Tierschutzrecht. Hansjoachim Hackbarth
Entscheidung zur Höhe des Schadensersatzes bei Verletzung eines Tieres auf diese Grundsatznorm zurückgegriffen (BGH vom 27.10.2015 VI ZR 23/15)
Nach der Wertung des Bundesverfassungsgerichts will diese Norm einen ethisch ausgerichteten Tierschutz erschaffen, in dem es auf die Mitverantwortung des Menschen für das seiner Obhut anheimgestellte Lebewesen ankommt.10
Andererseits wird nicht angestrebt, Tieren jegliche Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens zu ersparen. Vielmehr wird das Wohlergehen der Tiere im Rahmen der dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechenden Forderung, Tieren nicht ohne vernünftigen Grund vermeidbare, das unerlässliche Maß übersteigende Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen, gewährleistet.
Der Gesetzgeber war bemüht, ethische Forderungen einerseits und wirtschaftliche sowie wissenschaftliche Erfordernisse andererseits miteinander in Einklang zu bringen.11 Inwieweit diese Aufgabenstellung erfüllt wird, hängt maßgeblich von der konsequenten Anwendung und Durchsetzung dieses Gesetzes ab. Tierschutz sollte auf einer vernünftigen Basis beruhen: er sollte weder rein emotional, noch rein wissenschaftlich, noch rein juristisch ausgeübt werden.
Die Tiere selbst können den ihnen gewährleisteten Schutz nicht durchsetzen oder beanspruchen diesbezüglich sind sie auf den Menschen angewiesen. Aus § 1 TierSchG lässt sich jedoch nicht herleiten, dass Tiere Rechtssubjekte und somit selbstständige Träger von Rechten und Pflichten sein können. Tiere sind weder rechtsfähig, noch kommt ihnen eine Beteiligtenstellung in einem gerichtlichen Verfahren zu, da unsere Rechtsordnung anthropozentrisch ist, d. h. auf den Menschen geprägt ist. Zusammenfassend ist dies wohl am deutlichsten ausgedrückt: „Dem Tier sind gegenüber dem Menschen keine Rechte gegeben, wohl aber diesem (dem Menschen) Pflichten in Bezug auf das Tier auferlegt“.12
1.2Definitionen
Die in § 1 TierSchG aufgeführten Begriffe finden sich in vielen Normen dieses Gesetzes wieder und ihr Verständnis spielt für die richtige Anwendung eine entscheidende Rolle.
Das Tier als Mitgeschöpf
Der Begriff der Mitgeschöpflichkeit wird im Deutschen Tierschutzgesetz zur Verpflichtung des Menschen gegenüber dem Tier angeführt. Als Ebenbilder Gottes, wie es in der Schöpfungsgeschichte heißt, sind wir verpflichtet diese Schöpfung zu bewahren, das heißt nicht, dass wir sie nicht nutzen sollen oder dürfen – macht euch die Erde untertan – sondern dass wir bei der Nutzung von Mitgeschöpfen die Verantwortung für diese Geschöpfe übernehmen und ethisch verantwortlich handeln. Diese Verantwortung gegenüber den tierischen Mitgeschöpfen wird im allgemeinen Verständnis unter dem Begriff "ethischer Tierschutz" subsumiert.
Die Definition des Tieres umfasst die zwischen Mensch und Pflanze stehende Lebensform. In der praktischen Anwendung dieses Gesetzes dürfte dieser Begriff kaum Schwierigkeiten bereiten. Als geschütztes Objekt des Tierschutzgesetzes sind alle Tiere ohne Unterscheidung nach Lebensalter, Geschlecht und Entwicklungsstadium zu verstehen, solange es sich nur um ein lebendes Tier handelt.13
Nicht unter den Schutzbereich dieser Norm fallen tierische Eier jeglicher Art wie Vogelgelege und Laich, sowie Tierkadaver, Tiermumien und Fossilien.
Eine Differenzierung zwischen wildlebenden und in menschlicher Obhut befindlichen Tieren findet im § 1 des Tierschutzgesetzes nicht statt.
Den Schutz dieser Vorschrift genießen natürlich auch Tiere, gegen die der Großteil der Menschen eine emotionale Zurückhaltung hegt, weil sie giftig, gefährlich oder schädlich sind.
Die Verweisung auf die Mitgeschöpflichkeit des Tieres soll signalisieren, dass das Tier nicht nur eine Sache ist, sondern aus ethischen und nicht aus anthropozentrischen Gründen unsere Achtung und Hilfe verdient. Von einer rechtlichen Gleichstellung mit dem Menschen kann und soll allerdings keine Rede sein.
Leben
Die Definition in Bezug auf den Beginn des Lebens birgt einige Probleme. Das Tier wurde bis 2013 erst ab dem Zeitpunkt unter den Schutz des Tierschutzgesetzes gestellt, in dem es während des Geburtsvorganges in den Geburtskanal eintritt. Selbst ein sehr weit entwickelter Fötus, der sich aber immer noch im Uterus befindet, war nicht geschützt. Das Gesetz zum Schutz der Embryonen ist nicht auf Tiere, sondern ausschließlich auf menschliche Embryonen anwendbar. In § 14 der Tierschutz-Versuchstierverordnung vom 1.8.2013 wird der Schutz nun ausgedehnt auf Larven von Wirbeltieren, soweit diese in der Lage sind, selbstständig Nahrung aufzunehmen, oder Föten von Säugetieren ab dem letzten Drittel ihrer normalen Entwicklung vor der Geburt, oder auf andere Wirbeltiere in einem Entwicklungsstadium vor der Geburt oder dem Schlupf, wenn die Tiere über dieses Entwicklungsstadium hinaus weiterleben sollen und nach der Geburt oder dem Schlupf infolge der Verwendung voraussichtlich Schmerzen oder Leiden empfinden oder Schäden erleiden werden. Wenn dies für Versuchstiere gilt, gilt dies auch für alle anderen Tiere und ist entsprechend zu beachten z. B. bei der Schlachtung oder Euthanasie hoch tragender Tiere.
Der Schutzbereich endet mit dem Tod des Tieres. Eine Diskussion ähnlich dem Tod eines Menschen, ob der Herzstillstand oder der sogenannte Hirntod maßgebend ist, gibt es in diesem Bereich nicht. Mit dem Herzstillstand des Tieres endet der Schutz durch dieses Gesetz.
Wohlbefinden
Wohlbefinden liegt dann vor, wenn ein Tier frei von negativen Empfindungen ist. Kennzeichnend für ein Wohlbefinden sind Gesundheit, Zufriedenheit, die Erfüllung sozialer und ethologischer Bedürfnisse und normales Verhalten. Anknüpfungspunkt für diesen Zustand sind die gesamten Lebensumstände eines Tieres. Das BverwG führt in einem Urteil aus, dass das Wohlbefinden des Tieres im Wesentlichen auf einem ungestörten, artgemäßen sowie verhaltensgerechten Ablauf der Lebensvorgänge beruht (BverwG vom 18.1.2000 3 C 12/99). Die Unterordnung des Zustandes eines Tieres unter den Begriff des Wohlbefindens unterliegt subjektiven Eindrücken. Im Zusammenhang mit den anderen Normen dieses Gesetzes und veterinärmedizinisch allgemein anerkannten Grundsätzen ist aber eine genaue Bestimmung dieses Merkmals durchaus gewährleistet.
Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung14 sind Grundvoraussetzung für das Vorliegen von Wohlbefinden. Das Tier muss physiologisch ausgewogen und frei von Schmerzen sein, seine Verhaltensbedürfnisse ausleben, sowie seine Umwelt kontrollieren können. Für die Beurteilung des Wohlbefindens bilden Morphologie, Physiologie und das Verhalten eines Tieres repräsentative Parameter.
Ohne vernünftigen Grund
Die Effizienz und Reichweite des durch dieses Gesetz geschaffenen Tierschutzes bemisst sich an der Definition des vernünftigen Grundes, der einen der wichtigsten und zugleich auch ungeklärtesten Begriffe dieses Gesetzes verkörpert.
Besonders wichtig ist die Auslegung auch im Hinblick auf §§ 17, 18 TierSchG. Der vernünftige Grund führt dort zur Straflosigkeit einer Handlung, auch wenn ansonsten alle Tatbestandsvoraussetzungen der Norm erfüllt sind. Weitere Beispiele werden in Kapitel XIV aufgeführt.
Die denkbaren Situationen, in denen einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden können, sind so umfangreich und vielfältig, dass eine konkrete Definition dieses so wichtigen Begriffes nicht möglich ist, man spricht von einem sogenannten „unbestimmten Rechtsbegriff“, der im Einzelnen durch Gerichte in Auswertung des konkreten Sachverhalts auszulegen ist.
Eine generelle Klassifizierung eines Vernunftbegriffes ist auf Grund dessen bis jetzt nicht vorgenommen worden. Die Prüfung des Vorliegens eines vernünftigen Grundes verlangt im Einzelfall eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und Interessen. Zwischen dem Anliegen eines möglichst weitreichenden Tierschutzes und gegenläufigen menschlichen Belangen, sich gegenüber dem Tier in bestimmter Weise zu verhalten, muss abgewogen werden.
Unter einem vernünftigen Grund wird regelmäßig