Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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auf das ältere Mädchen.

      »Einmal ist ein Kind weit fortgelaufen, so weit, dass wir die Polizei verständigen mussten. Die Eltern hatten den Jungen lieb. Deshalb sind sie beide voller Aufregung nach Sophienlust gekommen, wo sie sich dann ausgesöhnt haben. Nick hat schon recht. Als Sophienlust erbaut wurde, hat eine gute Fee segnend ihre Hände darüber gehalten. Deshalb werden alle Kinder hier wieder glücklich, auch wenn sie zuvor noch so unglücklich waren.«

      »Aber ich werde nie wieder glücklich. Gute Nacht, Pünktchen.« Nina rutschte vom Bettrand. »Ich muss nachdenken.«

      »Gute Nacht, Nina.« Pünktchen streckte sich behaglich unter der Bettdecke aus, ohne zu ahnen, dass sie Nina auf einen Gedanken gebracht hatte. Nina glaubte nun einen Weg gefunden zu haben, ihre Eltern wieder zusammenzubringen.

      *

      Das Verhältnis zwischen Linda und Tonio wurde von Tag zu Tag gespannter. Tonio bemühte sich zwar offensichtlich, höflich zu bleiben. Aber Linda spürte mit schmerzlicher Deutlichkeit, dass die Kluft zwischen ihm und ihr immer breiter wurde und schließlich unüberbrückbar zu sein schien.

      Tonio arbeitete kaum noch. Sein Schaffensdrang war erlahmt. Stundenlang saß er tatenlos herum, versunken in seine Gedanken, die meist Lucy galten.

      Linda war wieder einmal über Nacht bei ihm geblieben. In zwei Tagen war der Scheidungstermin. Darum hatte sie nicht allein bleiben wollen.

      Tonio war am Abend auch sehr zuvorkommend gewesen und hatte sichtlich versucht, besonders nett zu ihr zu sein. Doch als er Linda am Morgen verließ, fühlte sie sich irgendwie erniedrigt. Sie lag mit offenen Augen da und starrte zur Decke. Sie hörte Tonio im Atelier herumgehen.

      Plötzlich hielt Linda es im Bett nicht mehr aus. Sie schlüpfte in ihren flauschigen Morgenmantel und die Pantöffelchen. Vor dem Spiegel fuhr sie schnell mit dem Kamm durch ihre Haare.

      Früher hatte sie nie vor dem Frühstück geraucht. Doch diesmal zündete sie sich eine Zigarette an und ging ins Atelier.

      Tonio stand vor der Staffelei und blickte missmutig auf das angefangene Gemälde. Plötzlich riss er es herunter und warf es auf den Boden.

      Linda lehnte sich an den Türrahmen und beobachtete ihn stumm. Er drehte sich um und fixierte sie gereizt. »Nicht wahr, Tonio, du liebst mich nicht mehr? Das Zusammensein mit mir ist für dich eine Qual?«, fragte sie leise.

      »Hör damit auf!«, schrie er sie unbeherrscht an.

      »Bitte, Tonio, schrei nicht so. Die Leute im Haus müssen ja nicht hören, in welchem Verhältnis wir zueinander stehen.«

      »Was willst du eigentlich von mir?«, fragte er böse. »Willst du mich mit Haut und Haaren verspeisen?«

      Sein Temperament ging wieder einmal mit ihm durch, obwohl er sich ganz fest vorgenommen hatte, sich zu beherrschen. Aber im Augenblick konnte er das einfach nicht. Daran war sein gestriger Anruf im Hotel Frankfurter Hof schuld. Er hatte sich nach Lucy erkundigt. Man hatte ihm gesagt, Lucy Snyder sei am Tag zuvor ausgezogen. Sofort hatte er im Rhein-Main- Flughafen angerufen, um sich dort zu erkundigen, ob sie einen Platz nach den Staaten gebucht habe. Aber niemand hatte etwas davon gewusst.

      Wo war Lucy nur? Bei Peter Hille? Anders konnte es wohl kaum sein. Doch es widerstrebte ihm, in der Villa anzurufen. Zum ersten Mal in seinem Leben war er so eifersüchtig, dass er sich nicht mehr kannte. Er hatte versucht, in Lindas Armen Lucy zu vergessen. Aber es war ihm nicht gelungen. Eher war das Gegenteil eingetreten. Seine Sehnsucht nach Lucy brannte wie ein stetes Feuer in seinem Herzen.

      »Tonio, warum quälen wir uns nur so?«, fragte Linda etwas ruhiger. »Wir beide sind erwachsen genug, um offen über alles zu reden. Du liebst Lucy Snyder. Nicht wahr, es ist doch so?« Ihr Blick heftete sich flehend auf ihn, weil sie hoffte, dass sie sich täuschte.

      Tonio erwiderte ihren Blick und antwortete: »Ja, ich liebe Lucy Snyder. Aber das ist vorbei. Lucy hat sich in einen anderen verliebt.«

      »Und weil das so ist, bleibst du bei mir?« Linda sah ihn mit einem bitteren Zug um den Mund an.

      Tonio erzählte ihr von Paris. Still hörte sie ihm zu. »Damals in Paris habe ich mich trösten wollen. Deinetwegen, Linda. Weil ich glaubte, dass meine Liebe zu dir hoffnungslos sei.«

      »Was für eine Ironie des Schicksals.« Sie setzte sich auf die Couch und faltete ihre Hände. »Nun, wo ich deine Geliebte geworden bin und du dein Ziel erreicht hast, haben sich deine Gefühle für mich geändert. Ich verstehe.«

      »Nichts verstehst du! Verdammt noch mal, drehe mir doch nicht die Worte im Mund herum. Ich bin kein Schuft und lasse dich ganz sicher nicht im Stich.«

      »Aber ich lege keinen Wert darauf, dass du nur aus Mitleid bei mir bleibst. Ich bin mir zu schade als Lückenbüßer, Tonio. Ich habe mich entschlossen, dich zu verlassen.« Linda nahm sich wieder eine Zigarette. Als er ihr Feuer gab, schimmerten Tränen in ihren Augen. »Heute weiß ich, dass ich niemals aufgehört habe, Peter zu lieben. Nicht wahr, das ist komisch?«

      »Wirklich?«, fragte er desinteressiert.

      »Vielleicht verzeiht Peter mir. Sicherlich wird es einen Versöhnungstermin bei Gericht geben.«

      »Ich glaube, Peter liebt Lucy.«

      »Peter liebt Lucy?«, fragte Linda fassungslos.

      Tonio nickte und erzählte ihr, auf welche Weise sich die beiden kennengelernt hatten.

      Linda brauchte ein Weilchen, um damit fertig zu werden. »Tonio, unser Verhältnis – denn von Liebe kann man in unserem Fall wohl kaum noch sprechen – war von Anfang an zum Untergang verurteilt. Ich bleibe nicht mehr bei dir.« Sie drückte die Zigarette aus und stand auf. »Ich ziehe mich jetzt an, dann gehe ich.«

      »Linda, das ist unmöglich. Wollen wir es nicht trotz allem noch einmal versuchen?«

      »Nein, Tonio, ich kann nicht mehr. Ich habe geglaubt, dich zu lieben. Aber meine Gefühle für dich waren nur auf das viele Alleinsein zurückzuführen. Peter war in den letzten Monaten so selten daheim, dass ich mich nach jemandem sehnte, mit dem ich mich unterhalten konnte.« Sie lächelte ihn traurig an.

      »Linda …«

      »Bitte, Tonio, versuche nicht, mich zurückzuhalten. Ich würde doch nicht bleiben.« Sie verschwand im Schlafzimmer.

      Tonio war ratlos. Einerseits war er erleichtert, dass Linda ihn nicht gewaltsam halten wollte, andererseits fühlte er sich für sie verantwortlich.

      Dann aber dachte er wieder an Lucy. Sobald Linda fort sein würde, wollte er in Peters Villa anrufen. Er brauchte ja nicht seinen Namen zu nennen. Möglicherweise würde auch das Hausmädchen Wally am Apparat sein. Mit ihr würde er offen sprechen können.

      Linda reichte ihm die Hand zum Abschied. »Tonio, ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft.«

      »Mein Gott, Linda, das alles tut mir unendlich leid.«

      »Das soll es aber nicht. Ich werde mich schon allein im Leben zurechtfinden. Sag, weißt du auch genau, dass Peter und Lucy Snyder sich lieben?«

      »Nein, Linda, genau weiß ich es nicht. Aber ich nehme es an. Lucy ist sehr reizvoll, und Peter ist auch nur ein Mann.«

      »Ja, Tonio.«

      An der Tür wandte Linda sich noch einmal um. Ihr Lächeln schnitt ihm tief ins Herz.

      »Linda …«

      Aber sie war schon fort.

      *

      Schüchtern klopfte Nina an die Tür des Zimmers, das die Huber-Mutter bewohnte. Als sie keine Antwort erhielt, klopfte sie noch einmal. Dann drückte sie die Klinke herunter und öffnete die Tür einen Spalt.

      Die Greisin saß im Ohrensessel beim Fenster.

      »Huber-Mutter!«, rief Nina leise und betrat den Raum. Als sie jedoch feststellte, dass die alte Frau ein Nickerchen machte, zog sie sich ebenso leise, wie sie gekommen war, wieder zurück.


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