Makabrer Augustfund im Watt. Manfred Eisner

Makabrer Augustfund im Watt - Manfred Eisner


Скачать книгу
und Ihre freundliche Unterstützung und freue mich über den erneuten Kontakt. Könnte es sein, dass Sie mich in Verbindung mit den Ermittlungen in einer Entführungssache anrufen, in der der Name einer Hamburger Familie gefallen ist?«

      »Ich bemerke mit Freude, liebe Frau Kriminalhauptkommissarin, dass der gute Ruf, der Ihnen vorauseilt, durchaus gerechtfertigt ist. Jawohl, es geht tatsächlich um die Befragung einer gewissen Familie Mainforth. Mir liegt die Aussage des Entführungsopfers vor. Die Kollegin Frau Bach aus Itzehoe bat ausdrücklich darum, Sie persönlich einzubinden. Ich möchte deshalb unsere Vorgehensweise mit Ihnen abstimmen, bevor wir in der Sache aktiv werden. Haben Sie einen Vorschlag?«

      »Wenn Sie mich so fragen, Frau Doktor, denke ich, dass es eine gute Idee wäre, der Familie ohne Vorwarnung einen Besuch abzustatten und Sohn Kenny mit einer amtlichen Vorladung zur Befragung in Händen zu überraschen. Ehrlich gesagt glaube ich eher nicht, dass die Mainforths unmittelbar etwas mit der Entführung zu tun haben, andererseits werde ich das Gefühl nicht los, dass da eine Verbindung bestehen muss. Ich halte es daher für angebracht, an einem frühen Abend an deren Tür zu klingeln.«

      »Ein sehr guter Vorschlag, Frau Masal! Ich kümmere mich umgehend um den Befragungsbescheid. Sie erhalten in den nächsten Stunden eine Nachricht von dem LKA-Beamten, der Sie begleiten wird. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und noch einen schönen Tag.«

      Nachdem das Telefonat beendet ist, ruft Nili KOR Stöver in Itzehoe an, um ihn ins Bild zu setzen. Wenig später empfängt sie auf ihrem neuen Smartphone ein nach Annekes Angaben gefertigtes Phantombild des Entführers. Kurz vor der Mittagspause erreicht sie die Benachrichtigung von Kriminaloberkommissar Hanno Lorenzen, dass er sie gegen fünf Uhr beim LKA in der Hamburger Polizeizentrale am Bruno-Georges-Platz erwarte. Sie informiert Waldi und er schlägt ihr vor, mit der Bahn nach Hamburg zu fahren. Er werde sie zum Bahnhof bringen und später auch wieder von dort abholen.

      Im imposanten Hamburger Polizeigebäude eingetroffen, meldet sich Nili im LKA, wo sie von KOK Hanno Lorenzen empfangen wird. Ihr Begleiter entpuppt sich als ein schlanker und etwas wortkarger jüngerer, in einen seriösen Anzug und Krawatte gekleideter Kollege mit schütterem dunklem Haar – offensichtlich starker Raucher, wie Nili beim Einsteigen in seinen nach abgestandenem Tabak riechenden Dienstwagen naserümpfend bemerkt. Zu ihrem Glück dauert die gemeinsame Autofahrt bis zur Auguststraße in der Nähe der Außenalster weniger als eine halbe Stunde.

      Nachdem Lorenzen am Tor der prunkvollen Villa geklingelt hat, meldet sich eine weibliche Stimme über den Lautsprecher neben der Pforte. Der Beamte hält seinen Dienstausweis in das Auge der darüber befindlichen Kamera. »Guten Tag. Wir sind vom Landeskriminalamt und würden gern Herrn Mainforth sprechen.«

      Der Türsummer brummt und das Tor gleitet einen Meter seitwärts, um den Zutritt zu ermöglichen. Nili und ihr Begleiter folgen dem Aufgang bis zum Haus. Eine modisch gekleidete und gestylte blonde Frau mittleren Alters öffnet ihnen die Tür, stellt sich ihnen als Marie-Louise Weber-Mainforth vor und bittet sie herein. Sie führt die Besucher in ein mit moderner Designermöblierung eingerichtetes Wohnzimmer und zeigt auf das Ecksofa. »Nehmen Sie doch Platz!« Nachdem die beiden Beamten die ebenfalls angebotenen Getränke höflich abgelehnt haben, setzt sich die Hausherrin ihnen gegenüber auf einen zur Garnitur passenden Sessel.

      »Sie wollten wohl meinen Mann sprechen«, schlussfolgert sie mit leichter Anspannung in der Stimme. »Er ist noch in der Bank und kommt vermutlich gegen achtzehn Uhr nach Hause.«

      Während Nili ihren Dienstausweis zückt, um sich vorzustellen, bemerkt Lorenzen mit trockener Stimme: »Nein, Frau Mainforth, wir würden gern mit Ihrem Sohn Kenneth sprechen. Ist er im Hause?«

      Die Frau lächelt, offensichtlich beruhigt.

      »Da muss ich Sie leider enttäuschen. Unser Kenny befindet sich gegenwärtig in Cambridge bei Boston in den USA. Er studiert dort an der Harvard Universität und kommt erst nach dem Ende des Sommersemesters zurück. Darf ich fragen, worum es geht?«

      Nili steckt ihren Dienstausweis wieder ein und holt ihr Smartphone hervor. Sie wählt die Fotodatei und wischt auf dem Display, bis sie das gesuchte Bild gefunden hat. Als sie der Frau das Foto hinhält, fragt sie: »Ist dies Ihr Sohn?«

      Marie-Louise Weber-Mainforth nickt überrascht und wirkt zunehmend verunsichert. »Wo haben Sie das her? Das Foto stammt aus dem vorigen Jahr und das Auto gehört einem von Kennys Kommilitonen. Ist ihm etwas passiert? Bitte lassen Sie mich nicht so lange im Unklaren!«

      »Beruhigen Sie sich, gnädige Frau!«, interveniert Nili. »Es ist nichts Schlimmes geschehen, jedenfalls nichts, was Ihren Sohn persönlich betrifft. Nur eben, dass sein Name in Verbindung mit einem Fall in Erscheinung getreten ist, den wir gerade bearbeiten. Wenn Sie nichts dagegen haben …« Nili hält inne, denn in diesem Augenblick fährt eine wuchtige Mercedes Benz Limousine auf die Auffahrt. Durch die großen Fenster des Salons sehen sie, wie der Fahrer aussteigt und die hintere Tür offen hält.

      »Entschuldigen Sie bitte, da kommt mein Mann!«, krächzt die Hausherrin erleichtert. Sie springt auf und eilt zum Eingang.

      Nili greift zu einer der auf dem Couchtisch liegenden Zeitschriften und blättert darin. Von der ersten Innenseite der ›Maribelle‹ lächelt ihr das Bild der Hausherrin und Redakteurin über ihrem Leitartikel entgegen, in dem sie sich – sinnigerweise – über die arg zunehmenden Fälle von sexueller Kindesmisshandlung auslässt.

      Es dauert einige Minuten, bis das Ehepaar das Wohnzimmer betritt. Der Gatte, ein vierzigjähriger Glatzkopf in einem für einen Bänker üblichen Nadelstreifenanzug, tritt auf sie zu und mustert sie aus stahlgrauen Augen. »Guten Tag, ich bin Harrison Mainforth«, äußert er mit kalter Stimme und leichtem amerikanischem Akzent und setzt sich kurzerhand auf den zweiten Sessel, ohne den Besuchern die Hand zu reichen. »Was wollen Sie von meinem Sohn? Verfügen Sie überhaupt über so einen amtlichen Wisch, der Sie berechtigt, unseren Kenny zu befragen?«

      »Guten Tag, Herr Mainforth«, antwortet Hanno Lorenzen im gleichen kodderigen Ton. »Frau Kriminalhauptkommissarin Masal und ich sind vom LKA und wollten eigentlich Ihren Sohn Kenneth H. Mainforth in einer Entführungssache als Zeuge befragen. Selbstverständlich haben wir die entsprechende Vorladung der Hamburger Staatsanwaltschaft vorliegen, die uns dazu berechtigt. Da wir allerdings soeben von Ihrer Frau erfahren haben, dass sich Ihr Sohn zurzeit in den USA aufhält, hat sich die Angelegenheit zunächst erledigt. Wir dürfen uns dann verabschieden!« Er steht ruckartig auf und sieht Nili mit einem zwinkernden Augenaufschlag an. Dann setzt er mit Blick auf die Mainforths hinzu: »Danke, bemühen Sie sich nicht, wir finden allein hinaus.«

      »Bitte noch einen Augenblick, Herr Kommissar!« Die Hausherrin erhebt sich mit einem wütenden Seitenblick auf den Ehemann. »Bitte entschuldigen Sie seine unfreundliche Art und haben Sie die Güte, wenigstens mir zu sagen, woher Sie das Bild unseres Jungen haben und wer denn entführt worden ist.«

      Nili tut so, als sei auch sie über Lorenzens ungestümes Agieren verärgert. Kurzerhand packt sie den Kollegen am Ärmel seines Sakkos und zieht ihn zurück auf das Sofa. »Es geht um die Entführung dieses vierzehnjährigen Mädchens«, sagt sie und zeigt Marie-Louise Weber-Mainforth Annekes Bild auf ihrem Handy. »Offensichtlich konnte sich der Entführer Ihre persönlichen Daten verschaffen und hat diese als Tarnung für sein Vorhaben genutzt.« Sie umreißt in wenigen Sätzen, was dem Mädchen widerfahren ist. Dann wischt sie erneut auf dem Display ihres iPhones und zeigt dem Ehepaar das Phantombild des Entführers. »Kennen Sie diesen Mann? Wir vermuten, dass er derjenige gewesen sein könnte, der sämtliche Bilder, die Kenny und Sie betreffen, dazu benutzte, das Entführungsopfer zu ködern.«

      Während seine Frau umgehend verneint, sieht sich Harrison Mainforth das Bild genauer an. »Irgendwie kommt mir der Kerl bekannt vor«, sinniert er nach einer Weile, »aber ich kann sein Gesicht nicht einordnen.«

      »Denken Sie bitte in Ruhe nach, Mister Mainforth«, sagt Lorenzen, nunmehr mit versöhnlicher Stimme. »Könnte es jemand sein, der Ihnen persönlich etwas anhängen möchte?«

      »Mein Kollege will damit andeuten, dass es sich auch um jemanden aus Ihrem beruflichen Wirkungskreis handeln könnte«, legt Nili nach. »Wir haben dazu einen vielleicht nützlichen


Скачать книгу