Erik der Rote - Schiff und Schwert. Preben Mørkbak

Erik der Rote - Schiff und Schwert - Preben Mørkbak


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Ulf hatte die Verzweifelten zur Besinnung ermahnt und sie daran erinnert, dass viele gute Männer mit ihren Familien und ihrem gesamten Hausrat von Norwegen nach Island gereist waren, um sich dort niederzulassen.

      - Wir müssen annehmen, dass Island zu etwas nütze ist. Nun gilt es, andere Norweger zu finden!

      Die ersten Tage ließen sich die Leute überreden, aber nachdem sie dem Ersten dieser Norweger begegnet waren, verschwand das Vertrauen in Ulf. Sie mochten kaum glauben, dass man von Norwegern sprechen konnte. Deren Sprache ähnelte nicht dem schönen Dialekt aus Rogaland, das alle schon seit langem vermissten. Jene Norweger in Island redeten eine Sprache, die beinah wie ein blubbernder, viel zu dünner Brei klang. Aber am schlimmsten war es, dass keiner von ihnen im Sinn hatte, ihnen Obdach zu gewähren oder einen Siedlungsplatz anzubieten. Zugleich wuchs mit diesem Erlebnis ihr Widerwille und Misstrauen gegenüber dem Gedanken, dass man tatsächlich von ruhmreichen und achtbaren norwegischen Männern und ihren Familien sprechen könnte.

      Gleichzeitig war es den meisten an Bord klar, dass Torvalds offensichtlicher Mangel an Kraft und Inbrunst ihrer Aufforderung, sie zu beherbergen, nicht förderlich war. Die Leute hier hatten genug mit sich selbst zu tun. Ganz zu schweigen davon, eine Schiffsladung hungriger Mägen durchzufüttern und sich ihren ausgemergelten Blicken den Winter über auszusetzen. Schon der Anblick des über das Steuerruder gebeugten dunklen Mannes und von Eriks zerschundenem, blutigem Gesicht vertrieb jedwedes Wohlwollen. Und so geschah es, dass das Glück Torvald Asvaldsson verließ – weshalb wohl?

      Ab und zu hatte Erik den Eindruck, dass die Menschen an Land mehr wussten, als diejenigen auf dem Schiff. Auf jeden Fall mehr, als er selbst erfuhr. Zugleich war es so, dass Torhal und Erik im Gegensatz zu Torvald bei jedem neuen Fjord, in den sie einfuhren, aufgeschlossen und neugierig dreinblickten. Sie hatten die Hoffnung noch nicht über Bord geworfen. Mit den übrigen auf dem Boot teilten sie zwar die skeptischen Mienen, weigerten sich aber, sich der Mutlosigkeit hinzugeben.

      Die sonderbaren Vorzeichen, über die sich beide vor der Abfahrt ausgetauscht hatten, waren zu einem gewissen Grad noch wirksam. Der Fischfang war während der gesamten Fahrt bei beiden von Glück begleitet. Eriks Fähigkeiten als Bogenschütze waren tüchtig geschult gewesen, und als Torhal einen Seehund erlegte, fielen sie einander in die Arme. Selbst die Tage am Ruder vergingen mit einem Überschuss an Neckereien. Und die Nächte wechselten fortwährend zwischen Schlaf und ihren flüsternden Gesprächen über die vielen Möglichkeiten im neuen Land. Sie waren sich einig darin: Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie all das sehen konnten.

      Torhal beklagte sich jedoch ab und zu über den wachsenden Abstand zwischen Erik und Torvald. Er meinte, dies sei ein Anzeichen für kommende schlechte Zeiten, wenn sich Vater und Sohn zankten. Erik antwortete auf diese Art Aussage nur selten. Er ließ ihn reden und hielt sich mit Bemerkungen zurück. Er wusste, was feststand. Ab dem Zeitpunkt, da sie denjenigen Punkt umrundet hatten, den die Norweger in Island Reykjanes nannten, hatte er wieder Hoffnung geschöpft.

      In jenen Tagen hatte Erik Ulf zum Hafen begleitet. Erik hatte einen Sack Mehl und einige Eier gehandelt und als Ulf und er zum Boot zurückgekehrt waren, wurde dieser gute Tausch gewürdigt. Die meisten an Bord waren überrascht darüber, dass die Isländer mit einem großen Burschen feilschen wollten, der im Gesicht dermaßen zerschunden war.

      Sein Vater hatte versucht, eine anerkennende Miene zu machen, die jedoch rasch vom Missmut verdrängt wurde. Stumm nahm er Eriks Glück hin. Zum großen Unbehagen sowohl von Ulf als auch von Erik.

      Inzwischen waren die Tage so kurz und kalt geworden, dass die gesamte Besatzung vermutete, sie müsste den Winter ohne eine richtige Bleibe verbringen. Ulf hatte aufgezählt, dass die Tage in Island eine andere Länge hätten als in Rogaland, da Island weiter nördlich im Meer läge. Doch nur ganz wenige vertrauten auf seine Ausführungen. Die meisten nahmen es als Versuch, Torvalds mangelndes Glück bei der Suche nach einem Winterquartier zu entschuldigen.

      Zu jener Zeit fuhren sie in den Breiðafjord hinein. Es zeigte sich, dass sie bei jener Stelle einliefen, wo sich Torolf, genannt Mostrarbart, Land genommen hatte, nachdem er Norwegen und seinen Hof auf der Insel Mostar in Rogaland verlassen hatte. Die Leute im Breiðafjord sprachen sogar das heimische Norwegisch, dass es ein Vergnügen war. Aber die Neuigkeiten, die sie Torvald Asvaldsson brachten, waren ebenso niederschmetternd wie alle anderen, die er letztens erhalten hatte:

      Es gab kein Land für Neuankömmlinge.

      Der Bauer auf dem Hof war ein Nachkomme von Torolf Mostrarbart und er wurde als Gode bezeichnet, obwohl er kein Gode eines Thingplatzes war. Er war ihnen gegenüber nicht sehr mitteilsam. Wenn er den Mund öffnete, sah man die wenigen, übrig gebliebenen blauschwarzen Zähne.

      - Wenn ihr mich betrachtet, seht ihr einen der größten Opferpriester der Gegend.

      Seine Frau hielt sich im Hintergrund auf während der wenigen Tage, in der die Knorr an der Anlegestelle lag. Seine Söhne hingegen pflegten eifrig Umgang mit der Schiffsbesatzung. Zwei der Burschen waren nur ein wenig älter als Erik. Der eine von ihnen, Arngrim, hatte ebenso hübsches rotes Haar wie Erik. Trotz seines jungen Alters war er bereits ein breitschultriger Mann. Ganz im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder Värmund, der mickrig aussah.

      Die Jungen luden Erik zum Ringkampf ein, doch mit Verweis auf sein zerschundenes Gesicht hatte Erik abgelehnt. Insbesondere Arngrim war darüber enttäuscht.

      Der Bauer Torgrim war ein ältlicher Mann, der aber mit seinen wenigen blauschwarzen Zähnen immer noch imstande war zu sagen, was gesagt werden musste. Er sprach mit dem Gewicht einer großen, ehrbaren Familie, als er eine Niederlassung der Leute aus Rogaland in seiner Nähe unmissverständlich zurückwies.

      - Der Breiðafjord ist voll. Ebenso der Hvammsfjord.

      So lautete seine Aussage und bei ihr blieb er. Wärme und Essen könnten sie einige Tage erhalten, doch damit hätte seine Gastfreundschaft ihre Grenze erreicht. Als jene Verhandlung beendet war, endete jedoch noch nicht die Neugier, Neues aus der norwegischen Heimat zu hören.

      Torvald und Ulf konnten über die Streitigkeiten berichten, die wegen der gierigen Gunhild in Norwegen wüteten. Sie beabsichtige, ihre Söhne als Könige über alle Landesteile einzusetzen. Einer ihrer Söhne, Harald Graufell, habe die besten Chancen, da er am ältesten und stärksten sei. Doch alles werde von der Mutter gesteuert.

      Erik hatte betont, dass viele in Norwegen jetzt auf einen der Jarle aus Lade im Norden vertrauten, nämlich auf Håkon Sigurdsson, dem Sohn des mächtigen Jarls aus Lade, Sigurd.

      Die Frage, warum Torvald Norwegen verlassen hatte, wurde auch gestellt, doch die Antwort war äußerst ausweichend gewesen, wie schon bei anderen Gelegenheiten. Dabei war in Torvalds Tonfall zu spüren, dass er diesen Norwegern keineswegs freundlich gesonnen war.

      Er schloss seine Ausführungen mit einigen Bemerkungen darüber, dass es offensichtlich schwer sei, eine feste Bleibe zu finden und anscheinend Siedlungsplätze eine große Mangelware seien, trotz der vielen, die Norwegens Küsten verlassen hätten.

      - Thor wird es uns letztendlich weisen. Der Rotbärtige hat meine Familie niemals im Stich gelassen.

      Alle hatten seinen Ausführungen zustimmend zugehört. Die Neuigkeiten aus Norwegen bedrückten alle, zugleich beruhigte sie aber der Hinweis, dass sich der Gast mit seinem Schicksal abgefunden hatte, selbst wenn es seinen Steven in eine harte Unsicherheit lenken würde. Nun sollte sogar der Besuch in diesem Land in einer Niederlage enden. Doch für Torvald beinhaltete dies auch eine gewisse Art von Sieg.

      Anscheinend hatte diese Begegnung Torvald neuen Mut verliehen. In den Stuben hallte es wider, dass Torvald und Erik von Axt-Torers Geschlecht abstammten. Jener Axt-Torer, der sich gegen die Königsmacht in Norwegen erhoben hatte und der der Bruder von Nadodd war, der unter den ersten war, die ihren Fuß auf isländischen Boden setzten. Torvald war hier endlich mit jener Ehre behandelt worden, die seiner Herkunft entsprach.

      Dies konnte man ihm noch eine gewisse Zeit danach ansehen.

      Die Knorr war nach einigen Tagen Aufenthalt quer durch den Breiðafjord gesegelt. Nach Anweisung der Leute vom Hof war Torvald an zahllosen kleinen Inseln vorbeigesegelt und hatte


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