Ester. Jean-Daniel Macchi

Ester - Jean-Daniel Macchi


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griechische A.-T. ὁ δὲ Αμαν εἰσῆλθεν εἰς τὸν οἶκον αὐτοῦ καὶ συνήγαγε τοὺς φίλους αὐτοῦ καὶ τοὺς υἱοὺς αὐτοῦ καὶ Ζωσάραν τὴν γυναῖκα αὐτοῦ καὶ ἐκαυχᾶτο λέγων ὡς οὐδένα κέκληκεν ἡ βασίλισσα ἐν ἐπισήμῳ ἡμέρᾳ αὐτῆς εἰ μὴ τὸν βασιλέα καὶ ἐμὲ μόνον καὶ αὔριον κέκλημαι ist die Übersetzung aus dem hebräischen Proto-Ester-Text, der aus dem MT 5,10.12 rekonstruiert werden kann: ויבוא המן אל־ביתו וישׁלח ויבא את־אהביו ואת־בניו ואת־זרשׁ אשׁתו ויתגדל המן ויאמר אף לא־הביאה אסתר המלכה עם־המלך אל־המשׁתה אשׁר־עשׂתה כי אם־אותי וגם־למחר אני קרוא (= Haman ging in sein Haus. Er sandte hin und ließ seine Freunde, seine Söhne und Seresch, seine Frau, zu sich kommen. Haman prahlte und sagte: Zudem ließ die Königin Ester außer mir niemanden mit dem König zum Mahl kommen, das sie hielt. Auch für morgen bin ich eingeladen). Obwohl fast der ganze Abschnitt aus Proto-Ester sich im MT wiederfindet, fehlen doch die Wendungen ואת־בניו („seine Söhne“) und ויתגדל („er prahlte“). Sie wurden wahrscheinlich von den Redaktoren entfernt, als sie 5,11 einfügten: „Haman erzählte ihnen aufs Neue von seinem herrlichen Reichtum und der Anzahl seiner Söhne, davon, wie der König ihn gefördert und wie er ihn über die Minister und Diener des Königs erhöht hatte.“ Tatsächlich kommentiert dieser Satz die Aussage, dass Haman „prahlte“, die im Moment der Einfügung logischerweise wegfallen kann. „Seine Söhne“ fallen aus ebenso logischen Gründen weg, denn wenn sie anwesend waren, wäre die Erwähnung ihrer Zahl in Hamans Rede in 5,11 sinnlos gewesen, da alle Anwesenden sie hätten sehen können.

      Auch in ein paar weiteren Fällen wurden Passagen aus dem A.-T. und seiner Vorlage Proto-Ester von den protomasoretischen Redaktoren nicht aufgenommen, weil sie nicht dem entsprachen, was ihrer Erwartung nach hätte geschehen sollen. Die wichtigsten Fälle befinden sich in den Kapiteln 6 und 7 (5,23a; 6,4–6a.13–18; 7,2.4b–7.14). Auch in kürzeren Passagen kommen einige redaktionelle Auslassungen vor, beispielsweise in den folgenden:

      Ester 6,6.9.11In den Parallelen zum MT 6,6.9.11 werden im A.-T. (6,9.11.19) folgende Worte zu Ehren von Mordechai geäußert: Κατὰ τάδε ποιηθήσεται τῷ ἀνδρὶ τῷ τὸν βασιλέα τιμῶντι, ὃν ὁ βασιλεὺς βούλεται δοξάσαι (= So soll dem Mann getan werden, der den König ehrt und den der König verherrlichen möchte 6,19A.-T.). Der MT ist kürzer: ככה יעשׂה לאישׁ אשׁר המלך חפץ ביקרו (= So wird dem Mann getan, den der König zu ehren wünscht). Das hebräische Äquivalent der griechischen Formel τὸν βασιλέα τιμῶντι (der den König ehrt) wurde zweifellos von den protomasoretischen Redaktoren entfernt, denn sie schreckten zurück vor der Aussage, dass Mordechai einen ausländischen König geehrt habe, der in ihren Augen bemitleidenswert und unfähig ist.

      Die Frage des ursprünglichen Schlusses von Proto-Ester und der Abschnitte von Kapitel 7,15–52 am Ende des A.-T. wird im Kommentarteil ausführlich diskutiert. Ein wichtiger Teil dieser Passage des A.-T. scheint direkt von der LXX abhängig zu sein und wurde entsprechend spät eingeführt.

      4.1.2. Die Darstellung des Redaktionsprozesses des protomasoretischen hebräischen Texts im vorliegenden Kommentar

      Der Kommentar zu den einzelnen Kapiteln des MT schließt jeweils mit einem Abschnitt, der mit „Diachrone Analyse“ überschrieben ist.

      Proto-EsterDie Analyse beginnt jeweils mit einem Absatz über Proto-Ester. Er enthält eine kurze Darstellung der generellen Bedeutung dieser ersten Textstufe sowie ihrer hauptsächlichen Unterschiede zum MT. Dem folgt eine Übersetzung des entsprechenden Abschnitts von Proto-Ester, basierend auf dem A.-T.81 Die textlichen Details werden sodann im Vergleich mit dem MT kurz analysiert. Abschließend werden wichtige Fragen hinsichtlich der Proto-Ester-Fassung des Kapitels diskutiert.82

      Die protomasoretische RedaktionDie Abschnitte unter der Überschrift „Die protomasoretische Redaktion und die Entstehung des MT“ sind besonders bedeutsam für das Verständnis des MT. Sie beginnen jeweils mit der Liste der wichtigsten „Extras“ und Varianten des MT gegenüber Proto-Ester. Diese Unterschiede ermöglichen ein tieferes Verständnis der literarischen Techniken der Redaktoren und der sie tragenden Leitmotive. Wir betrachten die intertextuellen Spiele der Redaktoren, das Gewicht und die Bedeutung, die sie dem Hof und der königlichen Herrschaft Persiens beimessen, die Darstellung der Probleme, die sich aus der Enthüllung der Identität der jüdischen Protagonisten ergeben, den Umgang mit dem Fehlen jeglicher Erwähnung von Gott und die Art der Thematisierung von Hamans Status. Die angewandten literarischen Techniken und die verschiedenen Themen, die die protomasoretischen Redaktoren in den Vordergrund rücken, kommen in den Abschnitten zum redaktionellen Vorgehen im Rahmen der Kommentierung der Kapitel 1–7 sowie des Schlusses in den Kapiteln 8–10 zur Sprache. So zeigen diese Beobachtungen, dass es ein ganz besonderer redaktioneller Prozess war, in dem alle Kapitel von Proto-Ester umgearbeitet und die Kapitel 8–10 als Schluss hinzugefügt wurden.

      Der MTDer protomasoretische Text (Proto-MT) ist vermutlich die wichtigste hebräische Quelle, die die Übersetzer der LXX verwendet haben. Der Vergleich zwischen der LXX* und dem MT zeigt jedoch, dass die LXX nicht genau dem masoretischen Konsonantentext der großen hebräischen Codices des Mittelalters entspricht.83 Die Hauptunterschiede zwischen dem vom Übersetzer der LXX verwendeten Proto-MT und dem MT werden in den Anmerkungen zum Text, die sich an die Übersetzung des MT anschließen, sowie am Ende der diachronen Analyse jedes Kapitels erörtert.

      4.2. Die Entstehung der beiden wichtigsten griechischen Zeugen (A.-T. und LXX) und die anderen Textzeugen von Ester

      4.2.1. A.-T. und LXX

      Die zwei wichtigsten griechischen Versionen von Ester – A.-T. und LXX – haben ihre je eigene komplexe Textgeschichte. Sie sind voneinander unabhängige Übersetzungen, die auf teilweise unterschiedlichen hebräischen Texten basieren.

      Proto-A.-T.Wir haben gesehen, dass diejenigen Passagen des A.-T., die zur „gemeinsamen Erzählung“ gehören (1,1–21; 2,1–18; 3,1–13.15; 4,1–4.6–12; 5,1–2*.13–24; 6,1–23; 7,1–16.21bβ.33b.34a), recht wortgetreue Übersetzungen von Proto-Ester sind.

      Proto-LXXDie Übersetzer der Proto-LXX, d. h. der LXX vor der Hinzufügung der sechs Zusätze, hatten anscheinend keine direkte Kenntnis des Proto-A.-T. Sie gingen recht frei mit dem protomasoretischen hebräischen Text um, der eine Überarbeitung von Proto-Ester war.

      Der Vergleich von Ester 2,18A.-T. mit 2,18LXX zeigt, dass diese beiden Übersetzungen nicht unmittelbar voneinander abhängen und dass sie unterschiedliche hebräische Vorlagen voraussetzen.

      Ester 2,18A.-T./LXXWie oben gezeigt, ist der griechische A.-T. καὶ ἤγαγεν ὁ βασιλεὺς τὸν γάμον τῆς Εσθηρ ἐπιφανῶς καὶ ἐποίησεν ἀφέσεις πάσαις ταῖς χώραις (= Und der König feierte Esters Hochzeit auf prachtvolle Weise, und er gewährte allen Provinzen eine Amnestie) eine Übersetzung des hebräischen Texts von Proto-Ester ohne die protomasoretischen redaktionellen Ergänzungen: ויעשׂ המלך משׁתה גדול לאסתר והנחה למדינות עשׂה (= Der König hielt ein großes Festmahl für Ester, und er gewährte den Provinzen eine Amnestie).

      Die LXX-Fassung dieses Verses, καὶ ἐποίησεν ὁ βασιλεὺς πότον


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