Wunder. Kurt Erlemann

Wunder - Kurt Erlemann


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des Schicksals Jesu (‚Zeichen des Jona‘).1

      d) Hoffnung auf messianische Wunder

      Das Babylonische Exil nährte die Sehnsucht nach wunderbarer, endgültiger und globaler Erlösung. Tritojesaja verheißt die globale Umkehrung der herrschenden Verhältnisse (Jes 60–65). Der erwartete, davidische Messias wird teilweise mit historischen Figuren identifiziert.1 Er verkörpert das Idealbild des weltlichen Königs (Jes 9, Jes 11: geistbegabt, gerecht usw.). Die Apokalyptik erhofft das globale, endzeitliche Friedensreich unter dem Messias bzw. Menschensohn2, die Auferstehung der Toten (Ez 37; Dan 12,1–3) und die Neuschöpfung des Kosmos.3

      e) Fazit: Manifestationen der Wunderkraft Gottes

      Im Wunderwirken der atl. Propheten manifestiert sich Gottes Allmacht. Wunder dienen der Abwendung akuter Not, Zeichenhandlungen der Abwendung drohenden Unheils. Der Elia-Elisa-Zyklus bietet Prätexte der Wunder Jesu. – Nachexilische Visionen spiegeln die Sehnsucht nach einem globalen Eingreifen Gottes zugunsten Israels. Mit ihnen schließt sich der Kreis vom Wunder der Weltschöpfung über die Wunder von Exodus und Landnahme hin zur Neuschöpfung der Welt. – Jesus erhält in den Evangelien prophetische, aber auch andere Züge.1

      2.3.2 Frühjüdische Wundertäter

      Flavius Josephus (37–100 n. Chr.) erwähnt Wunder- und Zeichenpropheten der ntl. Zeit: Theudas und ein anonymer Ägypter versprachen in den 40er Jahren, Israel mit Exodus-Wundern von den Römern zu befreien (Ant 20,97f.; vgl. Apg 5,36).1 Beide wurden von den Römern liquidiert. – Unpolitisch agierten Choni der Kreiszieher, Chanina ben Dosa, Onias und der Magier Eleazar. Chanina war gegen Schlangengift immun (vgl. Apg 28,6) und konnte Fernwunder und Exorzismen vollziehen.2 Er und Choni wurden der Magie verdächtigt.3 Mk 9,38–41 nennt einen jüdischen Exorzisten, der im Namen Jesu agierte. Choni wirkte ein magisches Regenwunder, das auf geteiltes Echo stieß (ca. 65 n. Chr.):

      „Einst verstrich die größere Hälfte des Adar ohne Regen. Da sprach man zu Honi dem Kreiszeichner: Bete, daß Regen herniederfalle. Er betete, es kam jedoch kein Regen. Da zeichnete er einen Kreis und stellte sich hinein, wie einst der Prophet Habakuk es tat, wie es heißt: Ich will mich auf meine Warte stellen und auf den Wall treten, und sprach: Herr der Welt, deine Kinder wandten sich an mich, weil ich wie ein Sohn des Hauses bei dir bin; ich schwöre nun bei deinem großen Namen, daß ich mich von hier nicht rühre, als bis du dich deiner Kinder erbarmt haben wirst. Da begannen Regentropfen zu triefen. Darauf sprachen seine Schüler: Meister! Wir sehen dich, damit wir nicht sterben; es scheint, daß der Regen nur deswegen herniederfällt, um deinen Schwur zu lösen. Alsdann sprach er: Nicht um so etwas bat ich, sondern um Regen für Brunnen, Gruben und Höhlen. Da brachten sie ihm einen Farren zum Danksegen, und er stützte beide Hände auf ihn, indem er sprach: Herr der Welt, dein Volk Israel, das du aus Ägypten geführt hast, kann weder die übermäßige Güte noch die übermäßige Strafe ertragen; du zürntest ihnen, und sie konnten es nicht ertragen; möge es doch dein Wille sein, daß der Regen aufhöre und die Erleichterung in die Welt eintrete! Sofort erhob sich ein Wind, zerstreute die Wolken, und die Sonne trat hervor. Das Volk ging ins Feld hinaus und holte sich Schwämme und Morcheln. Darauf ließ ihm Simon ben Satah sagen: Wärest du nicht Honi, so würde ich dich in den Bann getan haben; würde nicht der Name Gottes entweiht worden sein, selbst wenn es Jahre gleich den (Hungers)jahren Elijahus wären, wo der Schlüssel des Regens in der Hand Elijahus war!? Was aber kann ich gegen dich tun, wo du dich gegen Gott vergehst und er dir dennoch deinen Wunsch erfüllt, wie sich ein Kind gegen seinen Vater vergeht und er ihm dennoch seinen Wunsch erfüllt […].“4

      Mit diesen unpolitischen Charismatikern verbindet Jesus die Verknüpfung von Wundertätigkeit mit Prophetie sowie die umstrittene Wundervollmacht.5 Allerdings wurde Jesus als politischer Rädelsführer und Zelot durch die Römer hingerichtet.6 Das Spezifikum Jesu liegt in der Verknüpfung von Wundern und basileía-Botschaft (Mt 12,28par.).

      2.3.3 Wundertäter im hellenistischen Raum

      Wunderkraft wurde in der Antike olympischen Göttern, Heroen, Halbgöttern, Philosophen und weltlichen Herrschern zugeschrieben. Zeitlich und inhaltlich enge Analogien zu Jesus bieten die Wunderberichte über Apollonius von Tyana (ca. 40–120 n. Chr.).1 Andere Wunderberichte datieren ab dem 2. Jh. n. Chr.2

      a) Götter, Halbgötter und Heroen

      Homers Epen, Äsops Fabeln und andere Mythen berichten von großer Wunderkraft und -aktivität olympischer Götter, Heroen und Halbgötter.1 So schwängert Göttervater Zeus in Verkleidung Frauen, Apollon greift in die Schlacht um Troja ein und Götter lenken die Irrfahrt des Odysseus. Halbgötter wie Herakles, Achill und Theseus vollziehen zuweilen phantastisch anmutende Wunder: Der Säugling Herakles erwürgt zwei Schlangen und bezwingt den Höllenhund Kerberos. Heroen von Troja wie Achill und Hektor haben übermenschliche Kräfte, sind aber von den Launen der Götter abhängig. – Die Götterwelt spiegelt menschliche Grundkonflikte, die Mythen begründen gesellschaftlich-religiöse Strukturen. Antiker Tempelkult und privater Kultus regulieren das Verhältnis zu den Göttern und strukturieren das tägliche Leben.2

      b) Menschliche Wundertäter

      Auch historische Führungsfiguren gelten als Wundertäter. So konnte Alexander der Große wie Mose das Meer zurückdrängen (Plutarch, Alexandros 17). Aristides konnte wie Jesus einen Sturm stillen (ders., Aristides 2,11f.). Pythagoras wirkte angeblich Wunder unter Tieren (Iamblichus, VitPyth 8,36; 13,60–62), Vespasian wies sich durch Wunder als legitimer Kaiser aus:1

      „Über die Monate hin, in denen Vespasian in Alexandrien auf die an bestimmten Tagen einsetzenden Sommerwinde und (damit) auf sichere Seefahrt wartete, ereigneten sich viele Wunder, durch die, so meinte man, eine Gunst des Himmels und eine gewisse Zuneigung der Götter zu Vespasian gezeigt würde. Aus der alexandrinischen Plebs warf sich einer, der durch das Siechtum der Augen bekannt war, vor seine Knie und erbat mit Seufzen Heilung der Blindheit […] Und er bat den Fürsten, daß er Wangen und Augenlider bestreichen wolle mit dem Speichel des Mundes. – Ein anderer, krank an der Hand, bat […], daß sie durch Fuß und Fußsohle des Kaisers berührt würde. Vespasian lachte zuerst und lehnte ab. […] Schließlich befahl er, von Ärzten solle untersucht werden, ob solche Blindheit und Schwäche durch menschliche Kraft überwindbar seien. Die Ärzte stellten in verschiedener Richtung Erörterungen an: Bei den einen sei die Kraft des Augenlichtes nicht erloschen und könne zurückkehren, wenn Hindernisse beseitigt würden; bei einem anderen seien die Glieder wie verrenkt und könnten, wenn heilsame Gewalt angewendet würde, wiederhergestellt werden. […] Mit heiterer Miene vollbrachte er (Vespasian), während die Menge gespannt dastand, das Gewünschte. Sogleich wurde die Hand wieder gebrauchsfähig, und dem Blinden leuchtete der Tag von neuem. Beides erzählen auch jetzt noch Leute, die dabei waren, wo doch eine Lüge kein Gewinn mehr wäre.“2

      Bekannte Wundertäter waren Apollonius von Tyana, Apuleius von Madaura und Alexander von Abonuteichos.3 Philostrat (3. Jh. n. Chr.) beschreibt Heilungswunder und Totenerweckungen des Apollonius (VitApoll 4,45). Apollonius habe sich ähnlich wie Jesus mit einen Jüngerkreis umgeben und sich mit seinen Wundern zeitgenössischer Polemik ausgesetzt.4 Laut Erkki Koskenniemi (*1956) geben die Berichte eher Auskunft über den Wunderglauben zur Zeit Philostrats als über den historischen Apollonius.5 – Berichte über menschliche Wundertäter wirken ähnlich fiktiv wie Legenden über Halbgötter und Heroen. In diesem Kontext konnte Jesus von Nazareth als charismatischer, in göttlicher Vollmacht handelnder Wundertäter wahrgenommen werden.6

      2.3.4 Magier, Zauberer und Schamanen

      a) Magische Züge im Wunderwirken Jesu

      Einige ntl. Wundertexte Jesu haben magischen Anstrich, insbesondere Exorzismen, Kontaktwunder und (Speichel-)Riten.1 In der Beelzebul-Perikope wird Jesus satanischer Magie bezichtigt (Mk 3,22parr.).

      Beispiele: Die blutflüssige Frau wird durch Kontakt zur Kleidung Jesu geheilt (Mk 5,25–34). – Indirekte Kontakte zu den Aposteln


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