Athanor 4: Die letzte Schlacht. David Falk
untadelige, gute Held. Und schneidig anzusehen obendrein. Mahaleas kratzbürstige Art war sicher genau nach Akkamas’ Geschmack. Eine kleine Herausforderung nebenbei. Dann wollen wir es dir mal nicht zu einfach machen. »Glaubst du, dass du den untoten Riesen auch allein überwunden hättest?«
Irritiert sah sich Mahalea nach Athanor um. »Habt Ihr nicht gesagt, dass es allein sein Verdienst war?«
»Ich rede nicht von mir.«
»Der Kaysar spielt auf den Geist eines toten Drachen an, der uns zu Hilfe gekommen ist«, erklärte Akkamas. »Und ich fürchte, dass Eure Elfenmagier und ich ohne diese Unterstützung bald unterlegen wären. Mein Feuer allein hätte nicht ausgereicht, um sein aufgeschwemmtes Fleisch so großflächig in Brand zu setzen.«
»War es wirklich nur einer?«, hakte Athanor nach. »Ich frage mich nämlich, ob wir diese verfluchten Kletten mit über den Ozean gebracht haben.«
»Ich bin sicher, dass es lediglich einer war«, antwortete Akkamas. »Ich glaube, die Gegenwart meiner Schwester Berekket gespürt zu haben.«
Der einzige Drache, der sich dem Verrat an Theroia verweigerte. Und dafür starb. Athanor fand keine Worte dafür, was sein Freund dabei empfinden musste.
»Aber das bedeutet nicht, dass wir vor Verfolgern sicher sind«, gab Akkamas zu. »Ich verstehe zu wenig von Geistern, um es beurteilen zu können.«
»Dann seid Ihr mit diesen anderen Menschen vor Geistern geflohen?« Mahaleas Ton verriet, dass sie an solche Gespenster nicht glaubte.
»Jedenfalls nehmen wir an, dass es die Geister toter Drachen sind«, schränkte Akkamas ein. »Das Gefährliche an ihnen ist ja, dass wir sie nicht sehen.«
»Sie speien verdammt heiße Flammen, und fliegen können sie auch!«, fuhr Athanor auf. »Was zum Dunklen sollen sie sonst sein?«
»Wie dem auch sei«, sagte Mahalea. »Nun seid Ihr hier und stehlt meine Zeit.«
»Ich werde Euch daran erinnern, wenn Ihr mal wieder meine Hilfe braucht.«
»Davor mögen uns sämtliche Astare bewahren.«
»Ist das der Everos?«, fragte Akkamas so beiläufig, als hätte er den Streit nicht bemerkt.
Mahalea sah auf die hügelige Landschaft hinab, durch die sich ein breites silbriges Band schlängelte. »Ja, das ist er. Folgt einfach dem Fluss! Er führt uns direkt nach Everea, von wo aus meine Leute ihre Spähflüge wieder aufnehmen sollen.«
»Wurde die Stadt auch von der Flutwelle getroffen?«, erkundigte sich Athanor.
»Nein, sie liegt weit genug von der Küste entfernt.«
Mehr einfühlsame Fragen wollten ihm nicht einfallen. Wenn Mahalea kein Mitleid kannte, würde er sie mit Freundlichkeit auch nicht erweichen. Schweigend starrte er auf den Fluss hinab und hing düsteren Gedanken über ihren Gegner nach. Sollte der Dunkle die Elfenvölker durch diesen heimtückischen Angriff bereits besiegt haben, bevor sie begriffen, dass sie sich im Krieg befanden? Würden sie überhaupt noch kämpfen, wenn sie alles verloren glaubten? Er musste mit diesem Omeon sprechen, um mehr zu erfahren. Erst dann würde er Peredin von einem Bündnis überzeugen können.
Im ersten Augenblick hielt er den weißen Fleck über dem Fluss für eine ungewöhnlich niedrig hängende Wolke, doch irgendetwas an der Form erregte seine Aufmerksamkeit. Schon waren sie ein Stück näher, sodass er das Gebilde besser erkennen konnte. Für eine Wolke war es an einigen Stellen zu kantig.
»Ah, eine der Luftbarken, mit denen Euer Volk einst die Orkheere das Fürchten lehrte«, rief Akkamas.
»Wohl eher ein gefundenes Fressen für Drachen«, spottete Athanor.
Mahalea warf ihm einen bösen Blick zu, bevor sie sich wieder Akkamas zuwandte. »Diese Barke sollte nicht hier sein, sondern die Küste abfliegen. Ich muss wissen, warum sie gegen meine Befehle verstößt.«
Hinter der fliegenden Barke kamen am Ufer mehrere Schiffe in Sicht. Eines unterschied sich in seiner Form von den Elfenbooten, ein anderes besaß ein aus unterschiedlichen Farbtönen zusammengestückeltes Segel. Athanor merkte auf. »Das ist die Kemethoë! Und die Kaysas Segen! Eure Leute haben die Dionier gestellt!«
Allmählich kamen sie nah genug, um neben den angelandeten Schiffen etliche Gestalten zu erkennen. Doch selbst auf der Barke schienen alle zu sehr von den Geschehnissen am Boden gefesselt, um den nahenden Drachen zu bemerken.
»Dann sind sie weit gekommen«, ärgerte sich Mahalea. »So etwas darf uns nicht mehr passieren!«
Am Ufer konnte Athanor nun mehrere Gruppen unterscheiden. Einige Bewaffnete hielten die Flüchtlinge in Schach, die sich ängstlich zusammendrängten. Zwischen den anderen Elfen schien es jedoch Streit zu geben, denn sie standen sich unverkennbar drohend gegenüber. Gerade als Athanor anfing, zornige Stimmen zu hören, entdeckte jemand am Boden den Drachen und schrie eine Warnung. Alle Blicke richteten sich auf Akkamas. Auch die Besatzung der Barke fuhr aufgeschreckt herum.
»Nicht schießen!«, rief Mahalea. »Ich befehle Euch, unverzüglich zur Küste zurückzukehren und sie zu sichern! Was fällt euch ein, von meinen Anweisungen abzuweichen? Der nächste Riese könnte bereits gen Anvalon stampfen!«
Verdattert starrte die Mannschaft ihre Kommandantin und den Drachen an, der auf Augenhöhe vor ihnen in der Luft stand.
»Ihr habt gehört, was sie gesagt hat«, brüllte ein Elf im Heck. »Abdrehen! Kurs auf Everea!«
»Aber wir haben doch nur …«, begann ein anderer an Mahalea gerichtet.
»Schon zwei Giganten haben unser Land verwüstet!«, brüllte sie. »Sollen es mehr werden, während ihr ein paar harmlose Menschen jagt?«
Harmlos. Aha. Darauf kommen wir zurück.
Der Elf blieb die Antwort schuldig, und die Barke nahm rasch Fahrt auf. Unten am Ufer erkannte Athanor Grenzwächter, aber vor allem Krieger der Abkömmlinge Ameas, von denen es nur wenige bei der Wache gab. In Anvalon galten sie deshalb als besonders friedliches Volk, aber bei diesem Anblick bekam Athanor Zweifel.
Ohne auf eine Anweisung zu warten, landete Akkamas neben den Schiffen. Die Bewaffneten starrrten ihn teils entsetzt, teils feindselig an, während die Flüchtlinge ihm und ihrem Kaysar zujubelten. Dennoch wagten sie nicht, den Kreis der auf sie gerichteten Speerspitzen zu durchbrechen. Ihre Erleichterung rührte Athanor und schürte zugleich seine Wut auf die Elfen. Zornig blickte er auf sie hinab, doch nur Mahalea würde sie zur Vernunft bringen können.
Geschickt nutzte die Kommandantin, dass sie auf einem Drachen stand, und starrte die fremden Krieger förmlich nieder, bevor sie etwas sagte. »Ich verlange, auf der Stelle zu erfahren, was hier vorgeht!«
Einer der Grenzwächter, die sich mit den Amea-Kriegern angelegt hatten, brachte als Erster eine Antwort heraus. »Wir haben erfahren, dass zwei Schiffe mit menschlichen Eindringlingen gesichtet wurden. Deshalb sind wir ihnen gefolgt, um sie festzunehmen, wie es unsere Aufgabe ist.«
»Wir wurden an einem mit Ameahim vereinbarten Lagerplatz bei Nacht überfallen und beschossen!«, ertönte Nemeras Stimme. Sie war vorgetreten und hatte eine Speerspitze direkt vor der Brust. »Mentes ist tot!«, rief sie und deutete zu den Schiffen hinüber, wo vermutlich die Leiche lag. »Zwei weitere Männer wurden verwundet! Hätten wir etwa nicht fliehen, sondern uns erschießen lassen sollen?«
»Der Kerl soll den Speer runternehmen, sonst sorge ich dafür, dass er nie wieder einen in der Hand halten wird!«, knurrte Athanor.
»Du da!«, rief Mahalea und deutete auf den Amea-Krieger. »Waffe runter! Die Menschenfrau wird dich wohl kaum mit bloßen Händen umbringen.«
»Sie ist unsere Gefangene!«, gab der Kerl trotzig zurück.
»Eindringlinge sind Angelegenheit der Grenzwache, und solange die Söhne und Töchter Ameas nichts anderes im Hohen Rat geltend gemacht haben, fallen diese Menschen in meine