Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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Das würde sie diesmal auch tun. Denn sie wollte Tonio haben.

      »Dann können wir essen.« Geschickt balancierte er das volle Tablett durch das Atelier und setzte es schwungvoll auf dem niedrigen Couchtisch ab.

      Im gleichen Augenblick läutete es.

      »Pst!« Tonio legte den Zeigefinger an die Lippen.

      »Ich bin schon ruhig«, flüsterte sie. Dabei klopfte ihr das Herz zum Zerspringen.

      Tonio setzte sich neben sie und zog sie an sich. »Sie wird wieder gehen, Lucy.«

      »Eigentlich tut sie mir leid.«

      »Mir auch, Lucy. Aber ich liebe dich, nur dich.«

      »Solange ich bei dir bin?«, fragte sie mit einem Anflug von Bitterkeit. Aber er hörte es nicht, weil es in diesem Augenblick wieder läutete. Dann konnte man deutlich Schritte auf der Treppe hören, die sich entfernten. Erleichtert atmete Tonio auf.

      »Du wirst es ihr sagen müssen, Tonio.«

      »Was, Lucy?« Er schenkte die Gläser wieder voll. »Iss erst einmal. Danach können wir Probleme wälzen.«

      »Gut, Tonio.« Plötzlich war ihr der Appetit vergangen. Aber sie zwang sich zum Essen, um ihn nicht zu kränken, denn die Rühreier waren wirklich gut, und die vielen Zwiebeln in den Röstkartoffeln schmeckten ebenfalls ausgezeichnet.

      Lucy wusch nach dem Essen das Geschirr ab, und Tonio arbeitete indessen weiter an seinem Bild. Strahlend erklärte er später: »Du inspirierst mich, Lucy. Du solltest für immer bei mir bleiben.«

      »Ist das ein Heiratsantrag?«

      »Heiratsantrag?«, wiederholte er langsam. »Noch kann ich dir keinen machen, Lucy. Ich muss zuvor noch einiges regeln.«

      »Das sehe ich ein.«

      Das Telefon läutete. Diesmal zögerte Tonio nicht lange. Er hob ab und meldete sich.

      Lucy beschäftigte sich vor dem Spiegel angelegentlich mit ihrer Frisur. Dabei entging ihr aber kein Wort von Tonio.

      »Nein, Linda, ich habe heute keine Zeit.«

      »Ja, ich rufe dich an.«

      »Wie kommst du denn darauf?«

      »Nein, nein, ich bin dir nicht mehr böse.«

      »Ja, ich rufe dich an.«

      Er legte auf.

      »Ich glaube, ich sollte jetzt lieber doch gehen«, sagte Lucy leise.

      »Nein, bitte nicht, Lucy. Ich brauche dich. Ich liebe dich.«

      Lucy entschuldigte ihr Dableiben damit, dass sie dadurch nur ein gutes Werk tue und Peter und Nina helfe. Hätte sie in Lindas Appartement Mäuschen spielen können, hätte sie sich davon überzeugen können, dass ihr Saatkorn auf fruchtbaren Boden gefallen war und schon aufging.

      *

      Linda war wie vor den Kopf gestoßen. Seitdem sie Peter und ihr Kind verlassen hatte, war so etwas noch nie vorgekommen. Tonio hatte stets für sie Zeit gehabt.

      Instinktiv spürte Linda, dass Tonio nicht allein war. Vermutlich war er zuvor auch daheim gewesen und hatte nur nicht aufgemacht.

      Linda saß regungslos auf der Couch und blickte hinaus in den strahlenden Septembertag. Auf dem Fenstersims saßen zwei Tauben, die fröhlich gurrten.

      »Mein Gott, Tonio, das darfst du mir doch nicht antun«, flüsterte Linda. »Ich habe doch deinetwegen alles aufgegeben, was mir lieb und wert war – und noch ist. Ich habe dir vertraut und an deine Liebe geglaubt.«

      Das Telefon läutete. Lindas Herz machte einen Freudensprung, als sie abhob und sich meldete.

      »Verzeihung, falsch verbunden«, antwortete eine ihr völlig fremde Stimme. Dann knackte es in der Leitung.

      Müde legte Linda auf. Dann erhob sie sich, um nach Zigaretten zu suchen. Sie fand noch eine Schachtel im Nachtkästchen.

      Früher hatte sie mäßig geraucht. Aber seit sie mit Tonio beisammen war, rauchte sie oft unmäßig, obwohl sie wusste, dass es ihr nicht guttat.

      Mit der Zigarette in der Hand ging Linda durch die kleine Wohnung. Sie kam sich eingeengt vor und sehnte sich mit der ganzen Kraft ihres Herzens nach der geräumigen Villa ihres Mannes. Rasch drückte sie die halb gerauchte Zigarette aus und zog sich um. Dann verließ sie das Appartement, um nach Sachsenhausen zu fahren.

      Als sie die stille Villenstraße erreichte, blieb sie stehen. Erst nach einigen Minuten fuhr sie langsam an dem schmiedeeisernen Gartentor vorbei. Vielleicht war Nina im Garten, sodass sie ihr Kind wenigstens von weitem sehen konnte.

      Aber weder im Garten noch im Haus rührte sich etwas. Die Villa machte einen fast unbewohnten Eindruck. Nein, jetzt wurde im oberen Stockwerk ein Fenster geöffnet. Wallys Gesicht erschien für einen Augenblick, um dann wieder zu verschwinden.

      Linda starrte tränenblind auf die Front der Villa. Die Astern standen in voller Blüte, auch die Rosen blühten noch.

      Linda schluchzte leise auf, als sie weiterfuhr, um in die nächste Seitenstraße einzubiegen. Eine Stunde später war sie wieder daheim. Sie saß von da an stundenlang vor dem Telefon und wartete auf Tonios Anruf. Doch der Anruf kam an diesem Tag nicht mehr.

      Um schlafen zu können, nahm Linda drei Schlaftabletten. Sie fiel in einen bleischweren, traumlosen Schlaf, aus dem sie erst am späten Vormittag des nächsten Tages erwachte. Kurz darauf läutete das Telefon. Es war Tonio. Aber die glückliche Stimmung, die sie sonst bei seinen Anrufen immer überfallen hatte, stellte sich diesmal nicht ein.

      Tonio wollte zu ihr kommen. Mit einer matten Bewegung legte Linda auf und ging ins Badezimmer. Als sie ihr leicht verschwollenes Gesicht und die tiefen Schatten unter ihren Augen im Spiegel sah, riss sie sich zusammen. Es gelang ihr tatsächlich sich durch einige Kunstgriffe so herzurichten, dass ihr kaum noch etwas von ihrem vorherigen Aussehen anzumerken war.

      Tonio kam ihr verändert vor, als er eintrat. Sie vermisste das Aufleuchten seiner Augen. Auch zog er sie nicht an sich, wie er das sonst getan hatte. Eine unsichtbare Mauer hatte sich zwischen ihr und ihm aufgetan und schuf eine fremde Atmosphäre.

      Linda setzte sich wie betäubt. Die Angst, Tonio auch noch zu verlieren, lähmte ihre Gedanken. »Nicht wahr, gestern war eine andere Frau bei dir?«, fragte sie, noch immer benommen von den Schlaftabletten und auch von dem Schock, den sein Benehmen in ihr hervorgerufen hatte.

      Tonio war kein schlechter, skrupelloser Mensch. Darum brachte er es auch nicht fertig, Linda schon jetzt die Wahrheit zu sagen.

      »Aber nein«, erwiderte er. »Ich war gestern nur wütend, weil du mich am Abend zuvor so niederträchtig behandelt hattest.«

      »Es tut mir leid, Tonio.« Ihre Mundwinkel bebten.

      »Bitte, Linda, tu mir den einzigen Gefallen und fang nicht wieder zu weinen an.« Er sah sie gereizt an. Dabei hatte er sich fest vorgenommen, ruhig zu bleiben. Wenn er nur wüsste, wie er Linda beibringen sollte, dass er sie nicht mehr liebte.

      Seit gestern war ihm klar, dass Linda und er viel zu verschieden waren, um ein gemeinsames Leben aufbauen zu können. Einerseits fühlte er sich zwar verpflichtet, sie nicht im Stich zu lassen, andererseits würde das Zusammenleben mit ihr aber auf die Dauer für ihn qualvoll sein. Lucy war die Frau, die er brauchte. Sie war tolerant und fröhlich – und sehr reizvoll. Noch wollte er sich nicht eingestehen, dass er sie liebte. Damals in Paris war ihm das nicht so recht bewusst gewesen, weil er da noch immer Linda im Kopf gehabt hatte.

      »Ich weine ja nicht«, flüsterte sie. »Tonio, ich hatte geglaubt, du würdest mich nicht mehr lieben. Ich brauche deine Liebe so sehr.«

      »Das weiß ich, Linda.« Doch als er sie in die Arme nahm, dachte er nur an Lucy.

      Linda spürte, dass er ihr nicht mehr allein gehörte. Sie entzog sich ihm. Eifersucht stieg in ihr auf. Aber sie war klug genug, ihm nicht schon wieder eine Szene


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