Von Liebe und Hoffnung. Raphaela Höfner

Von Liebe und Hoffnung - Raphaela Höfner


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Holzer erhob sich. »Lieber reagieren wir sofort und mit aller Härte, bevor sie noch einen Aufstand anzetteln. Und noch einen. Und noch einen. Diesen Tag lasse ich mir von denen nicht kaputt machen und wenn ich ihnen eigenhändig mit dem Schlagstock die leere Rübe einschlage!«

      Das Lachen der Parteimitglieder erfüllte den Keller, einige stimmten zu. Die Männer ließen ihre halbvollen Maßkrüge stehen und machten sich sofort auf den Weg.

      Die Straße des Siegeszugs quoll über vor Menschen. Viele waren gekommen, um ihren Triumph zu feiern, die anderen waren hier, um ihn mit allen Mitteln zu zerstören. Winter führte zusammen mit Holzer die erstere Gruppierung an. Als sie die Riederstraße passierten, stellten sich ihnen einige kommunistische Anhänger demonstrativ in den Weg.

      »Hier könnt ihr nicht durch«, begann der Erste, doch kaum waren diese Worte über seine Lippen gekrochen, brannten bei Winter die Sicherungen durch. Er packte seinen Schlagstock und schlug zu. Er traf den Mann an der Schulter, der entsetzt aufschrie und das Weite suchte. Seine Freunde rissen vor Schreck die Augen auf, doch Winter war schneller. Bevor sie abhauen konnten, drosch er noch ein paarmal auf ihre Rücken ein. Jeder Schlag fühlte sich besser an. Richtig. Befreiend.

      Als er wieder ausholte, wurde er plötzlich selbst von den Beinen gerissen. Etwas Hartes hatte ihn am Kopf getroffen und er sackte zusammen. Dann durchfuhr ihn ein stechender Schmerz, und als er nach seinem rechten Oberarm tastete, färbte sich seine Hand rot. Blut. Plötzlich sah er erneut die Klinge vor ihm auftauchen. Bevor sie ihm eine weitere Verletzung zufügen konnte, hatte einer seiner Männer die Situation erkannt und den Angreifer zu Boden gestreckt.

      »Abführen!«, schrie Winter zornig. »Abführen!« Der Mann wurde hochgezerrt und weggebracht.

      Winter rappelte sich auf. Schwindel. Nein, das hier war sein Tag. Sein Siegeszug. Er ließ sich das sicher nicht wegen eines kleinen Kratzers verderben.

      »Du blutest.« Holzer hatte sich durch die aufgebrachte Menge einen Weg zu ihm gebahnt und besah seinen Oberarm. »Die Uniform ist aufgerissen und du hast eine ziemliche Wunde.« Die Uniform! Das durfte nicht sein. Erst wenige Male hatte er sie getragen und schon jetzt war sie zu seinem wertvollsten Schatz geworden.

      »Du musst sofort ins Krankenhaus.« Winter schüttelte den Kopf. Er würde sicher nicht weggehen und seine Feier versäumen. Doch der Arm begann langsam zu schmerzen und wieder wurde ihm schwindelig.

      »Also schön. Ich gehe zu Sedlmayr. Seine Praxis ist nicht weit von hier.«

      »Ich begleite dich. Du solltest jetzt nicht alleine gehen«, bot Holzer an.

      Winter winkte ab und setzte sich in Bewegung. Als er an einem der Kommunisten vorbeiging, spuckte dieser ihm abschätzig vor die Füße. Genug war genug. Winter rief seine Männer zusammen, die ihre Schulterriemen abschnallten, sie als Peitschen verwendeten und mit roher Gewalt auf die Parteigegner losgingen. Jetzt machte sich auch endlich die Polizei nützlich und unterstützte sie nach Kräften mit ihren Gummiknüppeln. Nach wenigen Minuten war der gesamte Platz geräumt, zurück blieb Chaos. Zeitungen lagen zerfetzt auf dem Asphalt, kaputte Flaschen breiteten sich aus, in ihren Scherben glitzerte die Sonne.

      Wenn er sich beeilte und in der Praxis sofort drankam, konnte er noch an der Feier teilnehmen. So schnell es seine Beine erlaubten, marschierte Winter über den Platz, schlängelte sich durch ein paar Straßen und erreichte die Arztpraxis von Dr. Sedlmayr. Ohne sich anzumelden oder im Wartezimmer Platz zu nehmen, riss er die Tür zum Behandlungszimmer auf. Sedlmayr fuhr erschrocken herum.

      »Was zum Teufel …«, begann er.

      »Ich brauche eine Behandlung«, herrschte Winter ihn an. Das Kind, das auf dem Behandlungstisch saß und aus einer Wunde am Kopf blutete, blickte ihn mit angsterfüllten Augen an. Auch seiner Mutter stand der Schrecken im Gesicht, und sie legte den Arm um den kleinen Jungen.

      »Ich bin verletzt. Eine Stichwunde.« Winters Stimme überschlug sich beinahe vor Zorn. Noch wütender machte es ihn, dass Sedlmayr in völliger Gelassenheit aufstand und zu ihm ging. Mit hochgezogenen Augenbrauen besah er seine Wunde.

      »Das ist nichts Lebensbedrohliches. Warten Sie einen Moment vor der Tür. Ich bin gleich für Sie da.«

      Wie bitte! Er hatte als Mitglied der SS wohl das Recht, vor einem Kind an die Reihe zu kommen. Winter wollte protestieren, doch Sedlmayr schob ihn vor die Tür. Nach wenigen Minuten öffnete sich diese wieder und die Mutter trug ihren Sohn auf dem Arm heraus. Als sie an Winter vorbeihuschte, beschleunigte sie ihre Schritte.

      »Was erlauben Sie sich!«, rief Winter, doch der Doktor hob nur die Hand und brachte ihn so zum Schweigen.

      »Ich dachte, Sie sind schwer verletzt. Dann schreien Sie gefälligst nicht so herum. Das Wartezimmer ist voll und nicht jeder braucht Ihren Auftritt mitzubekommen.«

      Fassungslos über diese Frechheit ließ sich Winter auf den Behandlungstisch fallen, zog die Uniformjacke aus und legte seine blutende Wunde frei.

      »Was ist passiert?«, wollte Dr. Sedlmayr wissen.

      »Kommunisten«, sagte Winter, als wäre dies die Antwort auf Sedlmayrs Frage. »Sie haben mich beim Siegeszug überfallen und wollten mich abstechen. Ich habe mich aber gewehrt und so haben sie mich nur am Arm erwischt.«

      Erneut zog Sedlmayr die Augenbrauen nach oben, schwieg aber. Er reinigte die Wunde und nahm sie genauer unter die Lupe.

      »Das muss genäht werden«, stellte er trocken fest. Er drehte sich um, ging zu seinem Arzneischrank und zog mit der Spritze eine Flüssigkeit auf. Nachdem er sie Winter injiziert hatte, begann er mit der Arbeit. Zehn Stiche waren notwendig. Argwöhnisch drehte er den Kopf und musterte seinen Oberarm.

      »Bleiben da Narben zurück?«

      »Gewiss. Aber Sie können sicherlich stolz darauf sein.«

      Winter lächelte breit und mit einem Mal war seine Wut verblasst. Der Tag hatte sich doch als Glückstag entpuppt. Immerhin hatte er eine Stichverletzung erlitten, die von einem Kommunisten stammte. Der Täter war leicht dranzubekommen Er konnte sich auch an die Zeitung wenden, die über den Vorfall berichten würde. Außerdem konnte Helene ihn für seinen Mut bewundern. Sie würde vor Dankbarkeit, dass er überlebt hatte, auf die Knie sinken.

      Sedlmayr war gerade dabei, den Oberarm mit geübten Händen zu verbinden. Als er fertig war, zog Winter sein Hemd über den Kopf, stand auf und schüttelte dem Arzt die Hand.

      »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen konnten. Ich weiß das zu schätzen.«

      Sedlmayr kramte in seinem Schrank herum und wandte ihm den Rücken zu. »Ich hoffe, Ihrer Frau geht es inzwischen besser.«

      »Sie fühlt sich deutlich kräftiger und kann schon etwas mehr im Haus herumlaufen.«

      »Freut mich zu hören.«

      »Auf Wiedersehen, Herr Doktor.«

      »Auf Wiedersehen, Herr Winter.« Er war sich sicher, dass Sedlmayr mit Absicht verweigerte, ihn bei seinem Dienstgrad zu nennen. Als würde ein einfaches Herr Winter bei ihm ausreichen.

      Winter verließ die Praxis und schlenderte durch die geräumten Straßen. Die SA hatte die Oberhand behalten, so wie es sein sollte. Auf dem Weg zurück zur Kanzlei traf er auf Holzer.

      »Wie geht es dir, Erich? Ist alles in Ordnung?« Die Besorgnis war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören. Winter hasste es, wenn er diese Art von Aufmerksamkeit erhielt. Sorge. Mitleid.

      »Alles gut.« Er winkte ab. »Wie ist die Feier gelaufen?«

      »Die SA ist gerade dabei, ein paar Wohnungen zu durchsuchen. So können wir die Kommunisten entlarven. Stell dir vor, der Bürgermeister ist auf uns zugekommen, um sich zu beschweren.« Dicke Flocken wirbelten vom Himmel und setzten sich auf Winters Hut und seine Uniform. »Er war völlig außer sich und war doch tatsächlich der Meinung, dass wir zu hart vorgegangen wären.« Winter konnte nicht anders. Er brach in schallendes Gelächter aus und verstummte erst, als der Schmerz in seinem Oberarm zu groß wurde.

      »Du machst


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