Seewölfe Paket 26. Roy Palmer

Seewölfe Paket 26 - Roy Palmer


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ist mit den beiden Forts am Hafeneingang?“ sagte er dann. „Können die uns noch Ärger bereiten?“

      De Escobedo schüttelte entschieden den Kopf.

      „Überhaupt nicht. Beide Forts sind hoffnungslos unterbesetzt. Vergiß nicht: Dreiviertel der Fortbesatzungen wurden bei Beginn der Unruhen an Miliz und Stadtgarde abgegeben.“

      „Militärische Einzelheiten habe ich mir noch nie merken können“, sagte Bastida mit wegwerfendem Brummen. „Du meinst also nicht, daß sich die Leute in der Residenz aus den Forts Verstärkung holen?“

      „Höchst unwahrscheinlich“, entgegnete de Escobedo mit der wissend-herablassenden Miene des Fachmannes, der mit einem ahnungslosen Laien spricht.

      „Wenn die Forts unterbesetzt sind“, sagte Bastida nach kurzem Nachdenken, „würden sie uns dann nicht wie reife Äpfel in den Schoß fallen? Ich meine, wir könnten dort mühelos Beute machen.“

      „Was denn für Beute?“ entgegnete de Escobedo. „Da gibt es nichts zu holen, außer Waffen. Und die haben wir in Hülle und Fülle – dank der von mir geplanten Aktion gegen das Arsenal.“

      „Gib nicht so an“, sagte Bastida grinsend. „Wenn ich dir nicht meine besten Leute herausgesucht hätte, wäre die Sache sehr wahrscheinlich schiefgegangen.“

      „Gut, gut“, sagte de Escobedo. „Ich weiß, daß es eine Glanzleistung war. Das habe ich nie bestritten. Oder?“

      Der Fette winkte ab.

      „Halten wir uns nicht an der Vergangenheit fest. Wir müssen uns einig werden, was jetzt das Naheliegende für uns ist. Die Residenz, meine ich.“

      De Escobedo wiegte den Kopf.

      „Da ist noch diese deutsche Handelsfaktorei. Dieser Arne von Manteuffel. Er ist der einzige im Hafengebiet, der noch Widerstand leistet. Dieser Señor von Manteuffel ist ein unglaublich harter Kämpfer, das hat er wieder einmal bewiesen. Und seine Leute auch.“

      „Meine Leute sind auch harte Kämpfer“, sagte Bastida unwillig.

      „Aber beim letzten Angriff auf die Faktorei haben sie sich blutige Nasen geholt“, sagte de Escobedo hämisch. „Oder etwa nicht?“

      Der Fette nahm mit einem Ruck die Tonpfeife aus dem Mund.

      „Gib mir noch eine Nacht, Alonzo. Dann setze ich die richtigen Burschen auf diesen deutschen Hundesohn. Und ich schwöre dir, wir werden ihn aus dem Bau herausholen. Und seinen Reichtum an Gold und Silber.“

      De Escobedo benagte seine Unterlippe.

      „Wir würden zu viele Verluste haben, Gonzalo. Man müßte überlegen, ob man den Kerl nicht am besten doch ausräuchert.“

      „Nein“, sagte Bastida energisch und klemmte sich das Pfeifenmundstück wieder zwischen die Zähne. „Wir haben uns darauf geeinigt, grundsätzlich kein Feuer legen zu lassen. Bislang hat das gut geklappt. Ich sehe nicht ein, daß wir diesen Grundsatz auf einmal über den Haufen werfen.“

      De Escobedo nickte. Es war nicht einfach gewesen, bei der wilden Meute durchzusetzen, daß nicht gezündelt werden durfte. Die einfältigen Gemüter hatten eben ihre größte Freude daran, ein Bürgerhaus in Flammen aufgehen zu sehen. Bastida und de Escobedo hatten den Kerlen aber nachdrücklich erklärt, daß man sich durch Feuer in den eigenen Finger schnitt. Man wollte schließlich Beute und keine Aschenreste. Das hatten sie begriffen. Es geschah also nicht aus Menschenfreundlichkeit oder Erbarmen mit den Pfeffersäcken, wenn man die Häuser vom roten Hahn verschonte.

      „Also gut“, sagte de Escobedo, der bei allem nur das eine Ziel vor Augen sah – nämlich als selbsternannter Gouverneur über Havanna und Kuba herrschen zu können. Voraussetzung waren einfach Tatsachen, die man schaffen mußte. „Dann nehmen wir uns also die Residenz vor.“

      Bastida nickte.

      „Sehr vernünftig. Aber das schaffen wir nicht mit den Leuten, die wir jetzt haben.“

      De Escobedo zog die Stirn kraus.

      „Wir brauchen Verstärkung, das ist richtig.“ Er grinste breit. „Aber woher nehmen und nicht stehlen?“

      Bastida gab schmatzende Sauggeräusche von sich. Er stellte fest, daß der Tabak abgebrannt war, und legte die Pfeife auf den Tisch.

      „Was uns fehlt, ist so eine Art Bestandsaufnahme. Wir wissen überhaupt nicht genau, wie viele Leute wir eigentlich haben. Das beste wäre, ich lasse alle zusammentrommeln, die sich als Kämpfer geeignet fühlen.“

      De Escobedo stieß verächtlich die Luft durch die Nase.

      „Wie lange soll denn so etwas dauern! Zwei Tage, drei Tage? Nein, mein Lieber, deine Halunken in allen Ehren, aber …“ Er unterbrach sich und sah sein Gegenüber minutenlang starr an. Plötzlich erhellte sich seine Miene. „Jetzt weiß ich es! Verdammt, ich weiß, woher wir unsere Verstärkung kriegen!“

      „So?“ entgegnete Bastida zweifelnd. „Da bin ich mal gespannt.“

      „Aus dem Gefängnis!“ rief de Escobedo, und es hörte sich regelrecht begeistert an. „Da sitzen die richtigen Kerle, die wir jetzt brauchen. Mit denen werden wir noch schlagkräftiger. Die fürchten weder Tod noch Teufel!“

      Bastida winkte geringschätzig ab.

      „Ein disziplinloser Haufen, sage ich dir. Noch disziplinloser als meine Leute. Ich prophezeie dir, mit denen wirst du Schiffbruch erleiden.“

      De Escobedos Haltung versteifte sich.

      „Das kann ich besser beurteilen als du. Schließlich hatte ich das Vergnügen, in dem Rattenloch einsitzen zu dürfen. Du vergißt einen entscheidenden Punkt, Gonzalo. Was ist stärker – Disziplinlosigkeit oder die Aussicht auf Freiheit?“

      „Wahrscheinlich letzteres“, gab Bastida zu.

      „Siehst du“, sagte de Escobedo triumphierend. „Und da sie nichts zu verlieren haben, werden die Kerle draufhauen, daß die Wände wackeln.“

      „In Ordnung, meinetwegen. Aber dazu müssen wir sie erstmal aus dem Gefängnis holen. Wie willst du das anstellen?“

      „Zu was habe ich deine harten Kämpfer?“ entgegnete de Escobedo grinsend. „Und wenn wir die Residenz erst einmal gestürmt haben, wird uns die Faktorei von Manteuffels wie ein reifer Apfel in den Schoß fallen.“

       4.

      In seine zerlumpte Verkleidung gehüllt, kehrte Jussuf an diesem Vormittag des 9. Juli 1595 in die Faktorei zurück. Er benutzte dazu den Hintereingang in einem Moment, in dem sich in der Seitengasse keine Menschenseele aufhielt. Überhaupt waren die Gassen und Straßen erstaunlich ruhig.

      Bevor er ins Haus ging, stattete er seinen Brieftauben einen Besuch ab und vergewisserte sich, daß es seinen „Kinderchen“ an nichts mangelte – weder an Futter, Wasser oder Zufriedenheit. Gerade der letztere Umstand, das wußte er, war besonders wichtig für die Einsatzbereitschaft seiner gefiederten Nachrichtenübermittler.

      Traurige oder verstörte Täubchen waren absolut ungeeignet für wichtige Aufgaben. Seine schnellen Lieblinge, das hatte Jussuf in jahrelanger aufopfernder Betreuung festgestellt, brauchten so etwas wie ein unumstößliches inneres Gleichgewicht. Sie durften keine Futtersorgen haben und auch keinerlei anderen Kummer. Sie mußten nur ihren Partner im Sinn haben, der im Schlag an der Cherokee-Bucht auf sie wartete.

      Aischa, die liebe Kleine, war vor drei Stunden an diesem Morgen losgeflogen, mit der Nachricht Arnes an den Seewolf im Federkielröhrchen. An der Cherokee-Bucht würde Mustafa, ihr Auserwählter, sehr bald in Verzückung geraten. Dann nämlich, wenn sie nach dem Flug von Havanna in den Schlag im Stützpunkt einfiel.

      Arne von Manteuffel las bereits im Gesicht des türkischen Taubenvaters, daß sein rascher Erkundungsgang durch die nähere Umgebung der Faktorei niederschmetternd


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