Grundriss Schopenhauer. Peter Welsen

Grundriss Schopenhauer - Peter Welsen


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stammt nicht von Schopenhauer selbst, sondern wurde von Pothast geprägt. Ulrich Pothast. Die eigentlich metaphysische Tätigkeit. Über Schopenhauers Ästhetik und ihre Anwendung durch Samuel Beckett. Frankfurt a. M. 1989, 42.

      25 G 160: »Wenn wir in unser Inneres blicken, finden wir uns immer als wollend. Jedoch hat das Wollen viele Grade, vom leisesten Wunsche bis zur Leidenschaft, und daß nicht nur alle Affekte, sondern auch alle die Bewegungen unsers Innern, welche man dem weiten Begriffe Gefühl subsumirt, Zustände des Willens sind, habe ich öfter auseinandergesetzt […].«

      26 Ähnlich wie der Begriff des Individualwillens stammt auch jener des Weltwillens nicht von Schopenhauer selbst, sondern von einem seiner Interpreten, der ihn – im letzteren Fall – im Titel eines Buches gebraucht: Alfred Schmidt. Idee und Weltwille. Schopenhauer als Kritiker Hegels. München / Wien 1988.

      27 Vgl. Franz von Kutschera. Vernunft und Glaube. Berlin / New York 1990, 34 ff.

      28 Demgegenüber insistiert Pothast (1989), in Anlehnung an eine Stelle aus Nietzsches Geburt der Tragödie, daß Schopenhauer die Kunst zur »eigentlich metaphysischen Tätigkeit« erhebt und ihr damit eine herausragende Stellung zuerkennt.

      29 Ob die Einführung der Ideen tatsächlich systematisch erforderlich ist oder nicht, wird durchaus kontrovers diskutiert. Während Janaway zu einer vorsichtig positiven Einschätzung gelangt, üben Hamlyn und Magee deutliche Kritik. Vgl. Hamlyn (1980), 8, Christopher Janaway. Schopenhauer. A Very Short Introduction. Oxford 2002, 75, Bryan Magee. The Philosophy of Schopenhauer. Oxford 1983, 239.

      30 Daher kann Schopenhauer die Idee sowohl mit der – platonisch verstandenen – Form (vgl. W I 222 u. 232) bzw. der forma substantialis (vgl. W I 193 u. 270) wie auch dem intelligiblen Charakter (vgl. W I 208 f. u. 211 sowie W II 432) gleichsetzen.

      31 Vgl. a. Pothast (1989), 67.

      32 Hält man sich vor Augen, daß sich der Wille streng genommen nicht erkennen läßt, so ist der Ausdruck »adäquate Objektität« allerdings mit Vorsicht zu genießen.

      33 Von einer Stufe zur anderen nehmen die Ideen – nach Schopenhauer – an Individualität zu, und zwar dergestalt, daß auf der höchsten Stufe, dem Menschen, einer Idee nicht mehr eine Art oder Gattung, sondern ein Individuum mit einem jeweils eigenen Charakter entspricht (vgl. W I 180).

      34 An einer Stelle setzt Schopenhauer die Ideen nicht mit Willensakten gleich, sondern erklärt, in der Idee trete ein Willensakt in Erscheinung: »Der intelligible Charakter fällt also mit der Idee, oder noch eigentlicher mit dem ursprünglichen Willensakt, der sich in ihr offenbart, zusammen« (W I 208).

      35 Da der Mensch als empirisches Wesen durch den Willen bestimmt ist, wird die für die willensfreie Erkenntnis der Ideen erforderliche Leistung gleichermaßen einem außerhalb desselben situierten Genius zugeschrieben. Vgl. W II 446 u. 455 f. sowie P II 461.

      36 Die objektive Auffassung der Dinge selbst bleibt freilich, so Schopenhauer, stets »nur eine vorübergehende« (P II 462).

      37 Mehr noch, Schopenhauer betont, daß jedes Kunstwerk stets hinter dem anschaulichen Gehalt, den es zum Ausdruck bringt, zurückbleibt und deshalb auf die Phantasie des Betrachters angewiesen ist: »In der Kunst aber ist überdies das Allerbeste zu geistig, um geradezu den Sinnen gegeben zu werden: es muß in der Phantasie des Beschauers geboren, wiewohl durch das Kunstwerk erzeugt werden.« (W II 481) Freilich treffe dies auf die Dichtung in ganz besonderem Maße zu.

      38 Den Unterschied zwischen beiden Bereichen erblickt Schopenhauer darin, daß die Philosophie – anders als die Musik – mit Begriffen arbeitet.

      39 Genauer gesagt stehen die empirische Wirklichkeit und die Musik insofern auf einer Stufe, als sie beide Erscheinungen des Willens sind. Besteht eine Analogie zwischen ihnen, so beruht sie auf dem metaphysischen Ursprung im Willen, den sie teilen: »Diesem allen zufolge können wir die erscheinende Welt, oder die Natur, und die Musik als zwei verschiedene Ausdrücke der selben Sache ansehn, welche selbst daher das allein Vermittelnde der Analogie Beider ist, dessen Erkenntniß erfordert wird, um jene Analogie einzusehn.« (W I 329)

      40 Sicherlich ist auch der Satz vom zureichenden Grunde des Wollens einschlägig, aber dieser stellt letzten Endes eine Variante des Satzes vom zureichenden Grunde des Werdens dar. Das ergibt sich allein schon daraus, daß Schopenhauer die Motivation, welche den Gegenstand desselben bildet, als eine Art der Kausalität betrachtet: »[D]ie Motivation ist die Kausalität von innen gesehn.« (G 162)

      41 Vgl. G 66 ff.

      42 Daß dennoch der »Schein der empirischen Freiheit des Willens« (W I 367) besteht, liegt nach Schopenhauer daran, daß der Mensch über die Möglichkeit verfügt, über mehrere Handlungsalternativen nachzudenken, bevor er tatsächlich eine von ihnen realisiert. Dies verleite ihn zu der Annahme, er könne sich frei zwischen den sich darbietenden Möglichkeiten entscheiden. In Wirklichkeit aber werde die Handlung trotz der Reflexion, die ihr vorhergehen könne, mit Notwendigkeit durch das stärkste Motiv verursacht: »Obgleich nun Thier und Mensch mit gleicher Nothwendigkeit durch die Motive bestimmt werden, so hat doch der Mensch eine vollkommene Wahlentscheidung vor dem Thiere voraus, welche auch oft für eine Freiheit des Willens in den einzelnen Thaten angesehn worden, obwohl sie nichts Anderes ist, als die Möglichkeit eines ganz durchgekämpften Konflikts zwischen mehreren Motiven, davon das stärkere ihn dann mit Nothwendigkeit bestimmt.« (W I 373)

      43 Vgl. Daniel Schubbe / Matthias Koßler (Hg.). Schopenhauer-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart / Weimar 2014, 40.

      44 In diesem Zusammenhang vertritt Schopenhauer die – einigermaßen kryptisch anmutende – These, daß sich in der Verneinung des Willens die metaphysische Freiheit des Willens als Ding an sich ausdrücke, und zwar insofern, als dieser den Charakter aufhebe. So spricht Schopenhauer ausdrücklich von der »Freiheit des Willens an sich, sich selbst zu verneinen und den Charakter, mit aller auf ihn gegründeten Nothwendigkeit der Motive aufzuheben« (W I 504). Diesen Vorgang rückt Schopenhauer in die Nähe der – christlich verstandenen – Gnadenwirkung: »Denn eben Das, was die christlichen Mystiker die Gnadenwirkung und Wiedergeburt nennen, ist uns die einzige unmittelbare Aeußerung der Freiheit des Willens.« (W I 499)

      Lemmata

      a priori In seiner von Kant inspirierten Erkenntnistheorie weist Schopenhauer dem Begriff des Apriorischen eine zentrale Rolle zu. Ähnlich wie der Königsberger Denker grenzt er apriorische Erkenntnis gegen aposteriorische ab. Während letztere ihren Geltungsgrund in der Erfahrung hat, also empirisch ist, geht erstere der Erfahrung in gewisser Hinsicht voraus. So erklärt Schopenhauer, die apriorische Erkenntnis liege »vor aller Erfahrung« (G 68; vgl. a. W I 524 sowie P I 59 u. 97) und hänge daher nicht von dieser ab (vgl. G 131 sowie W I 33, 40, 111, 117, 524 u. 537). Nach seiner Auffassung liegt vielmehr eine Abhängigkeit in umgekehrter Richtung vor. Schopenhauer knüpft expressis verbis an Kant an, dessen Position er folgendermaßen beschreibt: »Kant nun endlich versteht zuvörderst unter transscendental die Anerkennung des Apriorischen und daher bloß Formalen in unserer Erkenntniß, als eines solchen; d. h. die Einsicht, daß dergleichen Erkenntniß von der Erfahrung unabhängig sei, ja, dieser selbst die unwandelbare Regel, nach der sie ausfallen muß, vorschreibe« (P I 96 f.).1 Damit stellt die apriorische Erkenntnis eine »Bedingung[] der Möglichkeit aller Erfahrung« (G 124) dar. Ferner schließt sich Schopenhauer auch darin Kant an, daß er die apriorische Erkenntnis, sofern sie als Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung fungiert, mit dem Ausdruck »transscendental« (G 56, W II 211 f. u. P I 96 f.) bezeichnet.2

      Der Bereich des Apriorischen beinhaltet nach Kant und Schopenhauer keine materialen Erkenntnisse, sondern formale. Schopenhauer hebt wiederholt hervor, daß »das Angeborene, daher Apriorische und von der Erfahrung Unabhängige unsers gesammten Erkenntnißvermögens


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