Nela Vanadis. Nina Lührs

Nela Vanadis - Nina Lührs


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bitte?“, entfuhr es Till verwirrt. „Weshalb sollte ich Lunela verstecken?“

      „Du liebst sie, willst sie nicht teilen, ihr ihre Bestimmung und ihr Geburtsrecht vorenthalten, weil du nur ein nichtsnutziger Drauger bist“, hielt Gersimi ihm vor.

      „Nein!“, entfuhr es dem Drauger inbrünstig.

      „Natürlich gibst du es nicht zu. Immerhin weißt du, dass niemand Forseti schmähen sollte“, erwiderte Gersimi kalt.

      „Jarick, ich habe mit Lunelas Verschwinden nichts zu tun“, versetzte Till.

      ‚Ich weiß‘, ließ Jarick seinen Freund mental wissen. ‚Aus irgendeinem Grund ist Gersimi allerdings davon überzeugt, ihr beide wäret durchgebrannt. Ich werde sie in dem Glauben lassen.‘

      „Ich breche noch in dieser Stunde nach Asenheim auf“, beschloss Jarick kühl.

      „Asenheim?“, verstand Gersimi nicht, „wir müssen die Gegend durchkämmen.“

      „Nein, Nela wird ein Schicksalstor aufsuchen, um nach Midgard zurückzukehren. Nicht wahr, Till?“, schenkte Jarick seine angebliche Zustimmung zu Gersimis Mutmaßungen. Stumm nickte sein Freund, spielte mit.

      „Ich werde Euch begleiten“, bot die Vanin ihre Hilfe an. Ihre Augen funkelten vor Hochspannung.

      „Nein“, befahl Jarick abweisend. „Lunela ist meine Schülerin. Es handelt sich um eine Alvaren- und Sebjoangelegenheit.“

      Zu Jaricks Überraschung fügte sie sich gehorsam.

      „Till, Ihr werdet mich allerdings begleiten“, forderte Jarick zornig.

      „Gewiss, Forseti“, neigte Till ehrfurchtsvoll sein Haupt.

      Das Verhör

      Verzagt setzte Nela sich zu Emma an den Tisch in Balders Wohnhöhle. „Er redet einfach nicht.“

      „Ich bin auch mit meinem Latein am Ende“, seufzte Emma verdrießlich.

      „Ich habe es euch gesagt. Er wird nicht reden, auch wenn ihr ihn nett darum bittet. Niemals wird er freiwillig seinen Ansu verraten“, wusste Balder.

      „Ich möchte doch nur wissen, wer mich entführen ließ und warum“, entfuhr es Nela ungehalten. „Er sitzt hier genauso fest wie wir. Sein Ansu kann ihn hier nicht zur Rechenschaft ziehen.“

      „So einfach ist das nicht. Nela, du würdest Jarick auch nicht verraten“, hielt Balder dagegen. „Außerdem ist er davon überzeugt, dass er durch das Schicksalstor auch wieder zurück kann.“ Auch Nela hatte geglaubt, durch die Felsspalte zurück nach Asgard gelangen zu können, zu ihrem Verdruss hatte sich das Tor geschlossen. Daraufhin bat sie um eine Audienz bei Hel, um ihre missliche Lage zu erklären. Allerdings wartete sie nun schon seit Tagen auf eine Antwort der Göttin. Bisher wollte die Herrin der Unterwelt sie nicht empfangen. Vielleicht würde sie es nie tun.

      „Einverstanden. Verhör ihn, aber ich komme mit.“

      „Nela, du darfst dich nicht bei meinem Vorgehen einmischen. Du musst mir uneingeschränkt vertrauen, egal, was ich tue“, warnte Balder die Walküre.

      Nela überdachte kurz seine Worte. Gewiss würde es ihr schwer fallen, sich herauszuhalten, wenn Balder ihren Entführer folterte. „Abgemacht.“

      Gemeinsam gingen sie in das Kellergewölbe der Wohnhöhle. In einer Ecke waren nur wenige Holzscheite gestapelt, in einem in den Fels gehauenen Regal lagerten diverse Flaschen mit Lebenssaft. Auch hatte Balder einen Vorrat an Lebensmitteln für seine nicht lysanischen Gäste angelegt. Seitdem Nela in Hel war, wohnte auch Emma bei Balder. Es war zwar sehr eng, aber Emma wollte Nela nicht alleine lassen, und Balder bestand darauf, dass die Schülerin seines Sohnes bei ihm Obdach fand.

      Ein karges Licht leuchtender Moose, die an der Felswand wuchsen, erhellte im Keller einen Brunnen, der zu einem unterirdischen Fluss reichte. Daneben stand ein Tongefäß, um dessen Hals ein Seil gebunden war.

      Ihr Entführer kauerte in Eisenketten in einer düsteren Ecke. Balder ging vor ihm in die Hocke. Nur langsam hob der Entführer verächtlich den Kopf.

      „Da du den Frauen nichts verraten möchtest, werde ich nun mit dir reden“, begann Balder sein Verhör freundlich, viel zu freundlich.

      „Wie lautet dein Name?“

      Keine Antwort. Balder wiederholte seine Frage gelassen. Nela hatte erwartet, dass der Ase den Gefangenen schlagen würde, aber das tat er nicht. Noch nicht. Ihr Entführer schwieg weiterhin.

      Blitzschnell griff Balder mit seiner Hand um seine Kehle. Verzweifelt wehrte er sich gegen den festen Griff.

      „Dein Name!“, forderte Balder eine Antwort.

      „Veit“, gab er auf.

      „Nun Veit, wer ist dein Ansu?“

      Keine Antwort.

      Balder ließ seine Kehle los und wandte sich seinem Handgelenk zu. Ruhig zog der Ase den Ärmel hoch.

      „Was tut Ihr?“, wehrte Veit sich gegen Balders Griff.

      „Du willst mir seinen Namen nicht nennen, also werde ich deine Arwa befragen.“

      Veit trat mit seinen Füßen nach dem Asen, während Balder seelenruhig mit seiner Hand über die markelose Haut strich und dabei uralte Worte murmelte, die Nela nicht verstand. Veit durchfuhr ein Zucken, aber die Arwa blieb verborgen. „Gut, du gehörst nicht zur Sebjo meines Sohnes. Das beruhigt mich ungemein.“

      „Ich bin kein Verräter. Niemals werde ich die Sebjo verraten!“, entfuhr es Veit zornig.

      „Natürlich nicht“, erwiderte Balder ernst. „Aber du hast die Schülerin meines Sohnes entführt. Du verstehst sicherlich, dass ich dieses Vergehen nicht ungesühnt lassen kann. Gewiss hast du auf Geheiß deines Ansus gehandelt. Dein Ansu wird sich dafür verantworten müssen.“

      „Das geht Euch nichts an! Ihr seid nicht Lunelas Meister, Ihr gehört nicht zur Familie Vanadis. Ihr handelt gesetzlos, wenn Ihr mich foltert“, presste Veit die Worte hasserfüllt aus.

      Nela wollte Fragen stellen, doch sie schwieg, mischte sich nicht ein, denn immerhin hatte Balder es geschafft, dass er mit ihm sprach.

      „Woher stammst du, Veit?“

      „Weshalb wollt Ihr das wissen?“

      „Nun, deine Angehörigen sollten irgendwann erfahren, was mit dir geschah, wohin du verschwunden bist. Gewiss werden sie sich um dich sorgen.“

      „Ich habe nur noch eine Schwester“, murmelte Veit. „Alle anderen sind schon vor langer Zeit gestorben.“

      „Ich verstehe. Dein Ansu hält dich und deine Schwester am Leben.“

      „Nein.“

      „Nein?“

      „Meine Schwester nicht. Sie gehört zu einer anderen Sebjo.“

      „Interessant. Wie heißt deine Schwester?“

      „Wie lange weilt Ihr schon hier in Hel?“, stellte Veit eine Gegenfrage.

      „Über ein Jahrtausend“, gab Balder ihm bereitwillig eine Antwort. „Ich kann deshalb vermutlich deine Schwester gar nicht kennen.“

      „Nein, das könnt Ihr nicht.“

      „Dann nenn mir ihren Namen und die Sebjo, der sie angehört, damit ich ihr eine Botschaft zukommen lassen kann“, war Balder einfühlsam.

      „Gismara“, flüsterte er.

      „Nein“, entfuhr es Nela aufgewühlt.

      Flugs sah Balder zu ihr. „Du kennst Gismara?“

      „Sie ist Jaricks Airista. Aber natürlich kann es auch nur Zufall sein, dass die Airista und seine Schwester denselben Namen tragen.“

      Balder


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