Athanor 4: Die letzte Schlacht. David Falk

Athanor 4: Die letzte Schlacht - David  Falk


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Fenstergitter, doch jetzt wurde es nur von einer Kerze erhellt. Offenbar hatte der Erste hier gesessen und gelesen, sonst hätte sie nicht mehr gebrannt.

      »Wer hat euch angegriffen?«

      Leones machte eine vage Handbewegung. »Wegen des Nebels konnten wir sie nicht genau sehen, aber ich glaube, dass es Untote waren.«

      »Untote?« Theremon runzelte die Stirn. Wie Leones hatte er vor Theroia gekämpft, hatte dort Freunde und Kameraden verloren – und seinen Greif. Die Chimäre war in den Flammen des untoten Drachen verbrannt.

      »Sie müssen unter Wasser gelauert haben, und nachdem sie Wildfang geschnappt hatten, hielten sie ihn fest, ohne nach oben zu kommen«, berichtete Leones. »Wenn sie atmen würden, hätten sie niemals so lange dort ausharren können.«

      Die steilen Falten zwischen Theremons Brauen wurden immer tiefer. Obwohl der Erste noch längst nicht das Alter dafür hatte, waren sie stets da – als hätte er von Kindesbeinen an Tag für Tag gegrübelt oder gar Schmerzen erlitten. Selbst wenn er lächelte, verliehen sie ihm einen grimmigen Ausdruck, und er lächelte fast nie. »Könnten es nicht irgendwelche Nymphen gewesen sein? Oder Flussmänner?«

      Leones zögerte. Von Nymphen und Wassermännern verstand er nichts. Er hatte stets fern von großen Flüssen und Seen gelebt und kannte diese Wesen nur aus Geschichten. »Sagt man Nymphen nicht nach, ihre Opfer mit Zauberei zu umgarnen?« Außerdem sollten sie sehr anmutig sein. Energisch schüttelte er den Kopf. »Nein, das waren hässliche, dunkle Gestalten, und es waren verdammt viele. Um uns herum waren die Tümpel voll von ihnen.«

      »Es gab nie viele Menschen in den Sümpfen. Wo sollten die Leichen also herkommen?«, zweifelte Theremon.

      »Aber sie waren da! Allein schon diese gespenstische Stille … Nur Untote greifen so lautlos an.«

      Mit feindseliger Miene kam der Erste um seinen Schreibtisch herum. In seinen Bewegungen lag etwas Lauerndes, so als ob er Leones jeden Moment anfallen würde. »Der Menschenkönig hat die Untoten gebannt. Er hat sie zurück ins Nichts geschickt. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sie gehorsam in ihre Gräber gewankt sind.«

      Ja, und? Leones hatte es ebenfalls gesehen, aber was änderte das? »Vielleicht handelt es sich um ein anderes Volk.«

      Theremon baute sich vor ihm auf und deutete auf ihn. »Ich sag es dir jetzt geradeheraus: Ich traue dir nicht. Ich stand daneben, als Kavarath sein Geständnis abgelegt hat. Woher weiß ich, dass du seine Intrigen nicht weiterspinnst? Wer garantiert mir, dass du Danaels Greif nicht irgendwelchen dunklen Mächten geopfert hast, um neues Unheil heraufzubeschwören?«

      Einen Moment lang war Leones sprachlos. Er hatte geahnt, dass sie ihn für einen Verräter hielten. Schließlich war er genau das. Doch diese Vorwürfe … Er rang nach Worten. »Danael hat alles gesehen. Er …«

      »… ist halb tot«, schnappte Theremon. »Du solltest hoffen, dass er bald aufwacht und dich entlastet. Bei allen Astaren, du bist der einzige verbliebene Fernspäher. Ich sollte dich bei Sonnenaufgang ausschicken, um mehr über diese Untoten zu erfahren, aber wie soll ich dir unter diesen Umständen vertrauen?«

      »Das weiß ich nicht«, erwiderte Leones kalt. Innerlich zitterte er vor Wut und wandte sich rasch ab. »Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich muss mich um Sturmlöwe kümmern.«

      * * *

      In der Morgendämmerung schreckte Athanor aus einem Albtraum auf. Überall hatten Flammen gewütet, und Elanya hatte um Hilfe geschrien. Doch das Schlimmste war der große schwarze Schatten gewesen, in dessen Klauen sie sich gewunden hatte. Hadons Fluch! Er konnte nur wünschen, dass die elfischen Legenden der Wahrheit entsprachen und Elanyas Seele in dieses Ewige Licht gegangen war – bevor es der Riese zerstört hatte. Aber was war dabei mit den Seelen der Elfen geschehen? Athanor entwich ein Knurren. Er hatte genug davon, sich für jedes Unheil der Welt verantwortlich zu fühlen. Das Ewige Licht ging ihn nun wirklich nichts an.

      Als er aufstand, pochte es in seinem Schädel wie nach einer durchzechten Nacht. Durch die Wunde auf der Stirn fuhren scharfe Stiche wie von einer Nadel, doch er hatte schon Übleres ausgestanden. »Ist der Himmel bedeckt?«, erkundigte er sich bei Akkamas, der bereits angezogen an einem der Fenster stand.

      »Dunstiger denn je. Aber die Sonne scheint ohnehin noch hinter den Gipfeln verborgen zu sein.«

      »Hast du auch den Eindruck, dass sie schwächer wird?«, fragte Athanor, während er sich anzog. Mit dem vernarbten Arm war es noch immer nicht leicht. Die Haut spannte nicht nur über dem Ellenbogen, aber dort am meisten. Kurzerhand rieb Athanor sie mit dem elfischen Duftöl ein, das neben der Waschschüssel stand, und hoffte, dass es sie geschmeidiger machte.

      »Betörend«, spottete Akkamas. »Du riechst wie ein Jasminbusch in voller Blüte.«

      »Dann halt mir besser die gefräßigen Pferde vom Leib«, brummte Athanor und ging in den Garten hinaus. Orkzahn lag noch schnarchend unter einer großen Linde, aber einige Elfen waren bereits auf den Beinen. Sie bewegten sich jedoch wie Schlafwandler und schenkten ihnen keine Beachtung.

      Ungeduldig lief Athanor vor Peredins Gemächern auf und ab und wartete darauf, dass ihn der Erhabene hereinbat. Durch die Fenster hatte man ihn sicher längst gesehen. Bleibt er aus Verzweiflung im Bett liegen, oder was? So konnte es nicht weitergehen. Gerade als er beschloss, ungehalten an die mit geschnitzten Blumenranken geschmückte Tür zu klopfen, öffnete sie sich, und Peredin hastete über die Schwelle. Mit einem Nicken wollte er an Athanor vorübereilen.

      Das kann doch nicht wahr sein! Entschieden schnitt ihm Athanor den Weg ab. »Erhabener, ich muss Euch unbedingt sprechen.«

      Peredins Gefolge warf ihm finstere Blicke zu.

      »Ich bedaure, Athanor, aber Ihr begreift nicht, was gestern geschehen ist. Mein Volk ist dem Untergang geweiht. Der Hohe Rat muss schnellstens herausfinden, ob es noch Rettung für uns gibt«, erklärte der Erhabene und hastete weiter.

      Athanor wollte ihn am Arm festhalten, doch ein anderer Elf packte sein Handgelenk mit eisernem Griff.

      »Du wirst den Erhabenen nicht anfassen, Mensch!«

      Einen Moment lang starrte Athanor dem Fremden in die Augen. Da war er wieder – dieser Blick, der ihm sagte, dass er ein unreines, haariges Tier war. Widerwillig geduldet, bis es einen Grund lieferte, es endlich zu beseitigen. Wütend riss er sich los und wich zurück, bevor ihm die Faust ausrutschen konnte. Denn Omeon hatte recht. Gegen den Dunklen würden sie nur gemeinsam bestehen – falls es nicht längst zu spät war.

      Der Fremde schoss ihm einen letzten bösen Blick zu, bevor er Peredin eilig folgte.

      »Ist es Gesandten anderer Völker nicht gestattet, dem Hohen Rat ihre Anliegen vorzutragen?«, erkundigte sich Akkamas.

      »Ich bin nicht sicher«, gab Athanor zu. »Aber heute werden sie gewiss niemanden anhören. Alles dreht sich um dieses Ewige Licht.«

      »Dann warten wir bis morgen?«

      »Dafür fehlt uns die verdammte Zeit! Die Flüchtlinge könnten die Küste schon erreichen, und die Elfen werden sie nicht willkommen heißen. Nicht einmal in Sianyasa, das meine einzige Hoffnung war.«

      »Was befürchtest du?«

      »Dass die Grenzwächter ihren Zorn über die Wiedergänger an ihnen auslassen. Sie hassen Menschen. Wäre Elanya nicht gewesen, hätte mich Davaron schon bei unserer ersten Begegnung getötet. Ich durfte die Elfenlande nur betreten, weil sie mehr über die Vernichtung der Menschen erfahren wollten.«

      »Und dieser Erhabene könnte verfügen, sie als Gäste zu behandeln«, folgerte Akkamas. »Dann sollten wir ihm …«

      Athanors Aufmerksamkeit schweifte ab, als jemand aus einer anderen Tür des Anwesens trat. Der Waffenrock aus mehreren Lagen Rohseide und die strengen Züge waren unverkennbar. »Mahalea!«

      Die Elfe warf ihm nur einen geringschätzigen Blick zu und wollte davongehen.

      »Kommandantin!«, rief Athanor


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