Montagsmeeting. Kai Preißler

Montagsmeeting - Kai Preißler


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dasselbe wie ich. Sind die Monk und der Lecknepper tatsächlich so blöd oder drehen die gerade Gags für ,Verstehen Sie Spaß?‘ Vorsichtshalber blicke ich mich im Raum um und überlege, wo ich eine Kamera wohl verstecken würde.

      Dann mache ich eine resignierende Geste und erkläre ein wenig zerknirscht, dass die Darmstädter Nationalspieler zu dem Zeitpunkt entweder ausgerechnet verletzt oder an Manchester United ausgeliehen waren. Meine Erklärung klingt offenbar vollkommen authentisch, denn unsere Gäste erwidern nichts.

      Pia ergreift die Initiative. „Also, wie verbleiben wir? Letztlich wollen wir doch genau das Gleiche. Eine richtig gute Veranstaltung.“

      „Absolut!“, röhrt der Lecknepper und versucht, dabei so männlich wie möglich zu klingen.

      „Wie wollen Sie denn an die Adressen kommen?“

      „Recherche, Adresspools, Partneragenturen vor Ort“, zählt Ben unseren Gästen die Strategie auf.

      Sabrina Monk guckt gelangweilt, als ob sie die Vorgehensweise nicht besonders überzeugt.

      „Keine Angst vor Karteileichen?“

      „Genau, Karteileichen“, stimmt der Lecknepper ihr zu. „Überzeugt mich alles nicht so richtig.“

      Sabrina Monk nickt und pflichtet ihm bei.

      „Das ist nur ein Teil der Vorgehensweise“, höre ich mich sagen und bin fassungslos, kann jetzt aber nicht mehr zurückrudern und hoffe, nicht alles noch mehr zu versauen. „Die eigentliche Recherche geschieht natürlich vor Ort. Wir schauen uns genau an, welche Unternehmen angesiedelt sind, welchen Einzelhandel es gibt, und und und.“

      Pia blickt mich ungläubig an. Oder sagen wir eher – entsetzt. Jeden Moment wird sie mich zurückpfeifen. Als sie gerade ansetzen will, meldet sich der Lecknepper interessiert zu Wort.

      „Auch Friseure?“

      „Ja, klar“, antworte ich und gebe mich leicht pikiert, dass eine solche Selbstverständlichkeit überhaupt gefragt wird. „Gerade die Friseure sind unglaublich wichtig für eine gut funktionierende Mundpropaganda. Das darf man nie unterschätzen.“

      „Absolut“, schnaubt er erneut und knetet seine Finger.

      Sabrina Monk nickt.

      „Und das“, fahre ich begeistert fort, „ist unsere Spezialität. Die Recherche vor Ort. Nicht immer ganz einfach, aber erfolgreich. Und das leistet noch lange nicht jede Agentur.“

      „Das erwarte ich aber von einer Agentur. Sie nehmen dafür ja auch nicht gerade wenig Geld“, dämpft Sabrina Monk meinen Enthusiasmus.

      „Also, ich kenne es nicht anders“, säuselt der Lecknepper. „Das ist ein must!“

      „Ja“, seufzt Sabrina Monk gequält, als ginge sie bei uns Dilettanten gerade durch die Hölle. „Sehe ich genauso.“

      „Das heißt?“, will Pia vorsichtig wissen. „Haben wir grünes Licht?“

      Sabrina Monk setzt ein zerknautschtes Pokerface auf. „Wie viele Gäste werden eingeladen?“

      „Fünfhundert.“

      „Wir wollen aber mindestens achthundert Gäste.“

      „Achthundert Gäste?“ Pia überlegt. „Nicht so leicht, genau zu sagen, wie viele letztlich kommen. Wenn alle ihre Partner mitbringen, haben wir tausend. Wenn aber nur die Hälfte kommt, natürlich entsprechend weniger.“

      „Aber das ist ja gerade die Erfahrung, die wir von einer Agentur erwarten. Achthundert mindestens. Besser tausend. The sky is the limit!“

      Ich frage mich gerade, ob diese beiden Vögel von PastaFigaro ihre Pizza-Kette nicht gerade etwas überbewerten. Aber der Lecknepper verschafft mir umgehend Klarheit.

      „Wir sind das Maß aller Dinge. Da muss ein Opening-Event schlichtweg überirdisch sein!“

      Der Fall ist klar. Die beiden haben zu viel geraucht oder zumindest etwas, das ihrer Wahrnehmung nicht guttat.

      „In Ordnung“, höre ich Pia sagen. „Laden wir achthundert ein. Ich denke, damit liegen wir richtig. Und alle Adressen sind einzeln recherchiert“, wobei sie mir einen kurzen, aber vielsagenden Blick zuwirft, dem ich entnehme, dass ich die von mir auf das Eis beförderte Kuh dort werde herunterholen dürfen.

      Unsere Gäste nicken. Man ist sich einig. Die Verabschiedung ist kurz und knapp – Herzlichkeit sieht anders aus. Ich schüttele Chino-Manns wabbeliges Händchen und kneife ihm ein Auge zu.

      Als sie weg sind, kommt Pia gleich zur Sache.

      „Auch wenn es absurd ist, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass dein Gelaber die entscheidende Wendung gebracht hat.“

      „Quatsch“, winke ich bescheiden ab.

      „Ich weiß nur nicht, wie wir das bewerkstelligen sollen. Ich habe jedenfalls keine Zeit dafür.“

      „Kriegen wir schon hin. Ich mach das“, sage ich gönnerhaft.

      Pia lächelt mich müde an und fragt: „Warum sind die so? Muss man so scheiße sein?“

      Wir sehen schweigend hinaus aus dem Fenster auf den Parkplatz. Mein Polo steht noch immer dort und behauptet sich tapfer gegen die schicke Leasing-Flotte.

      „Sag mal, gehört die Karre da unten dir?“

      Ich nicke etwas verlegen und trete näher ans Fenster. Wir sehen, dass Sabrina Monk und der Lecknepper den Parkplatz noch nicht verlassen haben und sich köstlich über mein Auto amüsieren. Wahrscheinlich, so schießt es mir durch den Kopf, ist er hier der einzige Wagen, der abbezahlt ist. Insbesondere der schnittige BMW mit dem PastaFigaro-Logo sieht mir nicht nach wirklichem Eigentum aus. Schließlich rauschen sie davon, überfahren nachlässig an der Parkplatzausfahrt eine spitze Bordsteinkante und verschwinden hinter der nächsten Ecke.

      In just diesem Moment platzt, vor Nervosität puterrot, Dietmar Döbel in den Raum.

      „Und?“

      „Wir dürfen!“, antwortet Pia. Aber Döbel scheint fast etwas enttäuscht zu sein.

      „Sieh an. Ich dachte, Sie verreißen schon wieder.“

      Pia sagt nichts und blickt Ben und mich nur hilflos an.

      „Alles gut gelaufen“, erklärt ihm Ben und weist mit einer Kopfbewegung zu Pia. „Die fressen ihr doch aus der Hand. Ein bisschen kniffelig wurde es bloß mal kurz bei der …“

      „Lassen Sie mich in Ruhe mit Ihren Details. Ich will Abschlüsse und Zahlen. Machen Sie mir mal ’ne genaue Kalkulation fertig – würde mich wundern, wenn sich Ihre Planung rechnet“, knötert er und verschwindet so schnell, wie er gekommen ist. Auf dem Flur brüllt er, während sich seine Schritte entfernen, nach einer Frau Schulz.

      „Sitzt am Empfang!“, ruft ihm Pia hinterher und fügt leise hinzu: „Wie immer.“

      Ich frage Ben, ob Whitney diese Frau Schulz ist und er nickt. „Klingt ziemlich blöd, oder?“

      „Ziemlich.“

      Pia klappt ihre Mappe zu und tippt mir gegen den Arm. „Komm, wir zeigen dir mal dein Büro.“

      Wir verlassen den Konferenzraum und ich trotte hinter ihr her.

      Nachdem mir mein zukünftiger Arbeitsplatz gegenüber ihrem eigenen Schreibtisch in einem Zweipersonenbüro mit Blick auf den bereits erwähnten Parkplatz zugewiesen wurde, erhalte ich ein Firmenhandy mit einem riesigen Display sowie die E-Mail-Adresse [email protected]. Ohne es tatsächlich zugeben zu wollen, bin ich einigermaßen stolz darauf. Nach all den Jahren ohne richtige Perspektive und Ziel fühle ich mich tatsächlich als Teil einer Mannschaft und vergesse für eine Weile sogar, dass ich hier auch nur ein Praktikant bin und mein Gehalt allenfalls zum Überleben, nicht aber zum wirklichen Leben reichen wird.

      Einen im Tee


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