Makabrer Augustfund im Watt. Manfred Eisner
nickt und sieht sich das Foto ein weiteres Mal an. »Jetzt, wo Sie es erwähnen, Frau Kommissarin …« Seine Stimme klingt inzwischen verbindlicher. »Mmh, ich glaube, es war doch dieser Mann, ein Grieche. Ja, der könnte es gewesen sein! Ich erinnere mich leider nicht mehr an seinen Namen; ein ehemaliger Kunde unserer Bank. Er war der vormalige Besitzer des Restaurants ›Pharos‹ im Schanzenviertel, der damals – übrigens gegen meinen ausdrücklichen Rat, alles auf eine Karte zu setzen – darauf bestand, seine gesamten Ersparnisse in Lehman-Fonds anzulegen. Bei deren Pleite im Jahr 2008 verlor er alles und musste bald darauf Konkurs anmelden. Er wollte mich dafür belangen und behauptete, es sei meine Schuld gewesen – ich hätte ihn falsch beraten. Er verklagte schließlich die Bank und erlitt vor Gericht eine Niederlage, zumal wir eindeutig belegen konnten, dass wir ihn ausdrücklich auf das Risiko aufmerksam gemacht hatten. Schlimme Sache, aber es ging damals vielen anderen Anlegern genauso.«
Nili setzt ihr bestes Lächeln auf und legt ihre Karte auf den Tisch. »Das könnte passen. Danke, Herr Mainforth! Vielleicht versucht er jetzt, sich auf diese miese Art bei Ihnen zu rächen. Wir gehen der Sache nach und wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie gleich morgen in Ihren Unterlagen nachsehen und uns anschließend Namen und Anschrift des Mannes zumailen könnten!«
Nachdem der Bänker ihnen dies zugesagt hat, tippt Nili Lorenzen von der Seite an: »Ich glaube, wir können uns jetzt verabschieden, Herr Kollege!«
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Als sie in Lorenzens Wagen eingestiegen sind und dieser sich in Bewegung setzt, bedankt sich Nili: »Das haben Sie gut gemacht. Mit Ihrer Vorgehensweise haben Sie den Kotzbrocken erheblich schockiert. Der affige Kerl scheint es nicht gewohnt zu sein, dass ihm jemand Paroli bietet.« Zum ersten Mal, seit sie sich getroffen haben, schmunzelt sie Lorenzen an.
»Kompliment retour, Frau Kriminalhauptkommissarin! Sie haben ebenfalls prima reagiert, indem Sie mich aufs Sofa zurückgezogen haben. So konnten wir am Ende doch noch Wesentliches in Erfahrung bringen.«
»›Böser Cop – guter Cop‹ funktioniert letztendlich immer noch am besten«, gibt Nili lächelnd zurück. »Und ja, mit dem, was wir erfahren konnten, kommen wir mit Sicherheit weiter.«
Bevor sie sich am Hamburger Hauptbahnhof voneinander verabschieden, sagt Lorenzen: »Bitte grüßen Sie meine ehemalige Partnerin, die Kollegin Förster, von mir. Sie ist doch bei Ihnen gelandet? Wie geht es ihrer Mutter?«
Nili spürt sofort, dass die beiden Kollegen über das Berufliche hinaus gut miteinander bekannt gewesen sein müssen. Deshalb berichtet sie ihm in ein paar Sätzen von ihrer Mitarbeiterin und deren MS-kranker Mutter, die seit einigen Wochen im Pflegeheim betreut wird. Zum Abschluss reicht sie ihm ihre Karte mit der Telefonnummer ihres Büros. »Hier können Sie sie jederzeit erreichen, wenn Sie mögen. Machen Sie es gut und nochmals herzlichen Dank für Ihre Unterstützung. Tschüss!«
Während sie am Hamburger Hauptbahnhof auf den nächsten DB-Regio-Zug nach Kiel wartet, setzt Nili eine SMS an Waldi ab, um ihm ihre Ankunftszeit mitzuteilen. Als der RE 70 etwas mehr als eine Stunde später im Kieler Hauptbahnhof einfährt, kommt er ihr am Bahnsteig mit der freudigen Ankündigung entgegen: »Ich habe fürs Abendessen einen Tisch bei unserem Griechen um die Ecke reserviert und auch gleich deine Teamkollegen dazu eingeladen. Wie ich deiner Nachricht entnommen habe, hast du wohl einige Neuigkeiten mitgebracht, und die sollten wir am besten gleich mit ihnen teilen!«
»Danke, Liebster, das finde ich prima! Aber bitte lass uns erst noch kurz zu mir nach Hause fahren. Ich muss unbedingt vorher duschen und diese nach Rauch stinkende Kleidung loswerden.« Während der Fahrt erzählt sie nur kurz von ihrer Begegnung mit Lorenzen. »Weitere Einzelheiten später bei Georgios! Haben dir die Kollegen die Kurzauskunft für Heidenreich übergeben?« Waldi bejaht und bestätigt, diese auch sofort ihrem Vorgesetzten persönlich überreicht zu haben.
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Als Nili und Waldi kurz nach acht Uhr die Taverna Syrtaki betreten, sitzen bereits die Mitarbeiter des Teams an den leckeren Vorspeisen, die man hier für gewöhnlich den Stammgästen auftischt: das selbst gebackene knusprige Knobibrot, Maritas spezielles Tsatsiki, schwarze Kalamata-Oliven und die leckeren Dolmades – mit Reis gefüllte Röllchen im vergorenen Weinblättermantel. Heute werden sie ausnahmsweise von Marita begrüßt, weil Georgios wegen einer schmerzhaften Zahnbehandlung früher nach Hause gegangen ist.
»Wenn ihr damit einverstanden seid, würde ich euch heute eine neue Kreation anbieten, die Georgios und ich gemeinsam sozusagen ›verbrochen‹ haben: Auf der Insel Rhodos ist es eine althergebrachte Tradition, die Fastenzeit am Ostersonntag mit dem im Tontopf gegarten Rekiki, ein Milchzickleinbraten auf Reis, zu beenden. Ziegenfleisch ist hierzulande eher nicht so beliebt und auch nicht leicht zu bekommen, deswegen haben wir es versuchsweise durch einen Krustenbraten vom Schweinebauch ersetzt. So ein Topf reicht für sechs bis acht Portionen und ich dachte mir …« Allgemeines Nicken und lautes Klatschen unterbricht ihre Rede. Sie nickt und lächelt. »Der Topf hat bereits vier Stunden im Backrohr verbracht und ist in wenigen Minuten servierfertig. Was wollt ihr dazu trinken? Den üblichen roten Kamaro, Nili?« Alle bis auf Ferdl sind einverstanden: »Und wans für mi a kalts alkoholfreis Bia hättn, Frau Wirtin, wär a i recht happy!«, äußert er. »Zu so an Schweinernes passts eh besser und i muss euch ja a no z’hausführen!«
Während sie das Gericht mit allgemeiner Zustimmung genießen, berichtet Nili über die Neuigkeiten, die sich beim Besuch der Mainforths ergeben haben. Natürlich sorgt Ferdls sprichwörtlicher Appetit auch diesmal für die vollständige Entleerung des Tontopfinhalts.
Bevor sie sich verabschieden, übermittelt Nili, als sie und Margrit noch kurz zur Toilette gehen, Hanno Lorenzens Grüße. »Ich denke, er wird Sie bald anrufen, ich habe ihm unsere Karte gegeben.«
Margrit nickt mit einem Hauch von Traurigkeit im Blick: »Wir hatten uns sehr gern, er war ein prima und sehr verlässlicher Partner, aber irgendwie … Und dann war Schluss, denn ich musste ja wegen Mutter nach Kiel.«
»Hamburg ist nicht aus der Welt, Margrit, und wenn Sie möchten, dann wissen Sie ja, wo Sie ihn erreichen, nicht wahr?«
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Am nächsten Vormittag tippt Nili gerade den Bericht ihres gestrigen Besuchs, als folgende Mail auf ihrem PC eintrifft:
Sehr geehrte Frau Kriminalhauptkommissarin,
wie gestern von Ihnen erwünscht, erhalten Sie nachstehend den gesuchten Namen: Herr Mihalis Marinakis – Ex-Besitzer des Restaurants ›Pharos‹ im Hamburger-Schanzenviertel. Damalige Anschrift: Steinstraße 4–6. Für Ihre weitere Info über neue Ermittlungsergebnisse den offensichtlichen Missbrauch unserer Daten betreffend danke ich bestens im Voraus. Mit freundlichen Grüßen, H. P. Mainforth.
Sie ruft sofort bei der Staatsanwaltschaft an und erreicht Doktor Uwe Pepperkorn. Nachdem sie ihm den Sachverhalt geschildert hat, bittet sie um Ausstellung eines Haftbefehls gegen den dringend Verdächtigen wegen Fluchtgefahr. Er verspricht ihr, dies umgehend in die Wege zu leiten.
Als alle von der Mittagspause zurück sind, fragt Nili in den Raum: »Haben sich inzwischen die Elmshorner Kollegen gemeldet?« Allgemeines Kopfschütteln. »Okay, dann frage ich mal dort nach. Robert, erinnern Sie sich vielleicht noch an den Namen der netten Reviervorsteherin in der Moltkestraße?«
Robert denkt kurz nach. »Leider nicht, Nili, tut mir leid!«
Ferdl ist rasch zur Stelle und deutet auf seinen Bildschirm. »Polizeihauptmeisterin Inge Mühldorf, hab i ausm Register!«
Nili lächelt. »Na denn rufen Sie die Dame gleich mal an und fragen Sie, ob sie und ihre Kollegen bei der Suche nach unserem Griechen schon etwas erreicht haben. Sollte bisher kein Ergebnis vorliegen, geben Sie ihr bitte den Namen dieses Mannes durch: Mihalis Marinakis. Vielleicht finden sie ihn damit eher.«
Wenig später meldet sich der Fachinspektor wieder: »Hallo, Kollegen, mal herhören! I stell Sie laut, Frau Mühldorf, könntens bitschön ois wiederholn, da hörn glei oi mit, okay?«
»Moin, Kollegen! Nett, mal wieder mit Ihnen zusammenzuarbeiten, Frau Masal! Trifft sich gut, denn wir waren gerade dabei, einen Bericht