H. P. Lovecraft − Leben und Werk 2. S. T. Joshi

H. P. Lovecraft − Leben und Werk 2 - S. T. Joshi


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August 1926 reichte Lovecraft drei Erzählungen bei der Zeitschrift GHOST STORIES ein: »In the Vault« und zwei weitere, deren Titel er nicht nennt – möglicherweise »Cool Air« und »The Nameless City«.64 Wie zuvor mit DETECTIVE TALES machte Lovecraft damit den Versuch, einen weiteren kommerziellen Abnehmer für seine Geschichten zu gewinnen. Möglicherweise war dies eine direkte Folge der Ablehnung von »The Shunned House« und »Cool Air« durch Wright (Die Ablehnung von »The Call of Cthulhu« erreichte Lovecraft erst im Oktober). GHOST STORIES (1926–1932) war jedoch eine etwas merkwürdige Wahl. Das Magazin bezahlte zwar zwei Cent pro Wort,65 enthielt jedoch vor allem offensichtlich erfundene »Tatsachenberichte« über übernatürliche Phänomene, die mit ebenso offensichtlich gestellten und manipulierten Photographien illustriert wurden. Dazwischen waren gelegentlich Erzählungen von bekannten Autoren wie Agatha Christie oder Carl Jacobi eingestreut. GHOST STORIES war kein Pulp-Magazin, sondern erschien im Illustriertenformat und auf relativ hochwertigem Papier. Lovecraft las einige Ausgaben, zog jedoch das Fazit: »Die Zeitschrift ist nicht besser geworden – & eine schlechtere ist kaum vorstellbar.«66 Zwei Cent pro Wort waren allerdings ein überzeugendes Argument. Aber die drei Geschichten, die Lovecraft eingesandt hatte, kamen zurück.67

      Lovecraft verfasste jedoch nicht nur eigene Erzählungen. Er fuhr zugleich damit fort, sich mit Überarbeitungen und Lektoraten ein wenig Geld zu verdienen, und begann, sich nach und nach einen Kreis von Möchtegern-Horrorautoren aufzubauen, die ihm ihre Geschichten zur Überarbeitung anvertrauten. Seit er 1923 und 1924 die vier Erzählungen von C. M. Eddy, Jr. überarbeitet hatte, hatte er keine derartigen Aufträge mehr übernommen, nun jedoch trat sein neuer Freund Wilfred B. Talman mit einer Erzählung mit dem Titel »Two Black Bottles« an ihn heran. Lovecraft fand die Geschichte vielversprechend – erinnern wir uns daran, dass Talman erst 22 Jahre alt und die Schriftstellerei nicht sein kreatives Hauptinteresse war –, hielt jedoch einige Änderungen für notwendig. Im Oktober war die Überarbeitung fertig, und das Resultat erschien im August 1927 in WEIRD TALES.

      In »Two Black Bottles« kommt der Erzähler, ein Mann namens Hoffman, in die kleine Stadt Daalbergen in den Ramapo Mountains (einem im nördlichen New Jersey gelegenen Gebirgszug, der sich in den Staat New York hinein erstreckt), um das Erbe seines vor Kurzem verstorbenen Onkels Johannes Vanderhoof anzutreten. Über Vanderhoof, der Pastor der örtlichen Gemeinde war, sind seltsame Geschichten im Umlauf. Unter dem Einfluss seines betagten Küsters, Abel Foster, hatte er seiner immer stärker schrumpfenden Gemeinde feurige und dämonische Predigten gehalten. Hoffman, der der Sache auf den Grund gehen will, trifft in der Kirche auf den betrunkenen und verängstigten Foster. Foster berichtet merkwürdige Dinge über den ersten Pastor der Kirche, Guilliam Slott, der im 18. Jahrhundert eine esoterische Bibliothek zusammentrug und wohl eine Art von Dämonenbeschwörung praktizierte. Foster hat diese Bücher ebenfalls studiert und ist in Slotts Fußstapfen getreten: Als Vanderhoof gestorben ist, hat er dessen Seele in eine kleine schwarze Flasche gesteckt. Doch Vanderhoof, der dadurch zwischen Himmel und Hölle gefangen ist, findet in seinem Grab keine Ruhe, und es gibt Anzeichen, dass er versucht, sich aus der Erde zu erheben. Hoffman, der nicht weiß, was er von dieser haarsträubenden Geschichte halten soll, sieht plötzlich, wie sich das Kreuz auf Vanderhoofs Grab bewegt. Als er daraufhin zwei schwarze Fläschchen auf dem Tisch neben Foster bemerkt, greift er nach ihnen, und bei dem folgenden Handgemenge mit Foster geht eine der beiden Flaschen zu Bruch. Foster ruft aus: »Das ist mein Ende! Da drin war meine Seele! Dominie Slott hat sie vor zweihundert Jahren dort eingesperrt.« Daraufhin zerfällt Fosters Leib in kürzester Zeit zu Staub.

      Die Geschichte entfaltet durchaus eine gewisse Wirkung, und zum Schluss hin gelingt es ihr, eine recht überzeugende Atmosphäre erstickenden Grauens heraufzubeschwören, vor allem durch den merkwürdigen Dialekt, in dem Foster seinen Bericht vorträgt. Nicht ganz klar ist allerdings, welchen Anteil Lovecraft an Entwurf und Ausführung hatte. Wenn man nach seinen Briefen an Talman geht, dann hat Lovecraft nicht nur einen Teil der Erzählung verfasst – insbesondere die Dialektpassagen –, sondern auch entscheidende Vorschläge in Bezug auf die Struktur gemacht. Talman hatte Lovecraft offenbar einen ersten Entwurf der Erzählung und ein Exposé geschickt – vielleicht auch nur einen Entwurf des Anfangs und eine Skizze des Rests. Lovecraft empfahl eine Vereinfachung der Handlungsstruktur, sodass alle Ereignisse aus der Perspektive von Hoffman erzählt werden. Was den Stil angeht, so schreibt Lovecraft an Talman: »Was meine Änderungen am Manuskript angeht – ich bin mir sicher, dass nichts davon mit Ihrer Urheberschaft in Konflikt steht. Meine Eingriffe beschränken sich in praktisch allen Fällen rein auf den Ausdruck und dienen ausschließlich dazu, dem Stil etwas Schliff zu verleihen und ihn flüssiger zu machen.«68

      In seinen 1973 verfassten Erinnerungen an Lovecraft zeigte sich Talman allerdings etwas irritiert über Lovecrafts Überarbeitung: »Er nahm einige willkürliche Änderungen vor, vor allem in den Dialogen … Wenn ich mir die gedruckte Fassung ansehe, wäre es mir lieber, dass Lovecraft die Dialoge nicht geändert hätte, denn die Art und Weise, wie er den Dialekt verwendet, wirkt gestelzt.«69 Ich vermute, dass Talman Lovecrafts Anteil an der Erzählung herunterspielt, denn es finden sich in »Two Black Bottles« auch über die Dialektpassagen hinaus zahlreiche Stellen, die Lovecrafts Feder erkennen lassen. Wie viele der Geschichten, die Lovecraft später für andere Autoren überarbeitete, war »Two Black Bottles« genau die Art von konventioneller Horrorerzählung, die Farnsworth Wright schätzte, und es überrascht nicht, dass er die Geschichte für WEIRD TALES annahm, während er Lovecrafts eigene, anspruchsvollere Arbeiten immer wieder zurückwies.

      Eine Auftragsarbeit ganz anderer Art, mit der sich Lovecraft im Oktober 1926 beschäftigte, war The Cancer of Superstition. Über dieses Projekt ist nicht viel bekannt, es scheint sich jedoch um ein Buch gehandelt zu haben, das Lovecraft und C. M. Eddy im Auftrag von Harry Houdini verfassen sollten. Houdini gastierte Anfang Oktober in Providence und bat Lovecraft kurzfristig darum, für ihn einen polemischen Artikel gegen die Astrologie zu schreiben, für den er ihm 75,00 Dollar bezahlte.70 Dieser Artikel ist verschollen, vielleicht bildete er jedoch den Ausgangspunkt für das Projekt, das offenbar als eine populärwissenschaftliche Polemik in Buchform konzipiert war, die sich gegen Aberglauben aller Art richten sollte. Houdini hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere derartige Werke verfasst, darunter A Magician Among the Spirits (1924), von dem er Lovecraft ein Exemplar mit einer persönlichen Widmung überreichte. Diesmal schwebte ihm jedoch offenbar ein Buch vor, das wissenschaftlich solider fundiert sein sollte.

      Was sich von The Cancer of Superstition erhalten hat, ist ein von Lovecraft verfasstes Exposé und die ersten Seiten des Buches, die Eddy nach dem Exposé geschrieben hat. Lovecrafts Entwurf beginnt, wie zu erwarten, mit den vorgeschichtlichen Ursprüngen des Aberglaubens (»Jede Art von Aberglauben & religiösen Vorstellungen geht auf die Versuche der primitiven Menschen zurück, Ursachen für die Naturphänomene um sie herum zu finden«), wobei er sich vor allem auf Fiskes Myths and Myth-Makers und Frazers Golden Bough stützt. Das erhaltene Kapitel stammt offensichtlich aus der Feder von Eddy, aber zweifellos hat Lovecraft viele der angeführten Fakten beigetragen.

      Das Projekt fand jedoch mit Houdinis plötzlichem Tod am 31. Oktober 1926 ein abruptes Ende, da seine Witwe kein Interesse an einer Fortführung hatte. Vielleicht war das auch besser so, denn das erhaltene Kapitel wirkt ziemlich mittelmäßig. Letztlich fehlt das akademische Fundament, das ein Text dieser Art benötigt. Auch wenn Lovecraft für einen Laien in Anthropologie recht bewandert war, so verfügten doch weder er noch Eddy über die wissenschaftliche Autorität für ein solches Unternehmen.

      Kurz nachdem Lovecraft »Pickman’s Model« fertiggestellt hatte, finden wir ihn überraschenderweise in New York wieder. Er muss spätestens am Montag, dem 13. September, angekommen sein, denn er berichtet, dass er an diesem Abend mit Sonia im Kino war. Der Grund für diesen Besuch liegt im Dunkeln, und ich vermute, dass die Initiative von Sonia ausging. Lovecraft berichtet, dass er mit ihr ein Zimmer im Astor Hotel an der Ecke Broadway und 44. Straße in Manhattan nahm. Am Dienstagmorgen, so Lovecraft, »musste sich S. H. früh um geschäftliche Dinge kümmern & hatte einen so vollen Terminplan, dass sie keinen Moment der Freizeit hatte, mit der sie gerechnet hatte«.71 Obwohl Lovecraft natürlich immer noch mit Sonia verheiratet war, scheint er zu dem Gaststatus zurückgekehrt zu sein, den er


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