Seit ich dich kenne .... Jascha Alena Nell

Seit ich dich kenne ... - Jascha Alena Nell


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schien sich darin auch noch ziemlich wohlzufühlen. Dabei hatte ich mich doch entschuldigt. Ich hatte verschlafen, das konnte ja wohl mal passieren. Sollte ich jetzt vor ihr auf die Knie fallen und sie um Vergebung anbetteln oder was? Das konnte sie vergessen. „Du weißt schon, dass du dich total lächerlich verhältst, oder?“, fuhr ich sie an.

      Edda zuckte die Achseln. „Ist Ansichtssache. Ich glaube, dir passt es nur nicht, dass ich dich nicht anhimmle wie all die anderen Groupies, mit denen du sonst abhängst. Es passt dir nicht, dass sich mein Leben nicht nur um deines dreht, du kommst nicht damit klar, dass mal ausnahmsweise ein Mädchen nicht hin und weg von dir ist.“

      Der Zorn kroch in mir hoch, ich ballte meine Hände zu Fäusten, verfluchte mich dafür, dass ich mich unbedingt mit ihr hatte verabreden wollen, und bemühte mich darum, den Wutanfall zu unterdrücken. Nicht aggressiv werden ... ich atmete tief durch.

      „Wenn du mich so bescheuert findest“, ich sah ihr fest in die Augen, „warum bist du dann noch hier? Warum bist du nicht längst abgehauen, als ich nicht gekommen bin? Du hättest dich ja an den Kellner ranmachen können, sieht so aus, als würde der auf dich stehen.“

      Minutenlang duellierten wir uns mit Blicken, einer war giftiger als der andere. Schließlich antwortete sie: „Ich hatte Hunger. Und ich liebe Tapas.“

      Wir schwiegen uns böse an, jeder wartete darauf, dass endlich das Essen kam. Ich würde meine Nierenscheibchen hinunterschlingen und dann die Biege machen, es musste nicht sein, dass die Tussi mir den Tag verdarb.

      Das Handy klingelte, dankbar für die Ablenkung zog ich es aus der Hosentasche ‒ Joachim. Mist, das fehlte mir gerade noch. Sicher wollte er wissen, ob ich schon fleißig Sport getrieben und gesund gefrühstückt hatte. Und jetzt sollte ich mich wohl daran machen, mich auf das Casting in den kommenden Tagen vorzubereiten. Ich wollte eigentlich nicht mit ihm reden, mir irgendwelche klugen Ratschläge anhören, ich war ohnehin schon gereizt.

      „Sag mal, willst du das Ding hypnotisieren oder endlich mal rangehen?“, fragte der Rotschopf spitz.

      Am liebsten hätte ich sie angebrüllt, ihr verkündet, dass sie sich, verdammt noch mal, aus meinem Leben raushalten und mich zufriedenlassen sollte. Warum hatte ich Idiot sie nur auf ein paar Tapas eingeladen? Ohne sie eines Blickes zu würdigen, drückte ich den grünen Knopf, drehte mich von ihr weg und sagte: „Hi Joachim. Alles klar bei dir?“

      „Sag mal, was dauert denn da so lange, musstest du das Handy erst vom Mount Everest holen oder was?“, begrüßte er mich nicht gerade freundlich. Er hatte heute wohl schlechte Laune und die würde er an mir auslassen. Toll. Ich war der Prellbock für alle mit mieser Laune.

      Verdrossen sah ich hinauf in den wolkenlosen babyblauen Himmel und dachte bei mir, dass ich nachher, sobald ich den Giftzwerg und den nölenden Chef losgeworden war, eine Runde schwimmen gehen könnte.

      „Sorry“, nuschelte ich undeutlich, „war grad noch beschäftigt.“

      „Womit denn?“, fragte Joachim ironisch. „Irgendeine Latina zu bezirzen? Du liegst doch hoffentlich nicht noch im Bett, oder?“

      „Nö“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Ich stehe.“

      „Solange du nicht auf einem Surfbrett stehst, beruhigt mich diese Antwort nicht besonders“, erwiderte Joachim düster. „Im Ernst, Chris, ich hab eben mit Rebekka telefoniert, sie ist Journalistin von Belleza, da hattest du letzte Woche ein Casting. Und du bist nicht mal in die engere Auswahl gekommen.“

      Na toll, darum ging es also. Ich überlegte, welche der drei Jurymitglieder noch gleich Rebekka gewesen war. Da war eine drahtige Blonde mit Pferdegebiss gewesen, die ständig mit den Augen zuckte, eine süße Blonde mit künstlichen Fingernägeln, die sich wie besessen irgendwelche Notizen gemacht hatte, und eine Schwarzhaarige mit langen Beinen, vollen Lippen und festen, großen Brüsten, die sich in einer Tour lasziv die Lippen geleckt und mir eindeutige Signale gesendet hatte. Schade eigentlich, dass ich mir nicht die Mühe gemacht hatte, mit ihr in engeren Kontakt zu treten.

      „Christopher, ich rede mit dir!“, herrschte Joachim mich an. Manchmal hatte er den gleichen Ton drauf wie mein Alter, was nicht gerade dazu beitrug, mich zu motivieren. Wenn ich angeschrien wurde, blockte ich ab. War schon immer so gewesen, würde immer so sein.

      „Ja, tut mir leid“, murmelte ich nicht gerade aufrichtig. „War irgendwie nicht so mein Ding.“

      „Nicht so dein Ding?“ Joachim lachte freudlos. „Rebekka meinte, du wärst gar nicht bei der Sache gewesen, hättest dich von all den hübschen Frauen um dich herum komplett aus dem Konzept bringen lassen. Das ist unprofessionell, Chris, wie oft haben wir schon darüber gesprochen? Außerdem hat sie mir ans Herz gelegt, dafür zu sorgen, dass du deine Selbstherrlichkeit ablegst und dich mehr auf die Wünsche des Kunden konzentrierst als darauf, wie toll du bist.“

      Damit hatte ich nun gar nicht gerechnet. Überrascht schnappte ich nach Luft. Eigentlich war ich der Meinung gewesen, die bisherigen Castings ganz gut hingekriegt zu haben. Dass ich schlussendlich nicht genommen wurde, schob ich tatsächlich darauf, dass ich nicht ganz der richtige Typ für den jeweiligen Job war. Das hatte ich mir jedenfalls erfolgreich eingeredet. Das Feedback, das die Damen mir gegeben hatten, war keineswegs schlecht gewesen, allerdings auch wenig lobend, eher gespickt mit guten Ratschlägen und Tipps, wie ich es nächstes Mal besser machen konnte. Aber nie im Leben hätte ich geglaubt, dass ich einen so schlechten Eindruck hinterlassen hatte. Selbstherrlich? Pah!

      „Bist du dir sicher, dass das ihre Worte sind und nicht eher deine?“, fragte ich pampig und bereute die Worte, kaum dass ich sie ausgesprochen hatte. Indem ich Joachim die Schuld in die Schuhe schob, machte ich es nicht besser, eher im Gegenteil.

      Dieser rang hörbar um Fassung. „Jetzt pass mal auf, mein Lieber, ich schlage vor, dass du mal schleunigst von deinem hohen Ross runtersteigst, wenn du es in dieser Branche zu was bringen willst“, herrschte er mich mit bedrohlich gesenkter Stimme an. „Rebekka war nämlich nicht die Einzige, die mir wenig Erfreuliches zu berichten hatte. Auch die anderen beiden Castings hast du, gelinde gesagt, verkackt. Immer bekam ich zu hören, du wärst zu unprofessionell, zu selbstverliebt, würdest dich zu wichtig nehmen und die Anweisungen des Fotografen unzureichend befolgen. Ich hab’s dir schon mal gesagt und ich sage es immer wieder: Christopher, in diesem Beruf geht es nicht um dich, sondern um das, was du präsentieren sollst, egal, ob das Kleidungsstücke sind, Pflegeprodukte, Pralinen oder ... keine Ahnung, Mikrowellen. DU bist nicht der Mittelpunkt der Welt, Christopher, und auch nicht der Mittelpunkt der Kampagnen. Und wenn du nicht die Arschbacken zusammenkneifst und dich anstrengst, bin ich leider gezwungen, unseren Vertrag zu beenden. Beim Modeln geht’s nicht nur um gutes Aussehen, das musst du endlich begreifen. Dein Körper und dein Gesicht sind dein Grundkapital, darauf kannst du aufbauen, aber dafür musst du auch was tun. Du hast sehr viel Potenzial, das weiß ich, sonst hätte ich dich niemals kontaktiert. Aber mir fehlt bei dir der Kampfgeist, Christopher, der Wille, es zu etwas zu bringen. Du hast keinen Biss, keinen Antrieb, du machst einen Fehler nach dem anderen. Ich erwarte von dir, dass du dich jetzt zusammenreißt und etwas tust. Fang an zu kämpfen, verdammt noch mal! Hast du das kapiert?“

      „Ja“, murmelte ich niedergeschlagen. Dass ich so schlecht war, war mir nicht klar gewesen.

      „Gut. Ich hoffe, du denkst mal darüber nach. Ich habe keine Lust, dir endlos Standpauken zu halten, ich bin schließlich nicht dein Vater. Aber bitte komm in die Gänge! Ich hab noch einen wichtigen Termin, ich ruf dich wieder an, wenn das Casting bevorsteht. Übermorgen, denk dran! Und sei pünktlich!“

      „Ja“, wiederholte ich tonlos. Er maßregelte mich, machte mich zum Volldepp und ich war nicht mal in der Lage, mich zu wehren, sondern nickte wie ein Idiot alles kommentarlos ab. Was war nur los mit mir?

      „Na dann. Tschüss, Christopher.“

      „Adios.“ Ich legte auf, schloss für einen Moment die Augen, atmete tief durch, steckte das Handy in meine Hosentasche und drehte mich wieder zu Edda um, die mit der Hüfte gegen den Tisch gelehnt dastand und mich prüfend ansah. Das fehlte mir noch, diese Meckerziege, die


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