Erik der Rote - Schiff und Schwert. Preben Mørkbak

Erik der Rote - Schiff und Schwert - Preben Mørkbak


Скачать книгу
seine fünf Sinne zurück. Jedoch bloß, um die große Erschöpfung in den nun erschlafften Oberschenkeln zu spüren. So lag er mit der allergrößten Ruhe da, als Groa sich über in beugte und ihn mit ihren breiten, weichen Lippen auf die Seite seiner kurierten Nase küsste.

      - Guter, kühner, roter Erik.

      Er stützte sich auf einen Ellbogen und betrachtete sie mit einem nachdenklichen Schmunzeln.

      - Vielleicht nehme ich dich trotzdem mit. Es sieht ja so aus, dass du die kurzen, unschuldig gesummten Lieder kennst, die beim Singen eine große Wirkung entfachen. Man sagt, dass sie insbesondere bei denjenigen Frauen wirken, die das erste Mal gebären.

      Gemeinsam gaben sie ein kleines, einvernehmliches Lachen von sich. Sie teilten ein Geheimnis, dessen deutlichsten Beweis Groa mit unbefangener Eile aus den Fellen entfernte. Sie war gerade damit fertig geworden, als der Vorhang des Zeltes zur Seite geschlagen wurde und sich eine breite Gestalt mit geschmeidigen, katzenartigen Bewegungen in das Zelt schwang. Es war Ulf.

      - Hier hast du mich. Und du sollst wissen, dass ich immer noch bewaffnet bin.

      Groa zog sich in die Dunkelheit zurück, von wo aus sie Torhal sehen konnte, wie er sich durch die Öffnung bückte. Ulf drehte sich irritiert und zornig um.

      - Wenn du mit mir sprechen willst, brauchen wir doch keine Zuhörerschar.

      Genau in diesem Moment wurden sie unterbrochen. Die vier im Zelt hörten alle das Geräusch von polternden Schritten, die auf das Zelt zukamen. Sie wussten, wer jetzt da draußen stand. Und es wurde für sie zur Gewissheit, als Torvald rief.

      - Wer ist bei dir im Zelt Erik?

      Erik brachte kein Wort heraus, bevor Groa in hastigen Bewegungen über ihn hüpfte und zum Ausgang sprang. Sie schlug die Zeltöffnung zur Seite und beugte sich in die Helligkeit zu ihrem Hausherrn hinaus.

      - Ach, du bist es, du kleine Heilerin. Reibst dem Burschen mit was auch immer ein, was?

      Torvald lachte, während Groa bekräftigte, dass Erik Behandlung benötigte, so zerschunden wie er sei. Sie erklärte, dass sie seinen Schlaf erleichtert habe und machte Anstalten, Eriks Zelt zu verlassen. Sie gingen zusammen weg, während die drei im Zelt wieder langsam zu atmen begannen.

      - Nun glaubt er, dass ich allein bin. Und wir können eine Weile offen miteinander sprechen.

      Erik war in seinem Glück gefangen und fuhr fort, ohne die Einwände der anderen abzuwarten.

      - Ulf. Ich bin bei Schild-Bjarne gewesen, wie du weißt. Mein Gesicht und meine Nase wurden gerichtet, und ich bin damit zufrieden. Weit mehr bin ich jedoch mit Schild-Bjarnes Äußerungen zufrieden. Er teilte mir mit, was hier an diesem Ort offenbar keiner hören möchte: Es gibt ein großes freies Feld nördlich der sieben Klippen. Es ist frei und es ist unser, wenn wir ein Haus darauf stellen.

      - So läuft das nicht, Erik. Du weißt genauso gut wie ich, dass dein Vater Thors Feuer zu diesem Ort gebracht hat, und dass die Hochsitzpfeiler uns diesen Platz gewiesen haben. Wir beide wissen sehr wohl, dass die Verehrung des Rotbärtigen durch deinen Vater alles andere übersteigt.

      - Das stimmt. Du hast Recht, aber Schild-Bjarne ist ein ebenso großer Gefährte Thors. Denn es verhält sich so, dass sich Thor in einem Traum an Schild-Bjarne wandte und ihm erzählte, dass das Feuer über den Felsen zu der Wiese getragen werden sollte, die von den sieben Klippen umgeben ist, die ein Zeichen von Thor sind. Das Feuer muss erneut mitgenommen werden, und diesmal nach Norden.

      Erik hatte über seine ereifernde Rede beinahe das Atmen vergessen. Mit strahlenden Augen suchte er in Ulfs Antlitz nach derselben Begeisterung, doch dort war vorwiegend nur Nachdenklichkeit und Sorge zu finden.

      - Wenn Thor wirklich diese Absicht hat, verhält es sich ja ganz anders. Doch es ist ein großer Nachteil, dass Thor nicht in Torvalds Traum mit genau diesem Hinweis aufgetaucht ist.

      Erik hatte vorausgesehen, dass Ulf die Sache auf diese Weise verstehen würde.

      - Ich bin der Ansicht, dass sich Thor an Schild-Bjarne gewandt hat, um sich eines mächtigen Boten zu versichern. Außerdem könnte Thor, indem er durch Schild-Bjarne meinem Vater die frohe Kunde übermitteln lässt, Freundschaft zwischen den beiden entstehen lassen und für Frieden unter Nachbarn sorgen.

      - Dies ist eine gute Nachricht. Thor hat in alles tiefe Einsicht.

      Erik spürte, dass Ulf angebissen hatte.

      - Ich wollte meinem Vater diese gute Neuigkeit überbringen, aber wie du weißt, kamen der Hund und das Schwert dazwischen. Ich wusste bereits während der Fahrt zwischen den beiden Orten, dass mein Vater in dieser Sache schwer zu überzeugen sein würde. Aber du, Ulf, kannst mit ihm über die Sache reden.

      Erik atmete tief ein, bevor er einen erneuten Anlauf nahm.

      - Wenn dir das gelingt, verzichte ich auf die Entschädigung, die ich, wie du weißt, verlangen könnte. Auf die eine oder andere Weise und mit der Kraft, die ich für notwendig erachte.

      Nachdenklich und mit zusammengekniffenen Augen blickte Ulf Erik an.

      - Du klingst wie ein Gode, der auf dem Thing mit Schicksalen und Versprechen handelt. Und der andere Menschen damit umgarnt und sie darin zappeln lässt, da die Aussicht gering ist, sich aus den Fäden zu befreien.

      - Jetzt kapierst du´s, Ulf. Und du merkst auch, dass du dich im Garn verfangen hast. Daher rate ich dir, dass du dich schleunigst selbst auswickeln solltest, indem du mit meinem Vater darüber sprichst.

      - Du verlangst viel, Erik. Du lockst mit noch mehr. Doch am schlimmsten ist es, dass deine wiederhergestellte, stolze Nase jede kleinste Regung aufspürt und du ohne Scham alles ausnutzt, was du bemerkst. Wärst du nicht so stolz, wäre das alles leichter für mich.

      - Sicher wird es schwer, Ulf. Aber das Gelände nördlich der sieben Klippen wird dich dafür umso mehr entschädigen. Denk daran, wenn du gleich zu meinem Vater gehst. Ich merke doch an dir, dass du bereits deinen Entschluss getroffen hast.

      - Ja, aber wenn es mir nicht gelingt, deine Gedanken zum Leben zu erwecken, werde ich selbst derjenige sein müssen, der über sich richtet. Denn das wird dein Vater gewiss nicht tun.

      Mit diesen Worten verließ Ulf das Zelt. Seine Bewegungen waren immer noch wie die einer Katze und beide Zurückgebliebenen im Zelt wussten, dass sie richtig gehandelt hatten. Denn seine Anerkennung würde scharfe Klauen erfordern, die sowohl geschmeidig als auch listig sein müssten.

      Erik und Torhal packten sich gegenseitig mit den Händen an die Köpfe. So saßen sie sich mit leuchtenden, heiteren und von Stolz erfüllten Gesichtern gegenüber, als Torhal zu singen begann:

      Der wütende Hund,

      so wild er auch war

      vermochte nicht Erik

      den Weg zu weisen,

      hinfort vom Hof,

      entfernt vom Vater.

      Mit gewöhnlichem Garn

      siegte Eriks Wille.

      Verblüfft zog Erik seine Hände zurück und versuchte, eine Fassung zu erlangen, die zu seiner Verwunderung und Heiterkeit passen könnte.

      - Bei allen guten Göttern und Thor, ich glaube, du hast einen Schluck von dem Skalden-Met genommen, Torhal. So lange deine Verse meinen Erfolg beflügeln, so lange darfst du singen – wenn wir allein sind. Erheb deine Stimme niemals vor anderen, denn du könntest jemanden verschrecken.

      Sie verharrten in ihrem gegenseitigen Lächeln und teilten ein Geheimnis über sieben prächtige Klippen.

      6

      „Mit seinem Freund

      möge man Freund sein,

      mit ihm und dessen Freund;

      aber mit dem Freund des Feindes

      sollte kein Mann

      Freund sein.“


Скачать книгу