Seit ich dich kenne .... Jascha Alena Nell

Seit ich dich kenne ... - Jascha Alena Nell


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hatte. Ich fuhr mir durch das damals noch lange, lockige Haar und schloss dabei genüsslich die Augen, egal, ob die Kamera frontal oder im Profil auf mich gerichtet war, ich sah immer zum Anbeißen aus. Keine Ahnung, ob die das bearbeitet hatten, jedenfalls war ich stolz auf mich selbst. Ich duschte mit so viel Hingabe und Leidenschaft, dass sicher so manche junge Dame vor dem Fernseher am liebsten durch den Bildschirm zu mir in die Dusche gestiegen wäre.

      Marvin lachte sich halb kaputt über meinen Gesichtsausdruck und spuckte in einem Lachanfall Bier durchs gesamte Wohnzimmer. „Alter ... ich kann nicht mehr. Mann, du siehst so ... haha ... so beknackt aus. Als würdest du zum ersten Mal in deinem Leben duschen ... haha ... oder erst jetzt realisieren, dass du einen Penis hast ... im Übrigen schade, dass man den nicht sieht ... haha ...“

      Er kriegte sich kaum mehr ein, ich warf ein Kissen nach ihm und knurrte: „Vollidiot!“

      Am nächsten Tag riefen erst Amanda, dann Layla, Tanja und zwei weitere weibliche Fans bei mir an, denen ich wohl in einem Anfall geistiger Umnachtung meine Handynummer gegeben hatte, und waren hellauf begeistert über meinen Auftritt.

      „Okay, Chris, pass auf, ich hab’s mir anders überlegt. Mein Hintern ist doch nicht zu gut für dich, ich will mit dir ins Bett“, kreischte Layla lautstark in den Hörer. „Himmel, Arsch und Zwirn, siehst du gut aus.“

      Ich lachte geschmeichelt. „Das erkennst du erst jetzt?“ Natürlich schlief ich nicht mit Layla, auch wenn ich nun wohl gute Chancen hatte.

      Im Laufe des nächsten Monats modelte ich noch zweimal für die Werbeagentur. Das eine Mal stand ich zusammen mit einer wahnsinnig gut aussehenden, jungen Frau vor der Kamera, wir drehten einen Werbespot für ein Parfum und ich sollte so tun, als würde ich mich erst in ihren Duft und dann in sie selbst verlieben. Es funktionierte nach einigen Anläufen prima ‒ sobald ich mich auf den Geruch eingelassen hatte und dem Drang, sie an mich zu reißen und zu küssen, widerstanden hatte.

      Erneut wurde sichtbar, dass ich sehr ambitioniert war in Sachen Schauspiel, ich bekam großes Lob vom gesamten Produktionsteam und das Model wollte mit mir ins Bett. Ich ließ es zu und es war ein großartiges Gefühl, dass ich sogar Chancen bei einer Frau hatte, die im Modelbusiness erfolgreich war und so sexy, dass Millionen von Männern sie begehrten. Und ICH bekam sie.

      Das Beste war, dass sie wie ich nur ihren Spaß haben wollte, nichts Festes, keine Verantwortung, keine Beziehung. Wir beließen es bei diesem einen Mal, sie zog in die weite Welt hinaus, ich blieb in Berlin und ließ mich von meinem kleinen Fanstamm anhimmeln, dem sich immer mehr Mädels anschlossen. Es fühlte sich geil an und ich wünschte mir, noch berühmter zu sein. Ich wusste, dass dafür mehr nötig war als zweiminütige Werbespots im Abendprogramm, die eine Vielzahl von Leuten vermutlich wegschalteten. Aber der erste Schritt war getan. Ein paar Leute kannten mich, das war ein Anfang.

      Beim dritten Mal drehten wir einen Werbespot für eine neue Kaffeesorte. Ich sollte zusammen mit einem hübschen Model ein Liebespaar spielen, das sich zerstritten hatte, doch der köstliche Kaffee versöhnte uns mit der Welt und miteinander, so sehr, dass ich ihr schließlich einen romantischen Heiratsantrag machte. Die Szene war wahnsinnig kitschig geschrieben, die Slogans und Melodien erinnerten an den Vorspann einer Soap Opera und ich konnte mir oft das Lachen nicht verkneifen, als ich all die schwülstigen Sätze aufsagen und dabei auch noch ernst bleiben musste.

      Joachim sah diesen Werbespot und irgendwas an mir gefiel ihm. Er behauptete später, er hätte sofort erkannt, dass ich das gewisse Etwas hätte, dass ich spritzig und frisch wäre, dass in mir viel Potenzial steckte und ich, wenn man es richtig aufzog, wirklich berühmt und erfolgreich werden könnte. Als er auf mich zukam, mir alles in einem Gespräch ruhig erklärte und mich schließlich fragte, ob ich mich von seiner Modelagentur unter Vertrag nehmen lassen wollte, fackelte ich nicht lange und sagte begeistert Ja.

      Der Teilerfolg, den ich mit den Werbungen bereits erzielt hatte, war mir zu Kopf gestiegen. Alle hatten mich gelobt und in höchsten Tönen von mir geschwärmt, sodass ich mir vorkam, als wäre ich der neue Star am Modelhimmel.

      Frau Hartmann erlitt schier einen Nervenzusammenbruch, als ich ging. Sie weinte und flehte mich an zu bleiben, doch ich blieb hart. Somit verließ ich das sichere Nest, machte mich auf in unbekannte Gewässer und erkannte bald, dass das alles kein Zuckerschlecken war. Nie zuvor war ich so angetrieben worden, nie zuvor hatte mir jemand solchen Druck gemacht wie Joachim.

      „Wenn du als Model Erfolg haben willst, reicht es nicht, gut auszusehen“, trichterte er mir ein. „Hier geht es um mehr ‒ um Kampfgeist, Köpfchen, Durchsetzungsvermögen, um den Willen, etwas zu erreichen, besser zu sein als andere. Du musst motiviert sein, es wirklich wollen, du musst in dir drin dieses Feuer haben, diesen Hunger nach dem Leben, das da draußen auf dich wartet und das du dir Stück für Stück erarbeiten kannst. Diese Werbespots waren erst der Anfang, Christopher. Sie waren nicht mal die erste Stufe der Karriereleiter, Junge. Sie waren ein Schritt auf die Karriereleiter zu. Die erste Sprosse ist noch meilenweit entfernt. Wenn du für den Rest deines Lebens nur von Schulmädchen und enttäuschten Hausfrauen angeschmachtet werden willst, deren Highlight es ist, dich in der Glotze zu sehen, kannst du weitermachen wie bisher, aber wenn du mehr willst, musst du kämpfen.“ „Ich will mehr“, verkündete ich im Brustton der Überzeugung. „Ich will alles!“

      Große Worte, die schwerer in die Tat umzusetzen waren als vermutet. Seit ich bei Joachim war, hatte sich mein Leben grundlegend geändert. Alles hatte sich geändert, meine Ernährung, mein Alkoholkonsum, meine Schlafgewohnheiten, mein Fitnesstraining, alles. Plötzlich musste ich mich an Essenspläne halten, wurde von Volker durch die Gegend gescheucht, hatte ein striktes Programm, nach dem ich im Fitnessstudio trainieren musste. Joachim rief mich hin und wieder wahrhaftig am Abend an und fragte, wo ich steckte. Wenn ich feiern war, war er nicht amüsiert.

      „Chris, du brauchst genug Schlaf. Und wenn du es als Model zu was bringen willst, muss Schluss sein mit übermäßigem Alkoholkonsum, und vor allem mit Drogen. Die Medien schlachten so was gerne aus und das ist ganz schlecht fürs Image.“

      Also wurde auch mein Abendprogramm ein anderes ‒ Abendessen, noch ein bisschen fernsehen, schlafen gehen. Obwohl es mir auf die Eier ging, dass Joachim mich so herumkommandierte und sich aufführte wie mein Erziehungsberechtigter, wollte ich dennoch unbedingt Erfolg haben, und wenn ich den haben wollte, musste ich ein paar Regeln befolgen.

      Das einzige Laster, das ich nicht von heute auf morgen ablegen konnte, war das Rauchen. „Davon bekommst du faltige Haut und gelbe Zähne, also bitte“, empörte sich Joachim. „Du wirst doch außerdem nicht für diese die Luft verschmutzenden, unverschämt teuren Tabakstängel dein Geld zum Fenster rausschmeißen, oder? Chris, denk an deine Zukunft, denk an deine Gesundheit!“

      Zwar hatte ich es geschafft, weniger zu rauchen, doch ganz aufgehört hatte ich noch nicht. Das wusste Joachim aber nicht, ich hatte ihm gesagt, dass ich aufgehört hätte und mich seitdem viel besser fühlte. Ich hatte keine Lust, dass er mich für zu schwach hielt, um so einer blöden Sucht zu widerstehen, was aber nun mal leider der Fall war.

      Joachim investierte eine Menge Zeit, Geld und Mühe in mich, um mich auf den rechten Weg zu bringen, wie er es nannte. Ich bekam ein Coaching in Sachen Auftreten in Anwesenheit der Medien, ich musste einen Benimmkurs machen, zahlreiche Testinterviews über mich ergehen lassen, in denen Joachim sich als Journalist ausgab und mir mit unangenehmen Fragen zu Leibe rückte.

      „Du musst vorbereitet sein, wenn die Aasgeier sich auf dich stürzen, Chris, aus dem kleinsten Zögern oder einem nervösen Lachen können die dir einen Strick drehen, die drehen dir das Wort im Mund herum und hinterher bist du das Gespött von ganz Deutschland. Ein guter Ruf ist das A und O beim Modeln. Sonst wollen dich seriöse Magazine gar nicht mehr ablichten und erfolgreiche, bekannte Marken machen einen weiten Bogen um dich, wenn dich die Schreiberlinge erst mal durch den Dreck gezogen haben.“

      Seitdem lebte ich in ständiger Furcht, irgendwelche Journalisten könnten mich auf der Straße mit einem Haufen blöder Fragen überfallen, hin und wieder hatte ich sogar Albträume deswegen. Natürlich erzählte ich niemandem davon.

      Vor Joachim gab ich mich


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