Erik der Rote - Schiff und Schwert. Preben Mørkbak

Erik der Rote - Schiff und Schwert - Preben Mørkbak


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Und übrigens. Du solltest zusehen, dass das Gesicht deines Sohnes in Ordnung kommt. Es schickt sich nicht für ein ehrbares Geschlecht, dass der Nachkomme mit blauen Flecken und zerschundenem Gesicht herumläuft.

      Er lachte wieder, lauthals und gutmütig.

      - Solltest du keine heilkundigen Frauen mitgebracht haben, so kannst du einen Knecht zu mir schicken. Gewiss wird meine kleine dunkle Murid seine blauen Flecken gerne einschmieren und sein Gesicht in Ordnung bringen.

      Seine Miene und Haltung deuteten an, dass die Plauderei beendet war. Er war bereit, Torvald und die ganze Ladung von Freien und Sklaven beim Essen zu treffen.

      Einige Tage später ließ Torvald seinen Versprechungen Taten folgen. Er war fröhlich gestimmt, als die Knorr aus Schild-Bjarnes Bucht auslief und den Kiel südwärts steuerte. Hinaus auf das Meer, vorbei am Bjarnefjord. Dort warf er Axt-Torers altehrwürdige Hochsitzstangen ins Meer und folgte aufmerksam ihrem Tänzeln und Schaukeln in den Schaumkronen, während sie immer weiter in südliche Richtung trieben – in den Húnaflóifjord.

      Die Stangen umrundeten schließlich eine beeindruckende Landspitze, wo sich erhaben aufgereihte Klippen scharfkantig in das Meer erstreckten. Hoch, schlank, dunkel und spitz. Die blanken Felsen zeichneten sich scharf am Abendhimmel ab. Die größte Klippenspitze befand sich landeinwärts und die kleinste lag draußen am Ufer.

      Der Anblick machte Erik schwindelig und er seufzte mehrmals.

      - Torhal, Torhal. Schau. Sieben Klippen. In einer Reihe. Wahrlich ein gutes Zeichen.

      Die Stangen trieben weiter in südliche Richtung. Auf- und niederschaukelnd steuerten sie zwischen Inseln und verwitterten Felsen direkt auf einen schmalen Strand zu, der vor einer kleinen Wiese lag. Dort ließ Torvald das Schiff an Land ziehen. Eine kleine, dreieckige grasbedeckte Landspitze. Es war ein solch verstecktes Kap, dass kein anderer Mensch Anspruch darauf erheben könnte, so wie es dort mit dem steilen Felsen hinter sich und dem offenen Meer im Osten lag. Der Platz war derart eng, dass nicht einmal alle Zelte aufgestellt werden konnten, wenn auf dem halb verdorrten Gras auch noch die Tiere Platz finden sollten.

      Es war an der kleinsten und tristesten der vielen Landspitzen der Nordstrände, wo sie an Land gegangen waren. Torvald hatte beschlossen, dass alle Leute, Sklaven und Tiere vom Schiff sich hier niederlassen und leben sollten. Und mit dieser ernüchternden Aussicht begaben sie sich alle zur Ruhe in dieser Nacht. Es war auch just dort, wo sich am nächsten Morgen alle um Torvalds mächtigen, schweren Körper versammelten.

      Er hatte sich auf einen Stein gesetzt und saß nun vornübergebeugt an den letzten Resten des Lagerfeuers. In seinen mächtigen, groben Händen spielte er mit einigen Kieseln, die er von einer Hand zur anderen rollte. Dabei schaute er abwesend zum Strand hinunter, wo die Hochsitzpfeiler halb an Land, halb im Wasser lagen. Es lag eine merkwürdige Mischung aus friedvoller Erhabenheit und nervöser Anspannung auf dem Anblick der kompletten Schiffsbesatzung, die sich unmerklich dem zusammengesunkenen Körper am Feuer zu nähern begann. Selbst ihre Körper schienen davon erfasst zu sein. In ihren Gesichtern war nicht abzulesen, ob sie auf dem Weg zu einem Abschied oder zu einer Verurteilung waren.

      Ruhig erhob sich Torvald und betrachtete die kleine Schar. Er trat auf Erik zu, der immer noch mit dem Löffel in der Hand dastand. Er schaute seinen Sohn an, und als der Vater die Hand auf die Schulter seines Sohnes legte und redete, entstand in diesem Augenblick eine besondere Erwartung.

      - Erik hat seinen Wert gezeigt, und nun holt er die Hochsitzpfeiler. Gemeinsam werden wir das Feuer herumtragen.

      4

      „Sobald ihre Schiffe den Ankerplatz erreicht hatten,

      ging jeder von ihnen an Land; sie hatten Brot, Fleisch, Zwiebeln, Milch

      und Met dabei und gingen zu einem hohen, aufgerichteten

      Holzpfeiler mit einem Gesicht, das aussah wie das

      Gesicht eines Menschen.“

      Ibn Fadlan, arabischer Gesandter,

      Um 920

      „Alle Tempel von Thor

      und die Heiligtümer der Mächte

      gab der kluge Mann

      den Menschen zurück

      bevor er – der Krieger Thors –

      mit dem Schwert von dannen zog

      über das Meer und das Land.

      Die Götter geleiten diesen Mann.“

      Skald Einar Skáleglam,

      Die Sage von Jarl Hákon, 12. Jahrhundert

      Das Licht blendete in seinen Augen und ließ ihn schwindelig werden. Die Hand seines Vaters lag auf seiner Schulter, jedoch ohne das vertraute Gewicht in der Pranke. Einzig Eriks Oberschenkelmuskeln schienen auf diese leichte Berührung zu reagieren. Sie zuckten kurz zusammen. Ihm war klar, was das bedeutete. Er hatte genau von diesem Augenblick fabuliert. Hatte schwindelnd ungeduldige Träume geträumt und viele Stäbe geschnitzt, während er vor sich hinmurmelte, wie alles weitergehen würde.

      Nun passierte es.

      Wie ein scheues Tier, das seinen Jäger entdeckt, riss er die Augen auf. Die kalte Luft vom Meer kühlte. Die kräftige Herbstsonne wärmte. Zwischen Vater und Sohn köchelte eine hitzige Spannung. Das war am deutlichsten in Eriks zerschundenem Gesicht zu sehen.

      Er trippelte mit den Füßen leicht umher, um die Oberschenkel, Knie und Kiefermuskeln zu entspannen.

      Ulf trat einen Schritt in den Kreis hervor. Offensichtlich wollte er etwas sagen. Und es war deutlich, dass er es nicht auf das Nachplappern abgesehen hatte. Er wollte Einwände hervorbringen. Doch ein kurzer, energischer Blick Torvalds ließ ihm bereits das erste Wort im Halse stecken bleiben.

      Er verharrte, eingefroren in seiner Bewegung. Dann trafen ihn Torvalds Worte.

      - Derjenige, der als verständig angesehen wird, soll seinen Grimm zügeln, wenn der Hausherr spricht.

      Torvalds Worte fielen auf Ulf wie ein Fischnetz nieder, das einen Schwarm einschloss und sich zusammenzog. Mitten in der Bewegung fiel Ulfs Widerstand in sich zusammen.

      - Hol die Pfeiler, Erik.

      Die Worte seines Vaters waren ruhig, beinah überzeugend und von tiefer Vertrautheit erfüllt.

      Erik löste sich aus der Berührung und lief mit ein paar erzwungen ruhigen Schritten in die Mitte des Kreises. Er öffnete den Mund, um etwas sagen zu wollen, gab aber auf. Er spürte in seinen Knien, dass nur irgendein Unsinn herausgekommen wäre. Dann ging er mit kraftvollen Schritten weiter durch den Kreis. Im Vorbeigehen konnte er einen Blick auf Torhals gebräuntes, gutmütiges Gesicht erhaschen, das ihm mit der über den hohen Wangen gespannten Haut entgegenstrahlte. In gespannter Erwartung. Erik musste all seine Kräfte aufwenden, um die Kontrolle über seine Füße zu behalten. Er konnte dem sowohl bewundernden als auch beklommenen Lächeln nichts entgegensetzen.

      Er lief die Wiese direkt zum Meer hinunter und spürte kaum das kalte Wasser, das durch seine Schuhe und Kleidung drang. Die nassen Schuhbänder lösten sich von seinem Unterschenkel und ein Schuh war bereits über die Ferse gerutscht, als er über den ersten der bewachsenen, glitschigen Steine an der Wasserkante stieg.

      Die Stangen lagen ein Stück voneinander entfernt. Sie hatten sich beide zwischen den Steinen verkeilt und schaukelten sanft im Takt der Brandung am Ufer. Erik beugte sich über die erste Stange und betrachtete sie. Sie hatte dieselbe Wirkung auf ihn wie ein Schatz auf einen Geizhals hat. Er kniete im kalten Wasser und begann, die Bänder zu lösen, die das in Fell gehüllte Bündel zusammenhielt. Behutsam und aufgeregt, als wäre es die Schlaufe an einem geheimnisumwitterten Kleid eines Mädchens. Mit eifrigen Fingern arbeitete er sich vor. Die strammen Lederriemen lösten sich und rutschten zur Seite. Er stellte sicher, dass sich die Stangen von den Riemen trennten.

      Dies war die erste.

      Er ließ sie an der Wasseroberfläche treiben, während er zur nächsten watete und


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