Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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      »Wie haben Sie ihn denn kennengelernt?«

      »Ich habe ihn verteidigt. Vor ungefähr vier Jahren.«

      »Was … ich meine, wessen hat man ihn beschuldigt?«

      »Ich möchte nicht gern darüber sprechen, Lucy. Erzählen Sie mir lieber etwas von sich. Wo leben Sie in den Staaten?«

      »In Virginia. Aber meine Eltern sind Iren. Mein Vater hat ein gutgehendes Restaurant in Richmond. Das ist die Hauptstadt von Virginia.«

      »Ich weiß.« Peter lächelte. »Und Sie studieren Sprachen?«

      »Ja, ich möchte später Lehrerin werden.«

      »Ich glaube, dazu werden Sie wohl kaum kommen. Wenn man so aussieht wie Sie, wird man nicht lange allein bleiben.«

      »Glauben Sie, dass es mein Ziel ist, mir einen Mann zu angeln, wie man so schön sagt? Nein, ich habe genug von Männern.«

      »Sie sprechen gerade so, als hätten Sie schon das halbe Leben hinter sich. Dabei sind Sie noch nicht mal ein Vierteljahrhundert alt.«

      »In einem Jahr ist es soweit.« Sie nippte an ihrem Weinglas.

      Peter lachte herzlich. Er wunderte sich ein wenig über seine fröhliche Stimmung. Er hatte doch tatsächlich die letzte halbe Stunde seinen Kummer vergessen.

      Erst als Lucy gegangen war, dachte er wieder an Linda. Bei dem Gedanken, dass sie bei Tonio war, litt er wahre Höllenqualen.

      *

      In Sophienlust herrschte freudige Erregung. Besonders Pünktchen strahlte über ihr sommersprossiges Gesicht. »Fast habe ich es geahnt, dass sie wiederkommt«, vertraute sie Nick an.

      »Ich auch, Pünktchen. Was mag nur bei den Hilles geschehen sein? Ich werde nachher Mutti fragen. Sie hat ja ausführlich mit Herrn Dr. Hille telefoniert.«

      Denise erzählte ihm später, was geschehen war.

      Nick schüttelte den Kopf. »Mutti, manche Frauen sind wirklich niederträchtig. Du würdest uns niemals eines anderen Mannes wegen verlassen.«

      »Bestimmt nicht. Aber ich führe auch eine glückliche Ehe und habe liebe Kinder.«

      »Herr Dr. Hille ist auch ein guter Mensch. Außerdem sieht er sehr gut aus. Und Nina ist ein nettes Mädchen. Frau Hille hätte wirklich keinen Grund gehabt, die beiden zu verlassen.«

      »Ach, Nick, man kann einen Menschen nicht einfach verurteilen. Keiner von uns beiden weiß, was vorgefallen ist. Auf alle Fälle müsst ihr euch bemühen, Nina zu helfen, damit sie wieder ein fröhliches Kind wird. Ich habe vorhin mit Herrn Brodmann, dem Leiter der Volksschule, gesprochen, um Nina dort anzumelden. Sie ist ja im gleichen Alter wie Vicky und kommt in dieselbe Klasse.«

      »Ob Nina sehr lange bei uns bleiben wird?«

      »Das kann ich dir nicht sagen, mein Sohn«, erwiderte seine Mutter lakonisch. »Ich fahre jetzt nach Schoen­eich. Kommst du mit?«

      »Heute übernachte ich lieber hier in Sophienlust, Mutti. Morgen ist ja der erste Schultag. Dann bin ich gleich hier, wenn die Schulbusse abfahren.«

      »Gut, mein Junge. Henrik bringe ich morgen persönlich in die Schule. Also, dann bis morgen.« Denise nickte ihrem Sohn zu. Fast tat es ihr ein wenig leid, dass Nick schon so groß und so selbstständig war. Es kam ihr vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass sie zum erstenmal mit ihm nach Sophienlust gekommen war, um das Erbe Sophie von Wellentins zu übernehmen. Doch damals war Nick erst fünf Jahre alt gewesen.

      Nick blickte dem Wagen seiner Mutter nach. Dann lief er zu den anderen Kindern zurück.

      Pünktchen erwartete ihn gespannt. »Weißt du nun, was geschehen ist?«, fragte sie.

      »Du meinst, bei den Hilles? Ninas Mutter hat ihre Familie für immer verlassen.«

      »Ist sie mit einem anderen Mann durchgebrannt?«

      »Ja, Pünktchen, so ähnlich. Darum musst du besonders lieb zu Nina sein. Du hast dich doch während der großen Ferien gut mit ihr verstanden?«

      »Ja, Nick, ich habe sie gern und freue mich, dass sie das Zimmer neben dem meinen bekommt. Ich werde die Verbindungstür immer offenlassen, damit ich sie trösten kann, wenn sie weint. Manche Mütter sind wirklich gemein.«

      »Der Meinung bin ich auch.« Nick blickte auf seine Armbanduhr. »Wenn wir uns beeilen, können wir noch schnell zum Tierheim hinüberradeln, um den jungen Gepard zu sehen, der für ein paar Tage bei Hans-Joachim in Behandlung ist.«

      »O ja!«, rief Pünktchen begeistert. »Aber dann müssen wir schnell fahren, damit wir pünktlich zum Abendessen zurück sind.«

      »Das schaffen wir ganz sicher. Komm!« Nick fasste Pünktchen zu ihrer Überraschung bei der Hand und lief mit ihr zu dem Schuppen hinter dem Haus, in dem die Fahrräder standen.

      *

      Nina saß stumm neben Lucy im Auto, als sie Bachenau hinter sich ließen. Die Erinnerung an ihre erste Fahrt nach Sophienlust zusammen mit ihren Eltern trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie achtete jetzt nicht einmal auf die hübschen Wegweiser mit den holzgeschnitzten Figürchen, die sie damals so begeistert hatten.

      Auch Lucy fielen die Wegweiser nicht auf, weil sie mit ihren Gedanken wieder bei Tonio und Ninas pflichtvergessener Mutter war.

      »Gleich dort vorn ist schon das Parktor von Sophienlust!«, rief Nina plötzlich und erwachte damit aus ihrer Lethargie. Aufgeregt richtete sie sich ein wenig auf. »Hier ist es immer so lustig. Nick hat mir einmal erzählt, dass bisher alle Kinder, die schrecklich unglücklich waren, hier wieder fröhlich wurden.«

      »Du wirst bestimmt auch wieder fröhlich werden, mein Kleines.«

      »Das glaube ich nicht, Lucy. Ohne Mutti ist das Leben furchtbar traurig.« Schon wieder traten Nina Tränen in die Augen.

      Dann aber, als das Auto langsam die Auffahrt hinauffuhr und das Herrenhaus mit der Freitreppe, auf der ein Teil der Kinder versammelt war, vor ihnen lag, versiegten die Tränen schnell.

      Laut bellend kamen Barri und Anglos herbeigelaufen. Die alte Schäferhündin trottete hinter den beiden her.

      Als Nick mit Habakuk auf der Schulter majestätisch die Stufen herunterstieg, brach Nina in helles Lachen aus. »Sieh doch, Lucy, das ist Habakuk. Er ist ein sehr kluger Papagei.«

      Das Auto hielt am Fuß der Freitreppe. Nina kletterte aus dem Wagen und sah Nick strahlend an. Habakuk plusterte sein Gefieder auf und krächzte: »Guten Tag, liebes Mädchen. Fein, dass du uns schon wieder verlässt.«

      »Aber, Habakuk, das habe ich dir doch nicht beigebracht.« In Nicks dunklen Augen blitzte es übermütig auf. »Ich habe dich gebeten, Nina mit den Worten: Fein, dass du wieder da bist, zu empfangen.«

      »Dummer Junge! Böser Junge!« Habakuks gute Laune schien wie weggeblasen zu sein. Böse blinzelte er die Kinder an und schlug dann heftig mit den Flügeln. Als die Kinder daraufhin vor Vergnügen in heiteres Gelächter ausbrachen, flatterte er beleidigt von Nicks Schulter und landete auf Barris breitem Rücken. Entsetzt blickte der große Hund sich um. Dann sträubte sich sein Fell.

      »Armer Barri!« Nick lachte und hob Habakuk wieder auf seine Schulter.

      Die Kinder begrüßten Nina voller Freude. Dann erschienen auch Frau Rennert und Schwester Regine, um Nina in ihre Arme zu schließen.

      »Ich bin so froh, dass ich wieder bei euch bin«, gestand das Kind leise.

      »Wir freuen uns auch alle riesig«, antwortete Denise, die nun ebenfalls aus dem Haus kam. »Herzlich willkommen bei uns, mein Kleines. Wir werden dir schon helfen.«

      Lucy hatte still neben dem Auto gestanden. Erst jetzt wurden die Erwachsenen und Kinder auf sie aufmerksam. Nick, der inzwischen Habakuk in seinen Käfig zurückgesetzt hatte, begrüßte sie als erster und stellte bei sich fest, dass die junge Amerikanerin ganz toll aussah.

      Denise


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