Athanor 4: Die letzte Schlacht. David Falk

Athanor 4: Die letzte Schlacht - David  Falk


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Seelenfängern in die Schattenwelt verschleppt, aus der es kein Entrinnen gibt. Dort verblasst die Seele, bis sie die letzte Erinnerung verlässt. Nichts bleibt von ihr übrig.«

      »So ergeht es uns Menschen seit jeher, und dennoch wurden uns Kinder geboren«, gab Athanor zu bedenken.

      »Elfen sind keine Menschen«, beschied ihm Mahalea knapp. »Ihr hattet nie ein Ewiges Licht.«

      Athanor zuckte mit den Achseln. Wenn sie unbedingt schwarzsehen wollte, war das nicht sein Problem. Aber vielleicht hatte sie recht. Elfen waren keine Menschen. Sie lebten ungleich länger und wirkten eine Magie, die Menschenmagiern offenbar verschlossen blieb. Waren sie tatsächlich zum Aussterben verurteilt? Eine Spur Genugtuung konnte er nicht leugnen. Sie hatten wenig Mitgefühl für die Menschen gezeigt, doch durch das Eintreffen der Flüchtlinge gab es für Theroia wieder Hoffnung.

      Akkamas stieß ein Grollen aus, das nach Bedauern klang. »Ich wünsche Eurem Volk, dass die Lage weniger verzweifelt ist, als sie scheint.«

      Wortlos starrte Mahalea auf Anvalon hinab, während sie den Südpass überflogen. An den Hängen erhoben sich die schlanken, weißen Türme, in denen die Abkömmlinge Heras lebten. Sie liebten es, dem Himmel nah zu sein, und ihre Magie bewahrte die filigranen Gebäude vor Sturm und Verfall. Nicht weit von den Türmen entfernt wölbte sich die Kuppel der weißen Ratshalle. Obwohl es Abend wurde, standen dort viele Elfen beisammen. Einige entfernten sich jedoch in kleinen Gruppen, was darauf hindeutete, dass die Ratssitzung zu Ende war.

      »Wo soll ich landen?«, fragte Akkamas.

      »Bei Peredins Amtssitz«, antwortete Mahalea. »Ich muss mich für meine Abwesenheit im Rat entschuldigen«, setzte sie mit einem vorwurfsvollen Seitenblick auf Athanor hinzu, »und in Erfahrung bringen, was ich versäumt habe.«

      Von oben sah der Palast der Abkömmlinge Ardas wie ein weiterer Wald zwischen den Gärten und Hainen des Tals aus. Nur das silbrige Laub der Bäume unterschied sich von dem der meisten anderen. Während die Abkömmlinge Piriths mit einem Dach aus poliertem Kupfer prunkten, das dank ihrer Magie niemals Grünspan ansetzte, und die Töchter und Söhne Ameas ihr Anwesen mit Goldried gedeckt hatten, wirkte Peredins Amtssitz geradezu schlicht.

      Akkamas landete vor dem größten Tor. Im ersten Moment erschraken einige Elfen, doch dann erinnerten sie sich wohl daran, was sie über einen verbündeten Drachen gehört hatten. Dass Mahalea von seinem Rücken sprang, tat das Übrige. Aus Richtung der Ratshalle eilten jedoch aufgeregte Elfen herbei. Den braunen und grünen Gewändern nach zu urteilen, waren es Abkömmlinge Ardas, die an der Ratssitzung teilgenommen hatten.

      »Was ist passiert?«, rief ihnen Mahalea entgegen.

      Athanor erkannte Peredins Sohn, Beneleas, an der Spitze der kleinen Gruppe. Nur ein leichtes Hinken verriet, dass er beim Kampf gegen den Giganten verletzt worden war. »Der Hohe Rat ist im Streit auseinandergegangen.«

      »Im Streit?«, empörte sich Mahalea. »Wie können sie sich ausgerechnet jetzt entzweien? Wir sind so angreifbar wie nie!«

      »Es geht um eine heikle Frage«, gab Beneleas zu. »Ich weiß selbst nicht, was ich davon halten soll.«

      »Wovon?«, hakte Mahalea nach.

      »Mein Vater will die Elfenlande verlassen.«

      * * *

      Laurion spürte nur Wärme und ein leichtes Stechen in der Schulter, doch das Raunen der Dionier hinter seinem Rücken verriet ihm, wie schnell sich die Wunde unter der Hand des Heilers schloss. Auf der alten Ordensburg hatte ihm die Elfenmagie das Leben gerettet. Ohne Meriothins Hilfe wäre er nicht mehr in der Lage gewesen, die Donnervögel zu rufen und ihnen damit die Zeit bis zu Akkamas’ Eingreifen zu erkaufen. Diese Heiler vollbrachten Unglaubliches. Sogar Nemera, die selbst an jenem Tag geheilt worden war, konnte die Augen nicht von diesen Wundern abwenden. Innerhalb weniger Augenblicke verwandelte sich das Loch in Emmos’ Arm in eine leicht gerötete Narbe. Schon bald würde sie kaum noch zu sehen sein.

      Als Laurions Fieber sank, kehrte seine Kraft zurück. Erleichtert dankte er dem Elf, doch der ging wortlos davon. Er hatte wohl nur seine Pflicht erfüllt. Überhebliches Pack! Dass Laurion die eigene Magie neben der ihren minderwertig vorkam, machte es nicht besser.

      »Keiner von ihnen kann alles zaubern.«

      Verblüfft sah er zu Rhea hinab. Las sie etwa seine Gedanken?

      »Jeder hat seine eigene besondere Magie. Genau wie wir.«

      »Du bist sehr klug, Rhea«, lobte Laurion. »Aber ich will nicht, dass du ungefragt meine Gedanken mithörst. Das ist sehr unhöflich.« Kennt sie etwa auch meine Gefühle für Nemera?

      »Aber …«

      »Kein Aber. Stöber lieber in den Köpfen der Elfen! Dann wissen wir wenigstens, was sie vorhaben.«

      »Dazu müsste ich aber meine Stirn an ihre legen. Soll ich?«

      »Um Kaysas willen, nein!« Womöglich fühlten sich die Mistkerle sofort wieder bedroht. »Wir sollten uns einfach ruhig und unauffällig verhalten.«

      Schmollend schob das Mädchen die Unterlippe vor, nickte dann aber doch. Immerhin zog ein Teil der Amea-Krieger ab und fuhr ernüchtert stromabwärts, gen Everea. Zurück blieben zwei Schiffe – eins, das Ameahim der Grenzwache geliehen hatte, und eins für die eigenmächtigen Krieger, die sich weigerten umzukehren. Einige Grenzwächter waren zu Pferd unterwegs und zwei sogar auf Greifen. Mit den großen Adlerköpfen und ihren breiten Schwingen erinnerten sie Laurion an Donnervögel, doch die Körper und Beine ähnelten denen von Löwen. Ob ihre Reiter mit ihnen sprachen, wie er sich mit den Donnervögeln verständigte? Wenn die Elfen nicht so abweisend gewesen wären, hätte er sie gern dazu befragt.

      »Du, Sohn Thalas«, blaffte der Anführer der Grenzwächter Mahanael an. »Wie hast du die Schiffe gegen den Strom vorwärtsgebracht?«

      »Mit Windmagie«, erwiderte Mahanael knapp. Seine Miene verriet nicht, was er über den rothaarigen Elf dachte, dessen golden glänzende Augen wie die eines Drachen aussahen.

      »Kannst du damit weitermachen? Ich will nicht noch mehr Abkömmlinge Ameas um Hilfe bitten müssen«, gab der Grenzwächter zu. »Ich traue ihnen nicht genug.«

      Mahanael nickte ernst. »Eine Weile kann ich den Zauber noch aufrechterhalten.«

      »Aber keine Tricks!«, warnte der Drachenäugige. »Zwei von meinen Leuten werden die Boote steuern, und die Menschen teilen wir unter …«

      Laurion hörte nicht mehr zu, denn Rhea zerrte heftig an seiner Robe und deutete zu den Schiffen. Während die Blicke der Elfen auf ihren Anführer und die Gefangenen gerichtet waren, hatte sich hinter ihnen eine einsame Gestalt erhoben und einen Speer von der Kemethoë geholt. Die Locken, die wie zornige Schlangen von seinem Kopf abstanden, verrieten Mentes. Mit erhobener Waffe rannte er stumm auf die Amea-Krieger zu.

      »Vorsicht!«, schrie Laurion und zeigte auf den Wiedergänger. Verwundert wandten sich die Elfen um. Zu spät. Der Krieger, der Mentes am nächsten stand, drehte sich zwar mit gezückter Klinge um, doch schon steckte die Speerspitze in seiner Kehle. Überrascht brüllten und schrien plötzlich alle durcheinander. Etliche Gegner stürzten sich auf Mentes. Ihre Waffen fuhren in den untoten Leib, hinterließen klaffende Wunden, aber kein Blut rann heraus. Ungläubig beobachteten die Grenzwächter das Gemetzel. Mentes war nun so dicht umringt, dass er den Speer nicht mehr einsetzen konnte. Er ließ ihn fallen und rang mit einem der Gegner um dessen Schwert. Als ob es die Klingen und Speerspitzen in seinem Körper nicht gäbe, biss er dem entsetzten Elf in den Arm.

      Dieser Wahnsinnige! Sie werden uns alle umbringen! »Wir können nichts dafür«, beteuerte Laurion dem Drachenäugigen. »Er will sich nur an seinen Mördern rächen.«

      Der Elf betrachtete ihn skeptisch, aber vielleicht glaubte er ihm doch. »Einen Ring um die Gefangenen!«, fuhr er seine Leute an. »Bildet einen Ring! Niemand setzt sich über den Befehl der Kommandantin hinweg! Du bleibst bei mir«, beschied er Laurion und zerrte ihn am Ärmel mit sich, fort von Rhea und den anderen.

      Glaubt


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