Erik der Rote - Schiff und Schwert. Preben Mørkbak

Erik der Rote - Schiff und Schwert - Preben Mørkbak


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kennen. Du widersetzt dich meinem eindeutigen Befehl. Du hast dir einige Freiheiten herausgenommen, als ich unterwegs war, Ulf!

      Der Wortschwall brach herein über Ulf, der nur allzu gut Torvalds Zorn kannte. Trotzdem nahm der Verwalter all seinen Mut zusammen und baute sich in voller Größe vor seinem Hausherrn auf. Als er sah, dass kein anderer in der Nähe war, streckte er mit gezwungener Ruhe seine Brust heraus und versuchte, sein Ansinnen durch das Gewand durchscheinen zu lassen.

      - Du weißt genauso gut wie ich, dass der Junge ungestüm und rastlos ist. Du verlangst, dass ich ihn aufhalten soll, obwohl du selbst deine Mühe damit hast, genau das zu tun. Wenn du weiterhin Herr auf deinem eigenen Hof bist, wirst du ihn sicherlich aufhalten können. Und dann gerne auch für mich.

      Die Worte trafen Torvald.

      Sein Verwalter und Freund verletzte ihn damit, doch andererseits war Torvald an den rauen Ton des Mannes gewöhnt, mit dem er seit vielen Jahren verbunden war. Wären es nicht ausgerechnet diese vielen Jahre gewesen, wären ihm solch harte Worte teuer zu stehen gekommen. Sie hätten Ulf seine Gesundheit kosten können.

      Ulf wusste dies besser als die meisten anderen. Er hatte in den vielen Jahren seines Lebens Torvald wütend und mit aufgestautem Groll erlebt. Nun sah er den Ärger in Torvald wüten, doch er wurde nicht jähzornig. Er ließ Ulfs Worte sacken und er sah allmählich ein, dass die Wahrheit wohl so aussah. Darüber hinaus hatte er ja selbst angedeutet, dass es eine traurige Tatsache war, dass sein Sohn schwer zu zähmen sei.

      Wie ein brummender Bär trabte er zum Ufer hinunter, wo die zwei Ruder des kleinen Bootes nun eingezogen wurden, während es über die mit Tang bedeckten Steine hinwegglitt und mit einem reibenden Geräusch anlegte.

      Eriks breites Lächeln erfüllte das Ufer.

      - Es ist ein gewaltiger Ausblick, den wir entlang der Landspitze sehen konnten, Vater.

      Das rote, geheilte Gesicht strotzte noch von den Anstrengungen des Ruderns und der glühenden Begeisterung. Bevor sein Vater etwas einwenden konnte, fuhr Erik eifrig fort.

      - Du weißt doch, dass die mächtigen Klippen direkt draußen im Meer liegen. Sie sind wie Zähne aus dem Unterkiefer eines toten Riesen aufgereiht, und es sind sieben von ihnen. Das ist sicherlich ein gutes Omen. Auch Schild-Bjarne stimmt mit mir darin überein.

      Torvald hörte ihm schweigend zu.

      - Ich habe jedem verboten, ohne meine Begleitung die Landspitze zu umrunden. Was ich an Regeln aufstelle, gilt für alle. Und besonders für dich.

      Noch bevor Erik merkte, was vor sich ging, traf die knochige Rückhand seines Vaters die immer noch lächelnde Wange mit einem kräftigen Schlag. Der war so wuchtig, dass er ins Gras fiel.

      Er schnellte umgehend wieder hoch.

      Noch bevor er wieder mit beiden Füßen auf dem Boden stand, konnte man sehen, dass er wie von Sinnen war. Er war ein Tornado aus Händen und Bewegungen. Sein Vater wollte ihn mit einem erneuten ausholenden Schlag zu Boden werfen, aber Erik hatte sich bereits weggeduckt. Gerade als er mit den Füßen zur Seite sprang, um dem Schlag auszuweichen, sprang der Hund aus dem Gras auf. Er bellte und an seiner Kehle lief der Geifer herunter.

      Alles auf der schmalen Wiese vorhandene Tageslicht sammelte sich im Schimmer der Klinge von Eriks Dolch, und ebenso überraschend wie der Lichtblitz stürzte er sich auf den rennenden Hund. Er rammte den Dolch in den Bauch des springenden Tiers und fügte ihm mit einem Ruck einen breiten Schnitt zu.

      Mit seitlich herausquellenden Eingeweiden fiel das Tier jaulend auf der Wiese um, während Erik in der gleichen rollenden Bewegung an seinem Vater vorbeistürzte und auf den Füßen zu stehen kam. Mit nach vorne gestrecktem Hals, hervorstechenden Augen, gebeugten Knien und gespannten Zehen stand er seinem Vater gegenüber und wedelte mit dem Dolch.

      Der grölende Hund im Gras ließ seinen Vater erstarren, während Erik Erregtheit verbreitete. Die Hinterläufe des Hundes wurden von abgehackten Krämpfen durchschüttelt, während das warme Blut glucksend auf das Gras strömte. Erik bemerkte das nicht. Er hatte nur Augen für die Hände seines Vaters. Was mit ihnen passieren würde, würde alles entscheiden.

      Dann spürte er einen Lufthauch hinter seinem Ohr. Lautlos fiel er durch einen dröhnenden Schlag um, der seinen Nacken traf.

      Einige Sekunden später schlug er die Augen wieder auf. Griff erneut nach dem Dolch, aber da war keiner. Der Gürtel war weg, ebenso sein Gewand. Er bemerkte seinen nackten Leib. Die weichen Felle und die Dunkelheit.

      Er lag im Zelt, und er hatte verloren.

      Ein Gesicht tauchte in der Dunkelheit auf. Als es sich seinem näherte, konnte er ahnen, dass es das dunkelhaarige Mädchen Groa war. Mit ihrer schlanken, warmen Hand drückte sie ihn auf die Felle zurück. Er wollte sich dem widersetzen, doch dann spürte seine Zunge all die losen Zähne und den metallischen Geschmack von Blut. Sein Hirn wurde vom schnellen Traben vieler Pferde durchschüttelt.

      Folgsam und schmerzerfüllt sank er zurück.

      Er war kaum in die Felle hinab gesunken, als eine Wand im Zelt zur Seite geschlagen wurde und sein Vater mit einer kleinen Fackel in der erhobenen Hand eintrat. Erik erkannte ihn kaum wieder, wusste aber instinktiv, dass er sich zu fürchten hatte. Es war offensichtlich, dass der dunkle Mann wieder in Besitz seiner Kräfte war, und die ersten Worte, die aus dem Bart herauskamen, ließen daran keinen Zweifel erkennen.

      - Derjenige, der eine Waffe gegen seinen Vater erhebt, verrät sein eigenes Inneres. Seit alters her ist es eine bekannte Tatsache, dass einem solchen Mann am besten damit gedient ist, umgehend verurteilt zu werden, so dass er nicht ein Leben lang leiden und ein verkümmertes Dasein führen muss.

      Es schauderte Erik. Liegend vernahm er die Verwünschung, verletzt und außerstande, seine eigene Furcht zu durchdringen. Wäre es ihm möglich gewesen, hätte er seinem Vater all die heiteren Gedanken erläutern wollen, die er während der Bootsfahrt um die Landspitze herum gehabt hatte. Darüber, wie er in seinem Inneren über den Anblick, der sich ihm darbot, gejubelt hatte. Über das Land, das er dort entdeckt hatte. Er hätte seine Freude mit seinem Vater teilen wollen und sich daran ergötzt, sich in dessen Lob zu sonnen.

      Nun stand der gedrungene, dunkle Mann im Schein des flackernden Lichts da und erklärte ihm, dass er sterben müsse. Hier und jetzt. Eriks Lippen wollten eine Art Fürbitte formen, doch er brachte keinen Laut heraus. Sein Schädel wurde von allerlei Lärm und Pein bedrängt.

      Groa zog sich erschrocken in die Dunkelheit zurück. Sie war Sklavin und kannte ihren Platz, weil sie genau wusste, wann sie sich entfernen sollte. Sie wagte auch nicht, hinauf zu ihrem Herrn zu blicken.

      Erik stützte sich mit seinem schmerzenden Oberkörper auf den Ellbogen, und ganz verwirrt darüber, was er mit seinen Händen tun sollte, ließ er sie hinauf zum Hals gleiten, wo sie begannen, die kleine, schwere Bronzefigur an der Kette hin und her zu drehen.

      - Du fürchtest um deinen Hals und dein Leben, denn das ist ein- und dasselbe.

      Sein Vater sprach mit erhobener Stimme, als wäre es eine große Versammlung, die Befehle erhalten sollte.

      - Mörder meines Sohnes bin ich jedoch nicht. Doch wenn es mit uns soweit gekommen ist, dass du nicht mehr auf meine Befehle hörst, meine ich, dass es am besten ist, wenn wir nicht gemeinsam auf einer Landzunge leben. Sobald das Frühjahr anbricht, werde ich dich fortschicken.

      Erik sank wie ein Sack feuchter Weizen auf die Felle hinab. Er hatte sich kaum hingelegt, als sich sein Vater umdrehte und das Zelt verließ. Mit ihm verschwanden das Feuer und das Licht, und er hinterließ eine hasserfüllte Leere. So schnell das flackernde Licht durch die Zeltwand verschwunden war, so schnell waren Groas Hände wieder in Eriks Nähe.

      - Nimm mich mit, guter Erik, nimm mich mit dir. Weg von hier. Überall hin werde ich dir folgen und das Beste für dich tun. Lass mich mitkommen. Es wird schon gutgehen. Nicht wahr? Guter, kühner, roter Erik.

      Ihre warmen Hände strichen durch sein Haar und über seine Stirn. Sie taten es mit größtmöglicher Behutsamkeit und Erfahrung. Zugleich sprach sie mit ihrer hastigen


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