Tierschutzrecht. Hansjoachim Hackbarth
Schutzgut des Tierschutzgesetzes zu setzen ist und kein zwingender Grund zu sein braucht.
Generell wird man Handlungen, die auf Emotionen wie Wut, Ärger oder der Lust an der Zufügung von Schmerzen zurückzuführen sind, den vernünftigen Grund absprechen.
Als vernünftiger Grund anerkannt sind jedoch Beweggründe mit sozial anerkannten Motiven, wie die Nutzung des Tieres zu Nahrungszwecken des Menschen oder zur Verwendung als Futtermittel. Da jedoch die Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf einen effektiven Tierschutz auf hohem Niveau gebietet, wäre es unverantwortlich, jeglichen von objektivierbaren Vernunfterwägungen getragenen Eingriff als ausreichende Legitimationsgrundlage für die Zufügung von Schmerzen, Leiden, Schäden oder die Tötung von Tieren zu akzeptieren.
Bei der Bestimmung des Vorliegens eines vernünftigen Grundes ist daher im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das Vorhandensein folgender Voraussetzungen immer zu prüfen:
Das gewählte Mittel, welches eine Beeinträchtigung des Tieres mit sich bringt, muss im konkreten Fall geeignet sein, das angestrebte Handlungsziel zu erreichen.
Ein vernünftiger Grund liegt mithin schon nicht vor, wenn dem Tier zum Zwecke der Nahrungsmittelgewinnung Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden und dann z. B. eine Verwertung zu Nahrungszwecken nicht mehr möglich ist.
Weiterhin muss der Eingriff auch notwendig sein, d. h. es darf keine die Integrität der Tiere weniger beeinträchtigende Maßnahme mit gleicher Effektivität in Betracht kommen. Wenn man ein Tier schon in seiner körperlichen und psychischen Integrität beeinflusst, muss man von mehreren zur Verfügung stehenden Mitteln dasjenige wählen, welches für das Tier die geringsten Auswirkungen mit sich bringt.
Letztlich muss auch das Kriterium der Angemessenheit vorliegen. Hier muss eine Abwägung zwischen Mittel und Zweck vorgenommen werden. Dies ist nur im Rahmen der bereits erwähnten Einzelfallbetrachtung möglich.
So wird eine erhebliche, jedoch abstrakte Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung (z. B. Fütterungsverbot beim Auftreten großer Taubenschwärme im Stadtgebiet15 oder beim Füttern von Wildkatzen im Wohngebiet16) ohne weiteres als vernünftiger Grund anerkannt. Der Schutz der menschlichen Gesundheit hat einen höheren Rang als der Tierschutz.
Bei der Tötung von Tieren zu Ernährungszwecken muss eine Abwägung zwischen der Tiertötung und dem Fleischverzehr vorgenommen werden. Der Einfluss einer kritisch zu betrachtenden Intensivtierhaltung mit all ihren Problemen wird in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt. Auf Grund der Sozialadäquanz des Fleischverzehrs wird in diesem Zusammenhang das Vorliegen eines vernünftigen Grundes bejaht.
Schmerzen
In der Veterinärmedizin mangelt es an einer eindeutigen Definition dieses Begriffes. Übertragbar ist jedoch eine humanmedizinische Erklärung dieses Begriffes, der von der International Association for the Study of Pain (IASP) 1979 wie folgt definiert wurde: „Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das im Zusammenhang mit tatsächlicher oder potentieller Schädigung steht oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.“ Zimmermann (1986) ergänzt diese Definition der IASP: „Schmerz bei Tieren ist eine aversive Empfindungserfahrung, verursacht durch aktuelle oder potentielle Verletzung (Schädigung), die ihrerseits schützende motorische und vegetative Reaktionen auslöst, sowie erlerntes Meideverhalten bewirkt und das spezifische Artverhalten – einschließlich des Sozialverhaltens – modifizieren kann.“
Zu unterscheiden ist weiterhin zwischen dem körperlichen und dem psychischen Schmerz. Rein begrifflich erfordert der Schmerz keine unmittelbare Einwirkung auf das Tier. Maßgebend ist auch die Fähigkeit des Schmerzempfindens. Man wird wohl sagen können, dass die Schmerzempfindlichkeit eines Tieres an seine Organisationsstufe gebunden ist, wobei das Fehlen von offensichtlichen Schmerzäußerungen, z. B. fehlende Vokalisation, nicht als Schmerzunempfindlichkeit gedeutet werden darf. Alle Tiere, die über ein nozizeptives System verfügen, empfinden Schmerz. Liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Ausmaß der Schmerzempfindlichkeit bestimmter Tierarten vor, muss im Analogieschluss wenigstens von der gleichen Schmerzempfindlichkeit wie bei Menschen ausgegangen werden. Auch individuelle Unterschiede sind dabei zu berücksichtigen.
Leiden
Während Schmerzen durch körperliche Beeinträchtigungen hervorgerufen werden, sind nach der Rechtsprechung Leiden alle vom Begriff des Schmerzes nicht erfassten Beeinträchtigungen des Wohlbefinden, die über ein schlichtes Unbehagen hinausgehen und eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne fortdauern.17 Maßgebend für die Bestimmung dieses Merkmals ist auch die Leidensfähigkeit eines Tieres, die auch hier an die Höhe der Organisationsstufe innerhalb des Tierreiches gebunden ist. Im Übrigen wird der Begriff durch instinktwidrige, vom Tier als lebensfeindlich empfundene Einwirkungen und durch sonstige Beeinträchtigungen des Wohlbefindens des Tieres gekennzeichnet. Es ist keine andauernde oder gar nachhaltige Beeinträchtigung erforderlich. Andererseits ist nach der Rechtsprechung ein schlichtes Unbehagen nicht ausreichend. Eindeutig unter diesen Begriff fallen seelische oder psychische Ängste oder Qualen. Fünf Grundformen des Leidens sind bei kranken Menschen definiert (Hartmann 1986). Sie umfassen Niedergeschlagenheit, Schmerz, Angst, Scham und Sterblichkeitsbewusstsein. Während die ersten drei Formen auch bei leidenden Tieren zu beobachten sind, haben Scham und Sterblichkeitsbewusstsein bei ihnen eher keine Bedeutung. Der Ausdruck der Empfindungen erfolgt bei leidenden Tieren weniger komplex, d. h. Tiere stellen sie offener und unverstellter zur Schau. So vernachlässigen leidende Tiere ihre Körperpflege und setzten sie nicht wie der Mensch aufgrund eines Schamgefühls fort. Leiden kann somit als subjektive Empfindung angesprochen werden. Leiden kann als Konsequenz von Schmerzen entstehen und immer dann auftreten, wenn das Tier längerfristig einer belastenden Situation ausgesetzt ist, welches sein Anpassungsvermögen übersteigt. Ebenfalls nicht ganz unproblematisch ist der Begriff „eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne“, da Tiere über keinen Zeitbegriff verfügen und eine sehr unterschiedliche Lebensspanne aufweisen können. Zeitspannen nach menschlichem Empfinden sind deshalb kaum anwendbar. Nicht umfasst werden soll eine einzelne reine Augenblicksempfindung. I.d.R. wird hier eine veterinärmedizinische Einschätzung erfolgen müssen, vor allem in Gerichtsverfahren.
Schäden
Das Wesen des Schadens liegt darin, dass der Zustand, in dem sich ein Tier befindet, zum Schlechteren verändert wird. Im Vordergrund steht also nicht die Beeinträchtigung einer bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit. Auch ist keine Dauerwirkung nötig, eine vorübergehende Beeinträchtigung ist ausreichend.
Schäden können körperlicher und psychischer Art sein. Schmerzen und Leiden können einem Schaden vorausgehen, diesen begleiten oder ihm nachfolgen, müssen es aber nicht. Umgekehrt kann ein Schaden als Ursache, Begleiterscheinung oder Folge von Schmerzen und Leid auftreten.
Eine Verletzung oder Minderung der Substanz des Tieres ist nicht notwendig. Der Schaden setzt keine Schmerz- oder Leidensfähigkeit des geschädigten Tieres voraus. Unter anderem sind Abmagerung, Unfruchtbarkeit, Etho- oder Psychopathien als Folge von Schreckerlebnissen oder Wunden, Gleichgewichtsstörungen, herabgesetzte Bewegungsfähigkeit, also Gesundheitsschädigung mit ihrer gesamten körperlichen und seelischen Bandbreite, als Anzeichen von Schäden aufzufassen.
Ob auch der Tod selbst als Schaden zu werten ist, ist umstritten. Wird einerseits der Tod als maximaler Schaden gewertet, so kommt Luy (1998) unter Bezug auf Epikur zu dem Schluss, das die schmerzlose Tötung eines Tieres ohne moralischen Status ist, sie ist weder wünschenswert, noch unmoralisch. Die Legalität der Tiertötung ist einzig und allein vom Vorhandensein eines „vernünftigen Grundes“ (§ 17 TierSchG) abhängig. Somit ist auch die Tötung eines kranken Tieres (Euthanasie) möglich, ja sogar geboten, was bei der Annahme des Todes als maximaler Schaden gar nicht möglich wäre. Epikur führt dazu in einem Brief an Menoikus aus: „Gewöhne dich an den Gedanken, dass der Tod uns nichts angeht. Denn alles Gute und Schlimme beruht auf der Wahrnehmung. Der Tod aber ist der Verlust der Wahrnehmung. . .. . .. . .. Das schauerlichste Übel also, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir existieren, ist der Tod