und Erion hasste es, etwas Unkluges zu tun, nur weil ihn seine Gefühle dazu verleiteten –, aber er konnte einfach nicht widerstehen. Er wollte ihr Entsetzen sehen, wenn sie endlich erfuhr, worum es ging. Ihm fiel kein anderes Mittel ein, um ihr die Frechheiten ein für alle Mal auszutreiben, um ihr wehzutun, ohne blaue Flecken zu hinterlassen.

      »Sorayn hatte eine ungewöhnlich musikalische Frau bei sich, als er mit seinem Riesenheer unterwegs war«, sagte er. »Das war nicht schwer herauszufinden. Man muss nur den richtigen Personen die richtigen Fragen stellen. Euch zu finden, hat eine Weile gedauert, aber als meine Spione von einem schwarzhaarigen Mädchen berichteten, das in einem Gasthaus in Laring die Gäste mit Flötenspiel unterhält, da wusste ich, dass Ihr das seid, Prinzessin Maja.«

      »Es gibt unzählige Spielleute im ganzen Land.«

      »Tatsächlich? Wenn man die Leute über Euer Spiel reden hört, könnte man glauben, es gäbe nur eine einzige Frau auf der Welt, die es vermag, so damit zu verzaubern. Auf diese Weise habe ich Euch gefunden. Schneller, als Sorayn es vermochte. Er sucht nach Euch, wusstet Ihr das? Überall fragt er nach Euch.«

      »Er sucht nach mir?« Ihre Augen weiteten sich.

      »Natürlich. Schon lange. So viel ich weiß, ist er mit den Ziehenden unterwegs. Aber sie kommen nicht gut voran, seit der Kaiser den alten Tribut wieder gestattet hat. Meine einzige Hoffnung war es, schneller zu sein als Sorayn. Und Euch nach Kirifas zu bringen, bevor er weiß, dass Ihr in meiner Hand seid.«

      »Was will Zukata von mir?«, fragte sie. »Ich kann ihm nie so gefährlich werden wie Manina. Und wenn er glaubt, ich könnte es, warum bringt Ihr mich dann überhaupt zu ihm? Ihr hättet mich auch gleich umbringen können. Werdet Ihr mich töten?« Sie versuchte immer noch, furchtlos und trotzig zu klingen.

      »Keineswegs, Prinzessin. Ich werde Euch kein Haar krümmen«, versicherte Erion. »Euer Gemahl wird keinen Grund haben, sich über Eure Behandlung zu beschweren, wenn er in den Palast kommt. Und das wird er, sobald er erfährt, dass Ihr dort seid. Nie wird jemand so schnell angerannt kommen wie er. Und nie wird jemand so eifrig darum betteln, Zukata aus der Hand fressen zu dürfen.«

      Es überlief sie eiskalt.

      Erion sah, wie sie langsam anfing zu begreifen. Sehr langsam. Bei Rin, war sie gutgläubig und naiv! Hatte sie nicht gewusst, dass die Liebe das Schlimmste war, was einem Menschen widerfahren konnte?

      »Wenn Sorayn bis jetzt dachte, er könnte Zukata kontrollieren«, fuhr er mitleidslos fort, »wenn er glaubte, er könnte der heimliche Herrscher über Deret-Aif sein, während sein Großvater auf dem Thron sitzt, dann hat er sich geirrt. Dann hätte er besser darauf achtgeben müssen, dass


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