Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
bereits abgefunden.«
Luca erwiderte nichts darauf. Lange herrschte Schweigen zwischen ihnen. Lucy versuchte vernünftig zu bleiben und sich ein Leben ohne Tonio vorzustellen. Eigentlich dürfte das nicht so schwer sein, dachte sie. Bevor ich ihn kennenlernte, war ich doch auch glücklich. Es müsste mir doch gelingen, einfach die Zeit mit Tonio aus meinem Gedächtnis zu tilgen.
Aber noch konnte sie das nicht. Noch litt sie unendlich. Sie blickte Peter von der Seite an. Der traurige Ausdruck in seinen dunklen Augen war für sie ein neuer Beweis dafür, wie sehr er noch an seiner Frau hing. Aber sie selbst hatte versagt. Sie hatte nicht über ihren Schatten springen können. Linda liebte Tonio und hatte seinetwegen ihren Mann und ihr Kind verlassen. Deshalb durfte sie ihn ihr nicht fortnehmen. Sie hätte sich gewünscht, dass Linda ihr weniger sympathisch gewesen wäre. Dann wäre für sie alle alles sehr viel einfacher gewesen.
»Peter, wenn Linda nun zu Ihnen zurückkehren wollte? Würden Sie sie wieder bei sich aufnehmen?«
»Ich weiß es nicht mehr, Lucy. Noch vor kurzem habe ich das geglaubt. Aber nun bin ich mir nicht mehr im klaren darüber. Irgendwann kann man nicht mehr. Verstehen Sie das?«
»Und ob, Peter.« Lucy legte für einen Augenblick ihre Hand auf seinen Arm. »Wie gesagt, wir sind Leidensgenossen.«
»Das sind wir.« Er sah sie so seltsam an, dass sie errötete. Dann konzentrierte er sich aber wieder auf den starken Verkehr auf der Autobahn.
Lucy stellte sich vor, wie es sein würde, wenn Peter und sie heirateten. Die Vorstellung war nicht einmal so unangenehm. Im Gegenteil, sie gefiel ihr sogar gut. Eine Ehe mit Peter müsste wirklich harmonisch sein. Die Tage würden dahinfließen wie ein sanft plätschernder Bach. Es würde keine Aufregungen geben, keine schwierigen Probleme. Und sie würde Nina eine gute Mutter werden.
Aber ihr Gefühl für Peter war rein freundschaftlicher Natur. Es war ein Gefühl ohne Höhen und Tiefen, weil sie ihn nicht liebte. Ein Leben mit Tonio würde viel erregender sein, es würde …
Hör auf mit diesen Gedankenspielereien, ermahnte sie sich verärgert.
»Ich glaube, dort vorn ist schon die Abzweigung nach Sophienlust«, stellte Peter fest
»Ja. Von dieser Stelle aus sieht man Sophienlust im Tal liegen.« Lucy gelang es tatsächlich, etwas fröhlicher zu werden, als sie durch Bachenau fuhren und bald darauf Wildmoos erreichten.
Nina saß mit Heidi, Pünktchen und den Schwestern Angelika und Vicky Langenbach auf der untersten Stufe der Freitreppe in der warmen Herbstsonne und wartete voller Sehnsucht auf die Ankunft ihres Vaters. Den ganzen Morgen hatte sie sich ausgemalt, dass ihr Vati und ihre Mutti gemeinsam nach Sophienlust kommen würden, dass sie sich wieder ausgesöhnt hatten und sie überraschen wollten.
Als sie nun das Auto ihres Vaters durch das Tor fahren sah, hielt sie vor Aufregung den Atem an. Tiefe Enttäuschung stieg in ihr auf, als sie merkte, dass sich ihr Wachtraum nicht erfüllt hatte. Nicht Mutti war mitgekommen, sondern Lucy.
Tapfer schluckte Nina ihre Tränen hinunter und begrüßte ihren Vati und Lucy. Beiden entging nicht, dass ihre Freude nur verhalten war. Es war für sie nicht schwer zu erraten, wie sehr sie enttäuscht war.
Lucy holte den großen Affen aus der Plastiktüte und gab ihn dem Kind.
»Vielen Dank!«, rief Nina. »Ich habe mir schon immer so ein Stofftier gewünscht.«
»Und das ist von mir.« Peter gab ihr ein großes längliches Paket.
»Was ist denn da drinnen?«, fragte Nina und sah ihn neugierig an.
»An deiner Stelle würde ich das Paket öffnen«, schlug er schmunzelnd vor und wechselte einen langen Blick mit Lucy.
»Wir helfen dir!«, boten sich ihre Freundinnen hilfsbereit an.
»Ich packe die Schachtel in der Halle aus.«
Aufgeregt liefen die Mädchen ins Haus. Peter und Lucy folgten ihnen langsamer. »Ich glaube, Frau Rennert hat recht«, stellte Peter fest. »Nina ist tatsächlich fröhlicher geworden.«
Lucy nickte nur. Sie wollte ihre Beobachtung von vorhin nicht erwähnen. Denn sie wusste genau, dass Nina gehofft hatte, ihre Mutter wiederzusehen.
Peter und Lucy blieben bis gegen Abend in Sophienlust. Die Stunden verflogen viel zu schnell. Doch Lucy ließ sich sogar zum Reiten überreden. Es gab genug Reithosen und Stiefel in Sophienlust, sodass auch etwas Passendes für sie dabei war.
Der alte Justus, der ehemalige Verwalter von Sophienlust, sattelte für Lucy die Fuchsstute Nike.
»Ich hoffe, dass ich es noch kann«, meinte die junge Amerikanerin mit einem verschmitzten Lächeln.
»Reiten Sie denn daheim auch?«, fragte Nick.
»Ja, Nick. Ich habe sogar ein eigenes Pferd.«
»Dann können Sie doch gut reiten!«, rief Pünktchen. »Herr Dr. Hille, können Sie auch reiten?«
»Nein, mein kleines Fräulein. Darum will ich es jetzt auch nicht versuchen.«
Nick war ganz begeistert von der Amerikanerin, als sie neben ihm mit der Stute den breiten Forellenbach übersprang. Er klatschte in die Hände und sagte dann: »Wenn Sie wollen, können Sie bei uns bleiben.«
»Ich würde deine Einladung gern annehmen, Nick, aber leider muss ich wieder in die Staaten zurückfliegen. Schon in den nächsten Tagen.«
»Schade, wirklich schade.« Nick sah sie bewundernd an.
Lächelnd erwiderte Lucy den Blick der schwarzen Jungenaugen.
Nina stand neben ihrem Vater und hielt seine Hand umklammert, als sich die Reiter entfernten. »Du, Vati, glaubst du nicht, dass Mutti wieder zu uns zurückkommt?«
Nina hatte damit die Frage gestellt, vor der Peter sich die ganze Zeit gefürchtet hatte. Aber er hielt es für richtiger, ihr die Wahrheit zu sagen. »Nein, Nina, Mutti kommt nicht mehr zurück. Nächste Woche wird unsere Scheidung ausgesprochen.«
Nina sah ihn entsetzt an. »Aber dann gehört Mutti uns ja gar nicht mehr.«
»Nein, Nina, dann gehört sie uns nicht mehr.«
»Ich mag Onkel Tonio nicht mehr leiden. Er hat uns Mutti fortgenommen.« Nina begann zu weinen. »Vati, ich möchte wieder nach Hause«, bat sie dann leise. »Damit du nicht so schrecklich allein bist.«
»Bald hole ich dich heim, Nina. Mir wäre es aber lieber, du würdest noch einige Wochen hierbleiben. Denn gerade in der nächsten Zeit habe ich so viel zu tun, dass ich kaum zu Hause sein werde. Dir gefällt es doch hier?«
»Ja, Vati, sogar sehr. Aber es ist nicht mein Zuhause.«
Denise gesellte sich zu ihnen. Peter war froh, dass auf diese Weise die Unterhaltung zwischen Nina und ihm unterbrochen wurde.
Nina blickte später traurig dem Auto ihres Vaters nach. Pünktchen stieß sie an und sagte: »Komm, Nina, es hat zum Essen gegongt.«
»Ich habe keinen Hunger, Pünktchen.«
»Das kann ich verstehen, Nina. Trotzdem musst du etwas essen.«
Als die Kinder im Bett lagen, kam Nina zu Pünktchen und setzte sich auf den Rand ihres Bettes. »Vati hat mir heute erzählt, dass Mutti und er in der nächsten Woche geschieden werden.«
»Das tut mir leid, Nina.«
»Aber ich habe meine Mutti doch noch immer lieb, auch wenn ich eine Weile schrecklich böse auf sie war. Ich wünsche mir so sehr, dass sie wieder nach Hause kommt.«
»Vielleicht tut sie das auch, Nina. Weißt du, bei uns in Sophienlust waren schon oft Kinder, deren Eltern sich scheiden lassen wollten oder schon geschieden waren. Aber eines Tages waren sie wieder beisammen.«
»Ist das auch wahr, Pünktchen?«, fragte Nina und sah ihre Freundin zweifelnd an.
»Manchmal haben