Lass Gott aus dem Spiel. Harald Lüders

Lass Gott aus dem Spiel - Harald Lüders


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bis geöffnet wird und Dr. Carl Steinhoff mit vom Alkohol geröteten Gesicht seinen Gast hereinbittet. »Mensch Benno, bin froh, dass du Zeit hast, wir müssen reden.«

      Mit raumgreifenden Schritten durchmisst Benno Stiller das Büro. Er blickt auf das große Schwarzweißbild des Gebäudes über dem Schreibtisch, mustert mit leicht abfälligem Grinsen die Bungalows auf Fuerteventura und lässt sich dann in einen der italienischen Ledersessel in der Gesprächsecke fallen. Auf dem Couchtisch steht eine Flasche besten spanischen Brandys, zwei Gläser, eines davon gut gefüllt.

      Steinhoff gießt Benno Stiller großzügig ein, der auf alle Genießer-Etikette pfeift und einen tiefen Schluck nimmt.

      »Alles klar, Carl, ich hoffe, du redest endlich wie ein Mann, der sich entschieden hat. Wir sind beide viel zu alt, um unsere Zeit an Kinderkram zu verschwenden.« Benno Stiller streicht sich über sein kurz geschnittenes Haar, nimmt noch einen Schluck Brandy, setzt das Glas laut klirrend ab.

      Steinhoff erschrickt und ärgert sich, Bennos Gockelnummer passt ihm nicht, schließlich ist er hier der Chef im Ring. Aber schwer, sich gegen Benno durchzusetzen. Auch Carl trinkt, dann legt er los. »Es muss etwas geschehen. Ich kann nicht mehr warten und hoffen, dass der Alte an Lungenkrebs krepiert. Die verdammten Immobilienleute aus London legen mir die Daumenschrauben an. Ich habe Gelder angenommen, eine Art Vorschuss, und jetzt drohen sie – entweder Kaufvertrag oder Klage auf Rückzahlung.«

      Benno stopft sich ungeduldig sein Hemd in die Hose. Seit er zugenommen hat, haben seine Hemden die lästige Tendenz entwickelt, sich über den Gürtel zu wellen. »Carl, all das kenn ich, habe ich hundertmal von dir gehört. Hast du endlich deine Entscheidung getroffen?«

      »Welche Entscheidung meinst du?«

      »Ist das so schwer zu verstehen? Entweder du verhilfst dem Alten zur wohlverdienten Ruhe auf dem Hauptfriedhof, oder du pflegst ihn weiter aufopferungsvoll. Im zweiten Fall allerdings werden die Immobilienheinis dir deine schicke Bude in Kronberg pfänden. Ich wüsste genau, was ich machen würde.«

      »Benno, wir reden von meinem Vater.«

      »Ach ja, Carl, komm runter vom Baum. Ich kenne deinen Vater wahrscheinlich besser als du. War ein Riesentyp. Konnte austeilen, konnte sich durchsetzen. Hat sein Erbe immer zusammengehalten. Aber das ist lange vorbei. Heute reden wir von einem Mann, der eine Stunde zum Pissen braucht, der völlig gaga in der Birne ist und abends das Horst-Wessel-Lied singt. Gleichzeitig aber vermietet er die schöne alte Halle an Muslime. Eure Hütte hier ist gut fünfzig Millionen wert und ihr lasst sie verfallen. Das ist doch Geisterbahn. Wenn du Eier in der Hose hast, dann holst du dir endlich dein Geld und vögelst in der Karibik bis zum Ende aller Tage.«

      »Ja, die Muslime, gut, dass du sie erwähnst, die müssen weg. Die Londoner bestehen darauf, die Moschee muss weg sein, bevor ein Kaufvertrag unterschrieben wird.«

      Carl trinkt und schaut Benno hilflos an, der ihn wie immer mit seiner Energie und Direktheit überrollt hat. Er fühlt sich kraftlos, nimmt noch einen Schluck, dann fasst er sich ein Herz. »Benno, kannst du nicht mal bei deinen Rockerfreunden nachfragen, ob jemand nachts für ein paar Tausender die Moschee abfackeln könnte?«

      »Mann, Carl, wie blöd kann man sein? Wenn jetzt die Moschee brennt und ein paar Wochen später wird das Gebäude verkauft, dann weiß doch jeder, dass da eine Immobiliennummer gelaufen ist. Die gesamte Frankfurter Presse wird dich jagen und die Bullen zwingen zu ermitteln. Abgesehen davon: Ich kann dir jederzeit ein paar Rocker besorgen, die eine Bar zerlegen. Aber bitte keine Moschee. Bei den Angels sind ne Menge Türken dabei, die mögen so was gar nicht.«

      Carl wischt sich den Schweiß von der Stirn. »Okay, Benno, du erzählst mir, was nicht geht. Aber was zum Teufel schlägst du vor?«

      »Ehrlich gesagt denke ich gar nicht daran, dir irgendwelche Vorschläge zu machen, bevor ich nicht weiß, was hier für mich drin ist.«

      »Benno, du weißt, ich bin dankbar und kein bisschen geizig, ich werde dich ordentlich bezahlen, sobald das Haus hier verkauft ist.«

      »Nein, Carl, die Zeit der Trinkgelder ist vorbei. Ich kann, jetzt höre mir genau zu, ich kann all deine Probleme lösen, aber das kostet. Und zwar richtig. Ich will kein Trinkgeld mehr, ich muss auch langsam ans Alter denken. Ich will zehn Prozent des Verkaufspreises für dieses Gebäude, nicht mehr und nicht weniger. Dafür brauchst du dir nie wieder einen Kopf über die Moschee und deinen Alten zu machen. Okay, haben wir einen Deal?«

      »Wie willst du das schaffen?«

      »Frag nicht so viel, aber ich will, dass du einen lupenreinen Vertrag aufsetzen lässt. Zehn Prozent an den lieben Benno Stiller.«

      »Du hast selber gesagt, dass das Gebäude fünfzig Millionen bringen kann. Das wären dann fünf Millionen. Verdammt viel, findest du nicht?«

      »Und fünfundvierzig Millionen für dich, lieber Dr. Steinhoff, oder alternativ eine Klage und der Verlust des schönen Anwesens in Kronberg. Deine Entscheidung.«

      Carl Steinhoff hält es nicht mehr in seinem Sessel. Er stürmt durch das Büro, reißt eine Schreibtischschublade auf, hält plötzlich in der einen Hand eine Walther P 38 und in der anderen ein gerahmtes Bild des Vaters. Er wirft das Bild auf den Boden, krachend zersplittert das Glas. Er richtet die Waffe auf Benno Stiller. »Benno, der Vater soll sanft sterben, mach das mit einem Arzt.«

      Benno mustert Steinhoff verächtlich. »Ich gebe ihm fünf Viagra und bestelle drei Russinnen, von so einem Ausgang des Krieges hat er doch seit 45 geträumt. Und jetzt nimm die verdammte Knarre weg, sonst werde ich echt böse.«

      Carl atmet schwer, lässt die Waffe sinken. »Was hast du vor?«

      Benno lächelt überheblich, er kann die Schwäche seines Gegenübers riechen. »Du kennst doch diese russischen Holzpuppen, diese Dinger, wo in einer Puppe die nächste steckt, wie heißen die doch gleich, ach ja, Matrjoschka. Nun, ich werde eine kleine Puppe in einer großen verstecken. In einer sehr großen – da drin werden wir gar nicht auffallen.«

      5

      »You are listening to DC Rock, home of forgotten classics«, donnert die Senderkennung aus der Stereoanlage des perfekt restaurierten Ford Mustang, der gerade die hitzeglühende Hauptstadt Washington verlässt. Als der Wagen die Hälfte der Brücke über den Potomac River erreicht, wummern die Bässe des Led-Zeppelin-Songs »Ramble On« los und zaubern dem Fahrer ein Lächeln auf das hagere Gesicht.

      David McCallan gönnt sich noch etwas Entspannung vor dem Job.

      Auf dem gegenüberliegenden Ufer biegt er links auf den George Washington Memorial Parkway, fährt jetzt parallel zum Fluss. Er blinkt und biegt in ein parkähnliches Gelände ab.

      Er stoppt an der Kontrolle, zeigt seinen Ausweis, wird durchgewinkt, salutiert mit zwei Fingern an der nicht vorhandenen Uniformmütze und rollt auf das Gelände der Central Intelligence Agency in Langley, Virginia.

      Er fährt am alten Headquarter Building vorbei, betrachtet wie jeden Morgen voller Bewunderung eine aufgebockte alte, schwarz schimmernde A-12 Oxcart, liebevoll Blackbird genannt, einen sagenumwobenen Höhenaufklärer, den Nachfolger der U2. Die Maschine hat im Kalten Krieg unzählige Male in schwindelnder Höhe die Sowjetunion überflogen und steht jetzt hier auf ihrer letzten Parkposition. Der Mustang steuert eine Parklücke an, David McCallan, ein hochgewachsener Mann mit einer etwas zu energischen Kinnpartie, schließt den Wagen ab und läuft zu dem grünlich schimmernden Neubau, in dem das Directorate of Operations seinen Sitz hat. Von hier aus werden verdeckte Operationen in fast allen Teilen der Welt gesteuert. CIA-Agent David McCallan eilt mit schnellen Schritten in sein Büro, dreht die Klimaanlage auf Maximum. Über seinem Schreibtisch hängt ein Farbfoto. In einer feierlichen Zeremonie verleiht ihm der Direktor der Agency die Distinguished Intelligence Medal als Dank für seine erfolgreiche Arbeit in Afghanistan.

      David McCallan hat Jahre seines Lebens am Hindukusch verbracht, in seinem Kopf lebt er noch immer in dem verfluchten Land.

      Zu viele unerledigte Jobs, zu viele Tote.

      Er


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