Montagsmeeting. Kai Preißler

Montagsmeeting - Kai Preißler


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„es wird dir möglich sein, in den nächsten anderthalb Stunden halbwegs seriös rüberzukommen?“

      „Sorry“, sage ich. „Tut mir echt leid.“ Ich mache ein schuldbewusstes Gesicht. „Ich muss mich hier wohl erst akklimatisieren. Wird nicht wieder vorkommen.“

      Ben zuckt die Schultern. „Ich fand’s ganz witzig.“

      „Du weißt genau, dass der Döbel mich auf dem Kieker hat. Meinst du etwa, ich will mir einen anderen Job suchen?“

      „Hast ja recht“, beschwichtigt Ben und verdreht die Augen.

      „Ist das ein wichtiger Auftrag?“, frage ich.

      Pia macht ein ernstes Gesicht und nickt. „Schon. Ich habe vor drei Wochen erst einen Auftrag verloren.“ Sie hebt resignierend die Schultern. „Da kann man noch so gute Arbeit leisten. Diesmal geht es aber um mehr – Rahmenvertrag! Wenn wir den Job hier gewinnen, sind wir voll drin und touren für die das ganze Jahr durch’s Land. Eine Eröffnungsveranstaltung nach der anderen. Andernfalls machen wir für die wahrscheinlich gar nichts mehr.“

      „Aber ihr durftet doch bisher für die arbeiten, oder?“, frage ich.

      „Klar, aber auch nicht immer. Die wirklich interessanten Events hat für den Kunden eigentlich immer die Konkurrenz gemacht.“

      „Wieso? Sind die billiger?“

      „Glaube ich nicht. Aber die haben so eine Tussi, die lässt sich von einem der PastaFigaro-Typen poppen. Das ist ein Verkaufsargument.“

      „Dann solltest auch du dein Dienstleistungsspektrum mal erweitern. Wir machen denen ein Angebot, das sie nicht ablehnen können, mit ganz persönlicher Kundenbetreuung“, schlägt Ben mit ernster Miene vor. „Für dich können wir ja Stundensätze angeben – ganz transparent nach tatsächlichem Aufwand abgerechnet.“

      „Find ich gut“, antwortet Pia und überlegt. „Sollten wir so machen. Verbrauchsmaterialien werden aber extra berechnet, Kondome und so.“ Sie will ihm noch mehr sagen, doch ihr Telefon klingelt. Das Telefonat ist denkbar kurz und Pia atmet tief durch. „Sie sind da.“

      Nach einem kurzen Moment fügt sie hinzu: „Jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken!“

      Ich grinse. „Lothar Matthäus.“

      „Wovon redet ihr?“, fragt Ben.

      Pia stupst ihm mit der Hand gegen die Stirn. „Gib dir keine Mühe. Von Fußball hast du keine Ahnung.“

      Ich blicke zwischen den beiden unsicher hin und her und frage Pia: „Du interessierst dich für Fußball?“

      „Ja.“

      „Das ist leicht untertrieben“, verrät mir Ben mit verschwörerischem Unterton. „Wenn Marcel Reif bei Günther Jauch säße, wäre Pia bei allen kniffeligen Fußballfragen sein Telefonjoker.“

      Ich nicke anerkennend, schmecke jedoch sogleich diesen bitter-sauren Geschmack auf meiner Zunge. Ich denke an die Million, die um Haaresbreite meinem Konto gutgeschrieben worden wäre und mache mir klar, dass ich bei aktueller Vertragslage für die Summe etwa tausend Monate werde arbeiten müssen, ohne einen einzigen Cent ausgeben zu dürfen. Ich versuche, Geschmack und Gedanken zu verdrängen und bleibe mit meinem Blick am Stiel von Danny Hahns Chupa-Chups-Lutscher hängen, der natürlich noch immer neben dem Abfallbehälter liegt. Die Bilder, die sich so Platz in meinem Kopf schaffen, helfen mir auch nicht wirklich weiter, sodass ich dankbar bin für die Ablenkung durch unsere Gäste, die wenig später von Whitney in den Konferenzraum geführt und mit feinstem Cappuccino versorgt werden. Das schnöselige Pack, das unter unausgesprochener Huldigung Einzug hält, bestätigt jedes Klischee überflüssiger Marketingmitarbeiter.

      Sabrina Monk ist leidlich hübsch und versucht, mit figurbetonten Klamotten kaum vorhandene Reize zu akzentuieren. Sie hat diesen leicht billig wirkenden Mariah-Carey-Look und hält ihr Filofax fest umschlungen. Ich schätze sie auf Mitte zwanzig und könnte meinen Praktikantenvertrag darauf verwetten, dass sie deutlich mehr verdient als Pia, Ben und ich. Ihr Begleiter ist vermutlich im gleichen Alter und wirkt tendenziell schwul. Markus Lecknepper trägt rote Chinos, in denen eigentlich jeder Mann beschissen aussähe. Chinos sind Hosen, in denen sogar die Knackpopos neunzehnjähriger Beachvolleyballerinnen schlaff und formlos wirken. Wenn jedoch ein affektierter Lackaffe ohne Waden ein solches Höschen trägt, ist der Anblick zum Weglaufen. Hier frisst nicht Arsch Hose, sondern umgekehrt. Dagegen ist mein ,Wash & Go‘-Overall regelrecht männlich.

      Alle Anwesenden werden miteinander bekannt gemacht und Sabrina Monk kommt erstaunlich schnell zum Punkt.

      „Ihre Agentur hat ja eine Menge Fürsprecher, wir haben uns noch mal schlau gemacht.“

      Pia nickt. „Das freut mich zu hören. Ich glaube, Ihre Leute waren bisher auch alle ganz zufrieden mit uns.“

      „Ja, sicher. Aber wir haben eigentliche andere Maßstäbe.“

      Pia blickt sie fragend an. Dann wandert ihr Blick zu Ben und schließlich zu mir. Urplötzlich habe ich das Gefühl, tatsächlich dazuzugehören. Die PastaFigaro-Zicke nimmt Platz und lächelt. Sie wirkt hinterhältig und ich merke, dass hier Vorsicht geboten ist.

      Ihr Lecknepper zupft sich selbstbewusst die Ärmel zurecht. Erst jetzt bemerke ich, dass er eine grüne Jacke mit scheußlichen Hornknöpfen trägt, was man in Bayern wohl Janker nennt.

      „Das Angebot haben Sie aber erhalten?“, fragt Ben und schiebt mir mehrere Seiten mit Leistungen und Preisen zu, damit auch ich weiß, worüber gesprochen wird. Ich überfliege das Angebot, vermisse die Erwähnung von Pias optional zubuchbarem Rundum-sorglos-Paket für den männlichen Kunden, verfolge aber weiterhin neugierig das Gespräch.

      „Ja, das ist auch alles klar soweit. Aber was wir vermissen, ist die Leidenschaft. Totale Leidenschaft. Wir wünschen uns von einer Agentur bedingungslose Identifikation. Eine Agentur, die unsere Gedanken zu ihren eigenen macht. Machen Sie uns für die nächste Eröffnung doch mal Vorschläge, die uns beeindrucken.“

      Ich frage mich, ob hier von einer profanen Restaurantkette die Rede ist oder von einer Sekte und spüre die Anspannung in der Luft. Pia bleibt jedoch vollkommen ruhig und lehnt sich ein Stück zurück.

      „Sie waren doch auf unseren bisherigen Eröffnungsevents, oder?“, fragt sie.

      „Ja, in Darmstadt haben wir uns ein Bild von Ihrer Leistung machen können.“

      „Und?“

      „Na ja, ging so. Um zehn gingen die ersten Gäste schon wieder.“

      Der Lecknepper beugt sich nach vorn. „Ist das Party? Hallo?“

      Ich merke, wie mir übel wird. „Ich finde den Typ ätzend und sollte aufpassen, dass er das nicht merkt.“ Ben geht es offenbar genauso. Er sieht mich an und verdreht unauffällig die Augen zum Himmel.

      Pia richtet sich auf. „Wenn Sie da waren, haben Sie eventuell auch bemerkt, dass Ihre Küche um halb zehn den Betrieb eingestellt hatte.“

      Sabrina Monk und Markus Lecknepper blicken einander ausdruckslos an. Der Chino-Mann rümpft trotzig die Nase.

      „Haben wir nicht gewusst, nein. Aber deshalb muss doch trotzdem nicht gleich die ganze Atmosphäre leiden. Das Licht zum Beispiel ging gar nicht!“

      „Und Atmosphäre ist das Wichtigste in unseren PastaFigaro-Restaurants“, bestätigt Sabrina Monk.

      „Aber nicht wichtiger als das Essen?“, frage ich und bin mir nicht sicher, ob ich mir die Frage nicht besser hätte verkneifen sollen.

      Der Lecknepper zaubert daraufhin einen auswendig gelernten Satz hervor, der einer Imagebroschüre entstammen könnte.

      „Bei uns gibt es ausschließlich frische Zutaten, keine Geschmacksverstärker und schon gar kein Convenience Food. Wir sind Lifestyle, wir sind fresh casual, wir sind …“ Er hält inne. Offenbar hat er vergessen, was er noch alles ist.

      Alle, sogar Sabrina Monk,


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