Rosenegg. P.B.W. Klemann

Rosenegg - P.B.W. Klemann


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Korporale, wie wir sie nannten.

      Nun kann sich der Leser sicherlich vorstellen, wie es um mich die erste Zeit bestellt war, konnte ich doch kaum mit vortrefflichem Wissen oder Können aufwarten, war zudem das neueste Mitglied und obendrein noch jung an Jahren. Bücher gab es freilich keine, die ich hätte vorlesen können, musste daher anderweitig sehen, wie mich zu Nutzen zu bringen. Hinzu kam ein anfänglich gehöriger Respekt vor diesem wilden Haufen, so dass ich einfach fleißig alles tat, was mir aufgetragen, nie wagte, mich querzustellen. In Folge musste ich also mächtig buckeln, musste hier in der Küche, dort beim Ausbessern helfen, Unrat hinaus- und Holz hineinbringen und solcherlei vieles mehr, dass ich kaum mehr zur Ruhe kam. Amon, der Finsterling, Elbers mit Namen, der mir auch nach besserem Kennenlernen nicht sympathischer wurde, gehörte zu den übelsten Tyrannen, und er war es auch, der auf den gar witzigen Einfall kam, mich “Lakai” zu taufen, was vom Rest der Bande bald übernommen. Lakai, mach dieses, Lakai, tu jenes, erklang infolge unentwegt, dass ich schließlich auf Lakai wie auf meinen Namen reagierte.

      Harte Arbeit war ich allerdings schon von meiner Zeit alleine im Walde gut gewöhnt, dass ich, nachdem meine Angst vor diesen Gesellen sich etwas gelegt, mich recht gut einlebte. Speis und Trunk war von weit besserer Qualität, als was ich vormals genossen, und wurde ich auch ordentlich gedrillt und gescheucht, gewann ich alsbald auch Freundschaften. Nebst Sebastian, den hier alle Bastian nannten und welcher sich wohl zum Ziel gemacht, mir beizustehen, zumal sein Zutun mich der Bande beigesteuert, kamen bald sein Kamerad Richard Wengenroth, Küchenmeister Egon, dem ich so fleißig zur Hand ging, unsere Jägersbrüder und Ottilie Zahner, die Dame unserer Gesellschaft.

      Auch wenn ich hier nicht alle Personen ausführlich behandeln kann, mit welchen ich in jener Zeit Quartier hielt, da dies zum einen wohl zu viel der Information für dich lieben Leser wäre, zum anderen der größte Teil keinen größeren Einfluss auf diese Historie haben wird, will ich dir doch über jene mir wichtigsten Charaktere Zeugnis geben sowie Erklärung, was sie mit mir zusammen in den Wald verschlagen.

      Zuvorderst sei Bastian hier gezeichnet, ein wie geschildert kräftiger Bursche, drei Jahre älter als ich, ein ordentliches Stück größer, vor allem aber breit wie ein Ochse, mit mächtigem Brustkorb und dicken Armen. Sein pausbäckiges Gesicht, was der Jugendlichkeit noch nicht gänzlich entwachsen war, wurde von einem kümmerlichen Bart von rötlichem Blond bedeckt, während sein Haupthaar eher ins Bräunliche ging. Von Wesen zumeist fröhlich, fast unbeschwert, konnte er doch, so ihn jemand zu reizen vermeinte, aufbrausend, gar hitzig werden und scheute in solcher Gemütslage keine Auseinandersetzung. Die meiste Zeit aber war er der angenehmste Zeitgenosse, redete gern und viel und wurde schnell gut Freund mit jedermann. Als Sohn von Tagelöhnern entschied sich der junge Bastian, einem handfesten Berufszweig nachzugehen, begab sich dergestalt bei einem örtlichen Schmied in die Lehre, der selbst kinderlos geblieben. Jenes schickte sich wohl auch trefflich an, und nicht ohne Begabung und Leidenschaft ging er jenem Handwerk nach. War sein Lehrmeister auch vornehmlich ein Huf- und Nagelschmied, übte sich Bastian alsbald ebenso an der Kunst der Waffenschmiederei, probierte sich an Messern und Dolchen, an Schwertern und Hauben und manchem mehr. Einen altertümlichen Bidenhänder hatte er sich selber geschmiedet, mit guter, gerader Klinge und ledernem Griff, den er stets bei sich trug und sorgfältig pflegte. Aus Resten hätte er ihn sich zusammengeschmiedet, sei der Stahl daher nicht gerade der beste, werde er sich eines Tages aber einen ebensolchen aus feinstem gutem Stahl schmieden, kündete er. Manchen Spott erntete der Bastian damit. Fragte ihn dann etwa einer, was er denn mit solchem Kuhschlächter anfangen wolle?, oder ein anderer, ob er damit zum Holzhacken gehe? Der Bastian allerdings zuckte jedes Mal nur mit den Schultern und sagte etwas wie: Benutzt ihr nur eure Zahnstocher. Wenn ich zuschlag, will ich sicher sein, dass mein Gegenteil nimmermehr aufsteht. Wenn er einstmalen sich einen ordentlichen Brustpanzer hergestellt habe, dann sollen sie nur kommen mit ihren Degen und Rapieren, vermeinte er selbstbewusst. Die Schmiedekunst blieb seine Leidenschaft, und gern gab er seine Meinung kund zu Degen oder Dolchen, zu Hauben oder Harnischen und allem andern, welches einer Schmiedewerkstatt entspringt. So gut wie alles könne er schmieden, so er denn die erforderliche Ausstattung habe, gab er sich selbst Zeugnis. Und da derlei Kunstfertigkeit zu allen Zeiten sich guter Nachfrage erfreut, wäre diese Vitae freilich eine sichere Wahl gewesen, hätte Bastian nicht beschlossen, nebst seiner Lehre den eigenen Verdienst ein wenig aufzustocken. So verdingte er sich mit einigen anderen Burschen seiner Umgebung, darunter auch genannter Richard Wengenroth, als Pferdedieb. Kurz und gut, die Sache flog auf, wurden die beiden während eines Raubzugs gesehen und erkannt. Der örtliche Vogt, ein räudiger Hundsfott, wie Bastian sagte, erfuhr von der beiden Namen, und als er seine Schergen aussandte, sie festzusetzen, sahen sie ihr Heil in der Flucht, was zweifellos ein weiser Entschluss gewesen, denn kurz danach erfuhren sie, dass drei ihrer alten Freunde den Hals gestreckt bekamen. So schlossen sie sich jedenfalls unserer Räuberbande an, hatten sie schon zuvor, während der Ausübung genannter Tätigkeit, Lutz Wagner kennengelernt, der sie nun freudig aufnahm, standen sie doch guten Fußes mit den hiesigen Pferdetreibern und Pferdehändlern, denen sie vormals ihre Beute verkauft.

      Als Nächster sei hier der alte Egon beschrieben. Alt nannten wir ihn, zumal er alt war, denn gut fünfzig Jahre hatte er auf dem Buckel, was mir, wenn ich heute darüber nachdenke, nun gar nicht mehr so alt vorkommt. Damals erschien er mir in jedem Falle uralt, mit seinem grauen Haar, seiner großen Glatze und dem faltigen Gesicht. Ein breiter, buschiger Backenbart zierte sein Gesicht, wie es damals in den bayrischen Landen Mode war. Egon entsprang einer alten Bäckerfamilie aus Ulm und praktizierte entsprechend viele Jahre lang jenes Handwerk. Dies tat er nicht ohne finanziellen Erfolg, was vornehmlich daran lag, dass er die Kunst beherrschte, aus wenig Mehl viel Brot zu backen. Das Geheimnis dieser Kunst, was er bereitwillig allen Fragern mitteilte, bestand in dem Verfeinern des Mehles durch Zumischen verschiedenster Ingredienzien, allen voran sehr fein gemahlenes Sägemehl. Des Weiteren streckte er Weizen mit Gerste, Hafer mit Roggen und dergestalt einiges mehr, und freilich stets zu seinem Vorteil. Dieses Spielchen trieb er etliche Jahre lang, bis er schließlich doch erwischt und endlich vor den Richter musste. Zur Ehrenstrafe wurde er verdonnert, drei Tage an den Schandpfahl gebunden und ihm sein Handwerk gelegt, verlor alle Rechte seiner Zunft. So stand er plötzlich ohne alles da, und da er weder Frau, von welchen er zwei beerdigt, noch Kind, von welchen er die gleiche Zahl beigesetzt, besaß, hielt ihn nichts in seiner Heimat. Als Tagelöhner zog er durch die Lande, von einem Ort zum nächsten, und alles, was er verdiente, er in Bier und Wein in den Wirtshäusern investierte. In einem solchen lernte er eines Tages auch den Hauptmann kennen, und selbigen Abends noch schloss er sich im Rausche seines Angesichts diesem an. Zum Küchenmeister wurde er bald befördert, und die Küche wurde zu seinem Herrschaftsgebiete. Alsbald hatte er einen ordentlichen Backofen in den Fels gehauen, breit und flach, in dem er treffliche Brote und Fladen backte, wobei ich ihm oftmals behilflich war. In großen Töpfen kochte er uns Suppen und Eintöpfe aus guten Zutaten, mit Fleisch und Rüben und Zwiebeln, würzte gut mit Salz und Schmalz. Im Sommer gab es oft Wildbret, gab es Reh und Wildsau und manchen Vogel, am liebsten aber war ihm Hase, den er mit Zwiebeln und Möhren lange garte, der schmeckte, dass mir noch heute das Wasser zusammenläuft im Maul und mich an seine Art solchen zu essen gedenken lässt, wie er die Knochen nagte, dass kaum etwas übrig geblieben. Zur Schlachtzeit holten wir uns frisches Schwein und Blutwurst, was er dann im großen Kessel kochte, mit reichlich Kraut dazu. Angerichtet ist’s, Jungens!, sagte er dann immer, und Jungens nannte er uns alle, selbst den Wagner. Ein guter Koch war er, und gerne denke ich an jene nahrungsreichen Zeiten zurück, sehe uns an unserem großen Tisch beisammen sitzen und von unseren hölzernen Tellern speisen und sehe sein fröhliches, rotes Antlitz vor mir, wenn man das Essen lobte.

      Nun seien die Jägerbrüder vorgestellt, Werner und Andreas Linz. Brüder waren sie freilich, wenn auch von zwei Müttern, denn Werner, dem Älteren, seine starb bald nach seiner Geburt. Weshalb sich wohl auch ihr gänzlich verschiedenes Aussehen erklären lässt, war der Ältere braunhaarig und kräftig, von guter Konstitution und hohem Wuchs, derweil der Jüngere blonden Haares war, eher zierlich und schlank, mit glatten, sanften Gesichtszügen. Treffliche Jäger waren sie beide, und oftmals nahmen sie mich mit, lehrten mich das Fallenstellen, Strickfallen für Hase und Fuchs, Stock- und Peitschfallen für Reh und Sau, lehrten mich die Fährten lesen, die Spuren der Tiere erkennen und ihren Dung unterscheiden, ferner das Bogen- und Armbrustschießen und noch vieles mehr, was die Jägerskunst erfordert. Und


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