Der tote Zwilling. Bernd Udo Schwenzfeier
dich nicht bald beeilst, spritz ich so ab und wasche dir mit meinem Sperma dein Gesicht. Kannst du dir also aussuchen. Vielleicht schneide ich dir aber auch die Nasenspitze ab …«, sagte er lauernd, griff in die Hosentasche, holte das Klappmesser wieder heraus, ließ die Klinge herausspringen und hielt es ihr demonstrativ an die Nase. »Du kannst jetzt entscheiden, entweder blasen oder Nasenspitze abschneiden!«
Resignierend sah sie ein, dass sie keine andere Wahl hatte. Sie kniete vor ihm nieder, öffnete den Mund und dachte an Klaus, der sicher ungeduldig auf sie wartete.
Schon nach wenigen Bewegungen mit den Lippen musste sie aufhören, fasste sich würgend an den Hals und erbrach sich. Sie säuberte sich den Mund am Ärmel ihres Pullovers. »Ich kann das nicht, bitte … verschone mich damit. Lass es uns anders machen. Aber nicht mit dem Mund …«, flehte sie.
Er starrte sie wortlos an. Nach einem Moment des Schweigens holte er plötzlich aus und schlug ihr mit der geballten Faust zweimal ins Gesicht. Er grinste. »Ich mag keinen Widerspruch, du verdammte Schlampe. Aber gut, dann ficken wir eben. Soll mir auch recht sein. Gib dir bloß Mühe, sonst …« Er sprach nicht weiter, aber sie wusste, dass er wieder sein Messer zücken würde.
Der Schlag hatte unvermittelt ihr rechtes Auge getroffen. Sofort war die Augenbraue aufgeplatzt, und Blut tropfte aus der Wunde. Aufstöhnend sank sie zu Boden, öffnete ihre Beine und sah über sich den Himmel. Die Wolken hatten sich aufgelockert, dazwischen entdeckte sie Reste von blauem Himmel, dessen Farbe im Westen mittlerweile in zartrosa übergegangen war. Sie schloss voller Panik die Augen und fing zu beten an.
Er legte sich auf sie und drang brutal in sie ein. Sie schrie vor Schmerzen auf. Ihr Wimmern feuerte ihn nur zu mehr an. Dabei lachte er roh und verstärkte ungerührt das Tempo seiner Stöße. »Komm, sag mir, wie gut ich es mache und dass dich noch nie einer so gut gefickt hat wie ich. Los, sag es!«
Sie erfüllte ihm seinen Wunsch und hoffte nur, dass es schnell vorbeigehen würde.
Plötzlich hielt er inne, zog sein halb steifes Glied aus ihr heraus, stand auf und sah auf sie herab. »Ich hab keinen steifen Schwanz mehr«, murmelte er überrascht, zog sie hoch und griff ihr brutal ins Genick. »Dann machst du es mir jetzt mit der Hand!«
Sie nickte erleichtert. Endlich war die Tortur vorüber. Sie hatte es fast überstanden. Mit geübter Hand brachte sie ihn nach kurzer Zeit zum Erguss. Er spritze ihr laut aufstöhnend in die Hand und auf ihren nackten Körper und sank für einen Moment in sich zusammen.
Er stützte sich auf ihr ab. »Immer, wenn es bei mir kommt, schreie oder weine ich. Du musst schon entschuldigen. Ich wollte dir nicht wehtun. Tut mir sehr leid …« Er sprang auf, zog sich rasch die Hose hoch, griff nach ihrer Tasche, zwängte sich hastig durch die Lücke im Buschwerk und war verschwunden.
Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie sich aufrappeln konnte. Nur mit Mühe gelang es ihr, sich wieder anzuziehen. Sie war von ihrem Peiniger unglaublich gedemütigt und misshandelt worden und fühlte sich total beschmutzt. Ekel und Brechreiz lösten sich ständig einander ab, und sie spürte eine totale Erschöpfung. Dennoch war sie dem Schicksal dankbar, dass der Täter sie lebend zurückgelassen hatte. Taumelnd und schluchzend gelang es ihr endlich, sich zur Straße zu schleppen und ein vorbeifahrendes Taxi zu stoppen. Von Weinkrämpfen geschüttelt berichtete sie dem Fahrer, was ihr zugestoßen war.
Der machte nicht viel Worte, setzte sie auf den Rücksitz, drückte ihr ein Päckchen Taschentücher in die Hand, schloss die Tür, wendete und fuhr die nächste Polizeidienststelle an.
*
Andreas zerrte das Mountainbike hinter dem Busch hervor und raste los. Er verließ die Parkanlage und war so in Gedanken, dass er beinahe einen Fußgänger umgefahren hätte. Im letzten Moment konnte er den Lenker herumreißen und einen Zusammenprall verhindern. Wütend schrie ihm der Unbekannte ein paar unflätige Schimpfworte hinterher.
Ein Stück weiter hielt Andreas an. Er lehnte Rad an einen Laternenmast und überquerte die Straße, um zu der gegenüberliegenden Bushaltestelle zu gelangen. Kurz darauf stieg er in einen Bus in Richtung Alexanderplatz ein.
Außer Atem erreichte er sein Wohnhaus. Das letzte Stück nach Hause war er nur noch gerannt, getrieben von der Angst, die Polizei könnte ihn festnehmen. Leise schloss er die Wohnungstür auf und schlich auf Zehenspitzen am Schlafzimmer seiner Mutter vorbei. Die Tür war einen Spalt weit offen, das Licht war aus. Gott sei Dank, sie schlief schon.
Als er die Türklinke hinunterdrückte, hörte er ihre anklagende Stimme. »Andy, Junge … wo warst du denn so lange? Ich habe den ganzen Abend auf dich gewartet …«
Er erstarrte. »Mutti … ich bin zweiundzwanzig und muss mich nicht bei dir abmelden, wenn ich weggehe. Das musst du endlich begreifen. Ist das denn so schwer?« Er war schon wieder auf hundert.
»Ach, mein Junge … ich bin doch so allein. Niemand kommt mich besuchen. Dein Essen steht kalt auf dem Tisch. Wollten wir nicht gemeinsam Fernsehen?«, fragte sie anklagend.
Er wollte schon wieder lospoltern, besann sich aber im letzten Augenblick. »Macht nichts, Mutti, ich habe unterwegs ein paar Currywürste gegessen. Das mit dem Fernsehen habe ich vergessen«, entgegnete er mit versöhnlicher Stimme. »Lass mich jetzt bitte in Ruhe, ich bin müde und möchte schlafen. Es ist beinahe dreiundzwanzig Uhr.« Er musste jetzt unbedingt allein sein.
Die Sache im Volkspark Friedrichshain war ihm mächtig an die Nieren gegangen, und er schämte sich vor sich selbst. Was war er doch für ein verdammtes Arschloch, und was hatte er der armen Frau nur angetan? So ging es jedenfalls mehr weiter.
Um diese ganze Scheiße ein für alle Mal zu beenden, musste er endlich einen Ausweg finden. Er wusste, dass er dicht vor einem Abgrund stand und jederzeit Gefahr lief, abzustürzen. Die Bullen würden nicht eher ruhen, bis sie ihn geschnappt hatten. Und dann verschwand er für lange Zeit im Knast, um dort zu vermodern, eine grauenvolle Aussicht. Es war wie ein Teufelskreis. Immer wieder hatte er sich gefragt, wohin ihn der ganze Wahnsinn führen sollte? Aber dann kam er in Situationen, die er einfach nicht mehr beherrschen konnte. So ging das schon seit etwa zwei Jahren. Er hasste sich dafür, aber er war auch machtlos gegen seinen Trieb, der unkontrolliert durchbrach und ihn zu einem Monster werden ließ. Er musste unbedingt nachdenken, endlich nach Wegen und Möglichkeiten suchen, um aus diesem Chaos herauszukommen. Vielleicht konnte ihm ein Psychiater helfen?
»Warum bist du nicht zu Hause geblieben? Es gab so einen schönen Film im Fernsehen.«
Das war zu viel. Krachend schmiss er seine Zimmertür zu, trotzdem hörte er ihren tiefen Seufzer und ein leises Schluchzen. Na ja, jetzt heult sie wieder, wie immer. Aber dieses Spielchen zog bei ihm nicht mehr. Damit war endgültig Schluss. Er atmete tief durch, warf sich auf sein Bett. Aber die ersehnte Ruhe fand er nicht, denn sofort meldete sich sein schlechtes Gewissen und ließ ihm keine Ruhe mehr.
Schuldbewusst klopfte er rund zehn Minuten später an ihre Tür und öffnete einen Spalt. »Mutti, es tut mir leid, dass ich so ausgerastet bin«, sagte er. »Ich wollte dir nicht wehtun, aber auch ich habe manchmal so meine Probleme, nicht nur du.«
»Ist schon recht, Andy, du bist ein guter Junge, der sich wirklich sehr um seine kranke Mutter kümmert«, erwiderte sie mit theatralischem Unterton in der Stimme. »Geh jetzt ruhig schlafen und kümmere dich nicht weiter um mich. Ich komme schon zurecht. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Mutti, also dann bis morgen. Abends bleibe ich zu Hause, und dann machen wir es uns gemütlich.«
»Jaja, mein Junge, das machen wir.« Sie seufzte sichtlich zufrieden.
*
Robert saß zur nächtlichen Stunde in seinem Dienstzimmer und brütete über dem Ermittlungskomplex, der bereits über sechs Ordner mit insgesamt dreizehn Vergewaltigungen umfasste, die nach dem bisherigen Ermittlungsstand einem einzigen Serientäter zuzuordnen waren. Die Straftatenserie hatte am 14. Juni 2000 im Friedrichshain mit der Vergewaltigung einer fünfundvierzig Jahre alten Frau begonnen und am 29. März dieses Jahres mit einer gleichen Tat im Tiergarten scheinbar ihr vorläufiges Ende gefunden. Seither war eine weitere Tat, die dem Täter