Athanor 4: Die letzte Schlacht. David Falk

Athanor 4: Die letzte Schlacht - David  Falk


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sie nicht daran hindern, uns heute Nacht zu überfallen!«

      »Sie haben geschworen, Frieden zu halten, solange sie nicht angegriffen werden«, wehrte Drachenauge ab.

      »Das haben sie in Everea auch behauptet!«

      »Und dann schlugen sie Mahanael nieder und schossen auf uns!«, fügte Nemera hinzu.

      »Meine Leute werden Wache stehen. Jetzt bleibt an eurem Platz und fallt mir nicht lästig, sonst lasse ich euch knebeln und fesseln wie ihn!«, drohte der Elf und deutete auf den Gefangenen, der zwar nicht geknebelt, aber mit Stricken gebunden war.

      Verärgert zog sich Nemera zu den anderen zurück, und Laurion folgte ihr widerstrebend.

      »Auch wenn wir keine Waffen haben, sollten wir eigene Wachen aufstellen«, riet Otreus. »Dann werden wir wenigstens sofort geweckt und können fliehen.«

      Nemera nickte. »Zwei von uns sollten stets wach bleiben. Diese Grenzwächter nehmen den Befehl der Kommandantin ernst, aber wenn es zum Kampf kommt, können sie nicht überall sein.«

      Laurion war es recht. Unter diesen Umständen konnte er sich nicht einmal vorstellen zu schlafen.

      »Verzeihung?«, ertönte eine weibliche Stimme hinter ihm.

      Überrascht drehte er sich um.

      »Mein Name ist Maraya«, stellte sich die Tochter Ameas vor, die für eine Weile das Schiff gesteuert hatte. Am Mittag hatte ihr Haar beinahe farblos gewirkt, doch im Abendlicht sah es blond aus. Das dunkle Grau ihrer Augen stand in seltsamem Gegensatz zum blassen Blau ihres Kleids. »Ich möchte mich für das Verhalten meiner Verwandten entschuldigen«, sagte sie und reichte Laurion mit beiden Händen einen Stock, von dem drei große, durch die Kiemenöffnungen aufgespießte Fische herabhingen. Verblüfft sah Laurion zwischen ihr und dem schweren Geschenk hin und her.

      »Kaysas Gnade! Was für ein Fang!«, rief Djefer und pflückte ihm dreist den Stock aus den Händen. Da er kein Elfisch sprach, konnte er Maraya nicht einmal verstanden haben. »Mach Feuer, Emmos! Das wird ein Festmahl.«

      »Du wirst ja wohl nicht einfach über ein Geschenk für die Regentin bestimmen wollen«, schimpfte Sirkit. »Das …«

      »Äh.« Laurion bemühte sich, sie zu überhören, um wieder denken zu können. »Ich danke Euch, Maraya. Das ist sehr freundlich von Euch.«

      »Ich möchte nicht, dass Ihr uns alle für undankbar haltet. Ihr habt Großmut bewiesen, indem Ihr uns vor diesem Untoten gewarnt habt …« Ein Schaudern verriet, dass sie bei der Erinnerung Furcht und Abscheu empfand. »… obwohl es mein Volk war, das ihn ermordet und Euch verwundet hat.«

      »Nun ja, das war doch …« Nein, er würde nicht sagen, dass er es nur aus Angst vor ihrer Rache getan hatte.

      »Es war nobel«, beharrte Maraya. »Ihr habt diese Frevler beschämt, und ich schäme mich für sie. Das Sein lehrt uns die Ehrfurcht vor allem Leben. Wer grundlos tötet, befleckt seine Seele damit. Bitte vergebt meinen Verwandten. Sie sind verwirrt und zornig, weil uns großes Unheil widerfahren ist. Wenn sie wieder bei Verstand sind, werden sie ihre Unbesonnenheit bereuen.«

      Bei dem gefangenen Krieger hegte Laurion Zweifel, aber er wollte ihrer ersten Freundin unter diesen Elfen nicht gleich widersprechen. »Ich, äh, wir bedauern euer Unglück und wünschten, wir wären zu einem günstigeren Zeitpunkt gekommen. Leider ließ uns das Drachenheer, das unsere Städte zerstört hat, keine andere Wahl.«

      »Gerade in den schlimmsten Zeiten erweist sich, wer aufrecht ist und wer niederträchtig.« Maraya bedachte den gefesselten Krieger mit einem strafenden Blick.

      * * *

      Athanor wollte weitere Argumente anführen, doch Peredin winkte gähnend ab. »Ihr habt viel für uns getan. Und das obwohl wir uns nicht gerade als freundlich und dankbar erwiesen haben«, gab der Erhabene zu. »Wir stehen in Eurer Schuld, Athanor, ob das den anderen Ratsmitgliedern nun schmeckt oder nicht. Wenn die Kommandantin mir versichert, dass es sich bei diesen Flüchtlingen um Frauen, Kinder und unbewaffnete Männer handelt, sehe ich keinen Grund, warum wir ihnen nicht gestatten sollten, unter Aufsicht der Grenzwache unser Land zu durchqueren.«

      »Nun, es verstößt gegen einen alten Ratsbeschluss«, wandte Mahalea ein. »Einen Beschluss, den die Grenzwache seit fast tausend Jahren befolgt.«

      Und es steht ihm nicht zu, den Beschluss eigenmächtig außer Kraft zu setzen, folgerte Athanor aus ihrem Blick.

      »Wenn mich der Hohe Rat deshalb absetzen will, soll er es tun«, sagte Peredin müde. »Bis die Menschen hier sind, muss niemand davon erfahren, und dann sehen wir weiter. Vielleicht hat sich der Rat bis dahin selbst aufgelöst. Wir stehen an einem Wendepunkt unserer Geschichte. Nach dem Erlöschen des Ewigen Lichts kann nichts mehr sein wie zuvor.«

      Zu Athanors Erstaunen erhob Mahalea keinen Einspruch. »Dann werde ich eine Nachricht nach Everea senden und anordnen, dass alle menschlichen Flüchtlinge umgehend nach Anvalon zu eskortieren sind«, versprach sie stattdessen.

      Erleichtert verneigte sich Athanor vor Peredin. Nach dem Ärger mit den Abkömmlingen Ameas hatte er viel mehr Widerstand erwartet. »Ich danke Euch, Erhabener. Und Euch, Kommandantin. Ich weiß, wie viel Überwindung Euch dieses Zugeständnis kostet.«

      »Das tut es allerdings«, bestätigte Mahalea und verließ grußlos den Saal.

      »Ich kann zwar nicht für die Kommandantin sprechen«, erklärte Peredin, »aber zumindest ich sehe die Parallelen zwischen dem Schicksal Eurer Untertanen und dem meines Volkes. Auch unser Land wird gerade von übermächtigen Feinden zerstört, obwohl wir sie noch nicht genau kennen. Schon morgen könnten wir Flüchtlinge sein, die Euer Land durchqueren müssen, um zu den Gebirgen des Nordens zu gelangen. Wie könnte ich Euch verweigern, worum ich Euch vielleicht bald selbst bitten muss?«

      Athanor deutete eine weitere Verneigung an, um sein Einverständnis zu zeigen. Einen Augenblick lang erwog er, Peredins Worte von den übermächtigen Feinden aufzugreifen, doch es war spät geworden, und ohne die Kommandantin hatte eine Unterredung über diesen Krieg wenig Sinn. »Dann will ich Euch nicht länger von Eurer wohlverdienten Ruhe abhalten. Falls wir Euch morgen im Rat von Nutzen sein können, lasst es uns wissen.«

      Akkamas und er verabschiedeten sich und traten in den nächtlichen Garten hinaus. Die Sterne und der Lichtschein aus einigen Fenstern genügten, um Orkzahn hinter seinem flachen Erdhügel zu sehen. Aus den Ritzen zwischen Grassoden und Erdbrocken kräuselte sich Rauch empor. Ein unterirdisches Feuer? Aber wozu? »Wird das ein warmes Bett für eine kalte Nacht?«

      Orkzahn lachte. »Kein schlechter Einfall für den Winter. Wenn man keine Höhle hat …« Er schien ernsthaft darüber nachzudenken.

      »Ich will nicht hoffen, dass du den Winter hier in Peredins Garten verbringen musst.« Es wurde wirklich Zeit zu erfahren, was den Troll hergeführt hatte. Noch waren die Elfen von ihrem schrecklichen Unglück wie gelähmt, doch früher oder später würden sie Orkzahns Umgestaltung des Anwesens wieder wahrnehmen.

      »Rieche ich da gebratenes Fleisch?«, fragte Akkamas.

      »Es ist eine Schmorgrube«, erklärte Orkzahn stolz. »So hat meine Mutter zerteilte Büffel gebraten. Man muss einen Tag warten, dann fällt das Fleisch von den Knochen.« Mit einem Schmatzen unterstrich er den zu erwartenden Genuss.

      »Was für ein Glück, dass wir morgen hier sein werden«, sagte Athanor und ließ sich neben Orkzahn nieder. »Aber jetzt erzähl erst mal, warum du nach mir gesucht hast. Es muss Schlimmes geschehen sein, dass du freiwillig in die Elfenlande gekommen bist.«

      Orkzahn brummte bestätigend, während sich auch Akkamas setzte. »Lieber hätte ich mir die Füße abgehackt. Aber das hilft nicht.« Mit schlichten Worten berichtete der Troll von Wiedergängern in seiner Heimat, von Stiernackens Opfertod im Feuer und von den Ghulen, denen die letzten Trollschamanen zum Opfer gefallen waren.

      »Auch Athanor wurde von Ghulen angegriffen«, unterbrach ihn Akkamas. »Das kann kein Zufall sein.«

      Athanor


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