Montagsmeeting. Kai Preißler

Montagsmeeting - Kai Preißler


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wies Ihr Restaurantleiter seine Leute an, die normale Neonbeleuchtung einzuschalten. Der meinte sogar ‚hoffentlich geht das hier heute nicht so lange, morgen geht’s schon früh los‘.“

      Wieder blicken sich unsere Gäste ausdruckslos an. Sie hören diese Dinge offenbar zum ersten Mal und haben sich bisher anscheinend für keinerlei Hintergründe interessiert. Sie glaubten, Pia und Ben abwatschen zu können, ohne ihre Hausaufgaben gemacht zu haben.

      „Ja, aber dann müssen Sie da entgegensteuern!“, protestiert der Lecknepper.

      „Gegen den Kunden?“, fragt Pia.

      „Na, da müssen Sie ihn drauf aufmerksam machen. Also das erwarte ich schon von einer Agentur. Verstehen Sie jetzt, was wir meinen, wenn wir Einsatz sehen wollen?“

      Was für ein arroganter Schnösel, denke ich. Und dann sagt dieser Chino-Wicht allen Ernstes: „Ich bin zu lange im Geschäft, um solche Nachlässigkeiten zu akzeptieren.“

      „Entschuldigung“, melde ich mich zu Wort und versuche, so höflich wie möglich zu klingen. „Ich bin neu hier im Team und noch nicht ganz im Thema, zumal wir uns ja noch nicht so genau vorgestellt worden sind. Was machen Sie genau bei PastaFigaro? Allgemeines Marketing oder mehr die Events?“

      Der Lecknepper zupft sich die Ärmel seines Janker hoch und entblößt rasierte Unterarme. Seine Rado-Uhr hängt locker am Handgelenk und scheußliche Flecken verraten den unsachgemäßen Gebrauch von Bräunungscreme.

      „Ich bin im Operations.“

      Mit dieser, wie eine Frage klingenden Information, lehnt er sich zurück. Stille im Raum. Drei Augenpaare blicken recht ratlos. Nur Sabrina Monk scheint der Begriff keine Rätsel aufzugeben.

      „Operations?“, wiederhole ich, nur dass meine Frage wie eine Aussage klingt. Mein Gehirn assoziiert wie blöde und sucht nach sämtlichen Querverbindungen zu Tätigkeitsprofilen, die auch nur annähernd in den Dunstkreis einer Restaurantkette passen können. Was dieser Typ tatsächlich macht, bleibt mir schleierhaft. Sollte der Knilch etwa eine Art Betriebsarzt sein?

      Der Lecknepper macht eine linkische Handbewegung. „Ich mache die Trainings.“

      „Trainings?“, vergewissere ich mich und merke, wie sein Berufsbild vor meinem geistigen Auge immer weiter verschwimmt, statt an Kontur zu gewinnen.

      „Und die Castings.“

      „Okay.“ Darunter kann ich mir, wenn auch nicht in diesem Zusammenhang, zwar etwas vorstellen, jedoch sind die drei genannten Begriffe für mich miteinander derart unvereinbar, dass ich so tue, als hätte ich begriffen, um mich nicht noch weiter in den Schlammassel zu reiten. Pia wirft mir einen ratlosen Blick zu, der mir zeigt, dass auch sie nicht viel schlauer ist als ich.

      Erst wesentlich später lerne ich, dass bei PastaFigaro die ungelernten Pizzabäcker und Nudelkocher allen Ernstes ein Casting und späteres Training durchlaufen müssen. Was sich manche Menschen heutzutage für einen Scheißjob alles antun müssen!

      „Ich habe selbst eine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann gemacht“, plaudert der Lecknepper aus dem Nähkästchen. „Ich kann Ihre Arbeit also durchaus bewerten. Ich habe mich freiwillig entschieden, einen anderen Weg zu gehen. Mir war das reine Agenturgeschäft irgendwann zu anspruchslos. Ich war zu gut für den Job.“

      Ich versuche mir vorzustellen, wie viele Jahre Berufsalltag dieser Typ, der das schulpflichtige Alter noch nicht lange hinter sich gelassen haben kann und aussieht, als hätte er den Führerschein noch auf Probe, wohl auf dem Buckel haben mag.

      Einen erneuten Lachanfall werde ich, wenn das so weitergeht, nur mit Mühe unterdrücken können und muss dringend etwas unternehmen. Da Reden gegen Müdigkeit und Gähnen helfen soll – wahrscheinlich, weil die Atmung positiv beeinflusst und der Körper besser mit Sauerstoff versorgt wird – rede ich mir die gleiche Wirkung auch bei eruptiv aufkommender Heiterkeit ein und frage so ernst wie möglich: „Sind Sie schon lange bei PastaFigaro?“

      „Fünf Monate.“

      Immerhin. Er weiß ja auch nicht, dass ich erst seit zwei Stunden bei LIVE COMMUNICATION bin. Es gab mal Zeiten, da musste man sich in einem Unternehmen ernsthaft die Sporen verdienen. Heute reichen als Rechtfertigung für eine große Fresse und offene Hose offenbar fünf Monate auf geringfügiger Basis.

      „Und davor?“, fragt Ben.

      „War meine Ausbildung.“

      Ben lehnt sich entspannt zurück und flüstert mir zu: „Außer seiner blöden Ausbildung hat der nämlich gar keine Erfahrung.“

      Ich nicke empört. Zugegeben – viel mehr kann ich auch noch nicht bieten, aber wenigstens bin ich kein arroganter Wichspimmel.

      „Und Sie?“, fragt Pia, wobei sie Sabrina Monk ein einladendes Lächeln schenkt.

      „Ich leite die Marketingabteilung.“

      „Großes Team?“

      „Nein, nur ich. Und im Moment unterstützt mich Herr Lecknepper.“ Sie sieht zu ihm herüber und macht eine etwas unbeholfene Pause. Der besagte Kollege nutzt die Zeit zur Maniküre, indem er seine Nagelhaut mit dem rechten Zeigefinger bearbeitet.

      „Ich habe aber studiert“, fährt sie fort. „BWL. Außerdem habe ich im letzten Jahr ein zweimonatiges Praktikum in einer Werbeagentur gemacht.“

      „Na, dann sind Sie für den Job ja topfit“, bemerke ich in einem Tonfall, bei dem sogar einem Schimpansen auffallen würde, dass er verarscht wird.

      „Aber so was von!“, bestätigt sie und ich frage mich, ob sie mit Whitney verwandt sein könnte.

      „Ein anderes Thema ist die Gästeliste. Wir fanden die Auswahl der Gäste nicht besonders gut.“ Der Lecknepper genießt die vernichtende Kraft seiner Worte.

      Pia legt ihren Kopf schief. „Das waren über fünfhundert Personen. Vom Bürgermeister bis zum Intendanten des Theaters. Außerdem ganz viele aus dem Einzelhandel. Eben die echten Multiplikatoren. Sie wollen doch Mundpropaganda.“

      „Keine Fußballprofis“, bemerkt Sabrina Monk.

      „Sie wollen keine Fußballprofis?“, fragt Pia irritiert nach, um sicherzugehen, dass sie sich nicht verhört hat.

      Markus Lecknepper verdreht die Augen und beugt sich vor. „Quatsch! Unser Vorstand legt Wert darauf, dass zu den Opening Partys auch möglichst viele Promis kommen. Vor allem bekannte Fußballprofis.“

      „Berühmte Fußballprofis aus Darmstadt?“ Ben überlegt und macht ein ernstes Gesicht. „Ich habe zwar von Fußball nicht viel Ahnung, aber sogar ich spüre da einen Widerspruch.“

      „Wieso nicht?“ Sabrina Monk reißt die Augen auf, als wären wir nicht gerade die Hellsten. „In München war auch der Philipp Lahm da. Und der Schweiger.“

      „Till Schweiger?“

      Sabrina Monk verdreht genervt die Augen. „Nein, Bastian Schweiger. Der Fußballer!“

      Pia und Ben sagen nichts. Auch sie sind nun Schweiger.

      „Es hätte doch möglich sein müssen, auch in Darmstadt ein paar Fußballstars mobil zu machen“, empört sich die Marketing-Tusse und schüttelt den Kopf.

      Pia findet als Erste ihre Sprache wieder und sucht nach einer plausiblen Erklärung.

      „Das könnte eventuell daran liegen, dass Darmstadt nicht in der Bundesliga spielt.“

      „Sondern?“

      „Dritte Liga“, antworte ich. Pia kneift mir ein Auge zu und ergänzt: „Die Mannschaft war aber immerhin fast geschlossen da.“

      Unsere Gäste machen ausdruckslose Gesichter.

      „Nur leider halt ohne ihre Nationalspieler“, bemerke ich entschuldigend.

      Ich spüre, dass Pia und Ben sich beömmeln könnten, wenn sie nur dürften und beginnen, den Gesprächsverlauf


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