Athanor 4: Die letzte Schlacht. David Falk

Athanor 4: Die letzte Schlacht - David  Falk


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Unglück!«, schrie jemand empört.

      »Wer weiß, was sie uns noch antun werden!«, stimmte eine Kriegerin ein.

      »Menschen sind Meuchler! Deshalb dürfen sie unser Land nicht betreten!«, rief ein Grenzwächter, der zu den selbsternannten Henkern übergelaufen war.

      »Macht euch nicht lächerlich!«, brüllte Mahalea. »Diese in Lumpen gehüllten Jammergestalten sollen eine Bedrohung sein? Wo ward ihr ach so tapferen Krieger, als der Gigant das Ewige Licht auslöschte? Wo ward ihr, als andere für euch in Theroia gegen ein Heer von Untoten kämpften? Lieber mordet ihr Kinder und Schwangere? Ihr seid eine Schande für euer Volk!«

      Einige wichen beschämt zurück, andere blickten finster, aber nur einer hatte den Mut, etwas zu entgegnen. »Wenn die Grenzwache versagt, müssen wir uns eben selbst verteidigen!«

      »Ihr solltet lieber hoffen, dass ihr nicht bald einen echten Grund habt, um zu den Waffen zu greifen«, gab Mahalea erstaunlich kühl zurück. »Die Grenzwache ist hier und bringt diese Gefangenen nach Anvalon. Der Hohe Rat wird über ihr Schicksal entscheiden. Geht nach Hause und haltet nach wahren Bedrohungen Ausschau!«

      »Der Everos ist Amea-Gebiet«, protestierte der Krieger, der eine mit Perlmutt verzierte Rüstung trug. »Wir werden erst umkehren, wenn sie keine Töchter und Söhne Ameas mehr gefährden können.«

      »Ihr seid freie Elfen und könnt gehen, wohin ihr wollt«, gab Mahalea zu. »Aber ich warne euch. Haltet eure Waffen von diesen Gefangenen fern! Ihr werdet unter den Augen der Grenzwache nicht wider das Sein freveln!«

      * * *

      Erst als keine Speere mehr auf sie gerichtet waren, atmete Laurion auf. Nur widerwillig wichen die Amea-Krieger zurück. Fröstelnd schlang er die Robe enger um sich, die an der Schulter vom getrockneten Blut steif geworden war. Lag es am Wundfieber, oder war dieses Land so kalt wie seine Bewohner?

      »Lang lebe der Kaysar!«, rief jemand, als Athanor auf sie zukam.

      »Unser Retter!«, jubelte Sirkit, und andere stimmten mit ein.

      »Wird ja auch Zeit«, murrte Laurion leise. Immerhin hätten sie ihn beinahe erschossen, und Mentes war tot. Dass Nemeras Lächeln für Athanor dennoch die Sonne überstrahlte, presste ihm das Herz zusammen.

      »Es tut gut, Euch lebend wiederzusehen, Herr.« Wie es ihr als Regentin zukam, verneigte sich Nemera vor dem Kaysar. »Wir waren erleichtert, als wir hörten, dass Ihr schon eingetroffen seid.«

      »Ich bedaure, was Ihr durchmachen musstet«, versicherte Athanor und umarmte sie kurz, ohne jede Wärme. Sah sie denn nicht, dass dieser Mann nur Pflichtgefühl für sie empfand? Verächtlich verzog Laurion den Mund. Um das Lager mit ihr zu teilen, reichte es natürlich.

      »Ich wollte Euch in Sianyasa erwarten, aber dann ereilte uns die Nachricht von einem gewaltigen Riesen, der die Hauptstadt der Elfen zu verwüsten drohte«, erklärte Athanor.

      »Wir wurden schrecklich behandelt«, beklagte sich Nemera. »Wären Laurion und Mahanael nicht gewesen, hätten sie uns gestern alle ermordet! Nur dank des magischen Winds in unseren Segeln konnten wir entkommen.«

      Athanor wandte sich dem Elf zu, der als Verräter mit ihnen gefangen genommen worden war. Auch ihn schloss er kurz in die Arme. »Wie es aussieht, hast du Leben und Seele für sie riskiert. Dafür werden wir dir nie genug danken können. Wenn ich irgendetwas tun kann, um dein Leid zu lindern, lass es mich wissen! Ich stehe tief in deiner Schuld.«

      »Niemand kann die Toten meines Volks wieder lebendig machen«, erwiderte Mahanael ernst. »Deine Hilfe gegen unsere Feinde ist mir Dank genug.«

      »Ich werde Peredin weitere Unterstützung anbieten, wenn er unseren Freunden im Gegenzug freies Geleit gewährt«, versprach der Kaysar.

      »Das ist das Mindeste, was wir Elfen dir schulden. Ich schäme mich dafür, wie dein Volk aufgenommen wurde.«

      Die strenge Elfenherrin, mit der Athanor hergekommen war, näherte sich, ohne den Flüchtlingen Beachtung zu schenken. »Meine Leute haben genaue Anweisungen erhalten, wie mit diesen Gefangenen zu verfahren ist«, teilte sie dem Kaysar in ruppigem Ton mit. »Darüber hinaus habe ich angeordnet, nach den drei übrigen Schiffen Ausschau zu halten und sie gegebenenfalls umgehend nach Anvalon zu eskortieren. Damit habe ich meinen Teil der Vereinbarung erfüllt. Nun erfüllt Euren und lasst uns umgehend nach Anvalon zurückkehren.«

      »Ihr wollt uns schon wieder verlassen?«, entfuhr es Nemera entsetzt.

      »Die Kommandantin wird dringend im Hohen Rat benötigt«, erklärte Athanor bedauernd. »Und ich muss den Erhabenen davon überzeugen, uns endlich als Verbündete in diesem Krieg zu betrachten.«

       Krieg? Sind wir etwa vom Skorpion auf die Natter gestolpert?

      Die Regentin hob anklagend die Hände. »Aber diese Krieger haben uns …«

      »Sie werden Euch ab jetzt besser behandeln«, fiel der Kaysar ihr ins Wort, bevor er sich wieder an die Elfenherrin wandte. »Eine Forderung habe ich allerdings noch: Ich erwarte, dass sich Eure Heiler der Verwundeten annehmen. Wenn es noch mehr Tote gibt, betrachte ich unsere Vereinbarung als gebrochen.«

      Die Kommandantin streifte die Flüchtlinge mit einem angewiderten Blick. »Ich werde es befehlen, obwohl mir die Vorstellung nicht behagt. Aber wagt es nicht, Wiedergutmachung für diesen Toten zu fordern! Sie waren es, die ohne Erlaubnis bei uns eingedrungen sind.« Abrupt wandte sie sich ab, um noch einmal mit den Grenzwächtern zu sprechen.

      »Habt keine Sorge, sie werden euch nichts mehr antun«, behauptete Athanor an die Dionier gewandt. »Ich sorge dafür, dass man euch in Anvalon als Gäste empfängt.« Ohne auf eine Antwort zu warten, ging er zu dem Drachen zurück, der schweigend alles beobachtet hatte.

      Nemera schien zu bestürzt, um etwas zu erwidern. Mit bleichem Gesicht sah sie zu, wie Akkamas eine Schwinge senkte, um dem Kaysar und der Kommandantin einen würdevollen Weg auf seinen Rücken zu bereiten.

      Ich war ihm nicht einmal einen Blick wert. Laurion spürte Enttäuschung und ärgerte sich über sich selbst. Vom ersten Tag an hatte ihn der Kaysar als dummen Jungen betrachtet. Magie war für Athanor nur ein notwendiges Übel. Mit leeren Versprechungen hatte er sie über den Ozean gelockt, und nun ließ er sie mit diesen Mördern allein. Wie aufs Stichwort schwang sich Akkamas in die Luft. Nicht einmal Rhea winkte dem Kaysar nach, während der Drache allmählich gen Horizont verschwand. Laurion sah sich um. Die Amea-Krieger starrten ihn hasserfüllt an.

      4

      Leones schleppte Sturmlöwe einen Eimer Wasser hinauf und setzte sich zu ihm. Der Greif trank wie eine Katze, indem er sich das Wasser mit der Zunge ins Maul löffelte. Es sah schrecklich umständlich aus und schien für die paar Tropfen, die in seinem Schlund ankamen, kaum den Aufwand zu lohnen, aber als Leones wieder hineinsah, war der Eimer fast leer. Grummelnd streckte sich Sturmlöwe auf dem Wehrgang aus und schlief augenblicklich ein. Seine Pranken zuckten, als ob er im Traum noch einmal nach der Mauerkrone hangelte.

      Obwohl Die Faust vom Nordturm aus Wache hielt, ließ auch Leones den Blick über die mondbeschienene Landschaft schweifen. Hatten sich die Wiedergänger nur gegen einen vermeintlichen Angreifer verteidigt, oder waren sie ihnen gefolgt? Doch selbst wenn sie Sturmlöwe nachgelaufen waren, konnten sie im Sumpf nicht schnell vorangekommen sein. Für die Strecke, die der Greif zurückgelegt hatte, benötigte man zu Fuß sicher vier, vielleicht sogar fünf Tage.

      Unten tappten Schritte über den Hof, dann klopfte jemand gegen Holz, und eine Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen. Leones bildete sich ein, Stimmen aus Theremons Arbeitszimmer zu hören, denn außer dem Ersten und dem Heiler waren nur Die Faust und er auf Nehora. Sicher ging es um Danaels Zustand. Hoffentlich wachte er bald auf. Unruhig erhob sich Leones und wanderte den Wehrgang auf und ab. Wie konnte ihm Theremon etwas so Ungeheuerliches unterstellen? Selbst wenn er gewusst hätte, wie man Untote beschwor, hätte er es niemals getan. Er war nicht Kavarath, nur zufällig entfernt mit ihm verwandt. Und doch hatte er sich an dessen Verschwörung beteiligt, hatte Kavaraths


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