Touched: Süchtig nach dir. Lea Mayance

Touched: Süchtig nach dir - Lea Mayance


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probierte sie das Kleid noch einmal mit den Schuhen zusammen an. Es setzte ihre Rundungen gekonnt in Szene, wie sie beim Blick in den Spiegel zufrieden feststellte. Jetzt fiel ihr auf, dass sie einen Mantel oder etwas zum Überziehen brauchte, weil es während der Hin- und Rückfahrt sicherlich zu kühl sein würde. Sie ging zur Kommode, zog einen roten Pashmina-Schal aus der Schublade und legte ihn sich um die Schultern. Als sie sich erneut kritisch im Spiegel betrachtete, sah sie plötzlich Tom in der Tür stehen.

      »Hallo, Mama. Wow, du siehst echt toll aus. Wo gehst du hin?«

      »Hi, Tom, schon zurück? Ich bin am Wochenende zu einer Veranstaltung in Berlin eingeladen.«

      »Mit Papa?«

      »Nein, er ist auf Dienstreise und kommt erst am Samstag zurück. Wenn du hier nicht alleine bleiben möchtest, kannst du bestimmt bei Oma und Opa schlafen.«

      »Das wäre super, dann könnte ich mit Opa weiter am Mofa schrauben.«

      Gretas Vater hatte kürzlich von einem Freund eine alte Zündapp geschenkt bekommen, die jahrelang bei ihm in der Scheune gestanden hatte. Tom war sofort Feuer und Flamme gewesen und wollte den Oldtimer wieder fahrtüchtig machen.

      »Ich wollte Oma sowieso gerade anrufen. Ich frage sie, okay?«, sagte Greta. Selbst wenn Tom schon fünfzehn war, war es ihr lieber, wenn er nicht die ganze Zeit allein zu Hause war und sich von Pizza ernährte und stundenlang vor dem Fernseher oder dem Computer saß.

      Zögernd wählte sie die Nummer, nachdem sie sich wieder umgezogen hatte.

      »Hallo, Mama!«

      »Dass du dich mal wieder meldest …«, antwortete ihre Mutter und klang dabei verärgert.

      Tolle Begrüßung, schließlich hätte sie auch anrufen können. Trotzdem bekam Greta auf der Stelle ein schlechtes Gewissen.

      »Wie geht’s dir so?«, fragte sie.

      »Gut, aber seit wann interessiert dich das?«

      »Mama, was soll das denn?«

      »Na, ist doch wahr. Du warst vor zwei Wochen das letzte Mal zu Hause.«

      »Ich habe halt viel um die Ohren, aber das heißt doch nicht, dass es mich nicht interessiert, wie es euch geht. Tut mir leid, ich komme demnächst öfter vorbei. Versprochen.«

      »Versprechen hast du selten gehalten.«

      Greta seufzte leise. Es war sinnlos. Zwischen ihr und ihrer Mutter würde das Verhältnis nie warmherzig werden. Sie beschloss, nicht weiter darauf einzugehen. »Du, ich wollte fragen, ob Tom am Freitag von der Schule aus zu euch kommen könnte.«

      »Und wo bist du?«, fragte ihre Mutter.

      Keine Chance, Greta musste ihr eine Erklärung liefern. »Ich bin zu einer Veranstaltung nach Berlin eingeladen und komme Sonntag wieder zurück. Und Felix ist bis Samstag auf Dienstreise.«

      »Was denn für eine Veranstaltung?«

      »Ach, das ist so eine Gala.«

      »Und von wem bist du eingeladen?«

      »Von einem Kollegen, den ich noch von früher kenne«, log Greta.

      »Und was sagt dein Mann dazu?«

      Der weiß noch gar nichts davon, dachte Greta. »Was soll er sagen? Ist doch okay, wenn ich etwas unternehme. Schließlich ist er ja die ganze Zeit unterwegs«, sagte sie stattdessen.

      »Deswegen solltest du zu Hause sein, wenn er es ist. Und nicht noch draußen herumziehen.«

      »Herumziehen … wie sich das anhört. Als ob ich was Schlimmes machen würde.«

      Ihre Mutter hatte keine Ahnung, wie es zwischen Felix und ihr stand. Bei Familienfesten oder anderen Gelegenheiten, bei denen sie mal zusammen auftauchten, heuchelten sie Harmonie. Eigentlich bin ich auch eine gute Schauspielerin, dachte sie, während sie dem Redeschwall ihrer Mutter nur mit halbem Ohr zuhörte.

      »Mach, was du denkst. Am Freitag kann Tom gerne kommen, aber am Samstag sind wir unterwegs – im Tennisclub.«

      »Das ist kein Problem, er kommt ja gut alleine zurecht und Felix ist ja dann wieder da. Danke, Mutti. Ich schaffe es diese Woche nicht mehr, aber ich komme gleich Montag oder Dienstag vorbei.«

      »Dann kannst du ja mal erzählen, wie es in Berlin war«, meinte ihre Mutter in versöhnlichem Ton.

      »Klar, mach ich. Grüß Papa«, beendete Greta das Gespräch und atmete auf. Das war geschafft. Jetzt musste sie nur noch mit Felix reden.

      Felix nahm die Ankündigung keineswegs so gleichgültig hin, wie sie gedacht hatte.

      »Nach Berlin willst du? Darf ich fragen, mit wem?«, wollte Felix wissen, als sie ihn abends mit ihrem Vorhaben konfrontierte.

      »Ich wüsste nicht, was dich das angeht. Ich frage ja auch nicht, wenn du mit deiner Sekretärin verreist bist.«

      »Heißt das, du hast jemanden kennengelernt? Tinder? Oder eine andere Dating-Seite?«, fragte er abfällig. Er brannte anscheinend vor Neugierde, aber sie sah keine Veranlassung, ihn genauer aufzuklären.

      »Das geht dich nichts an. Ich will nur, dass du am Samstag und Sonntag endlich einmal deine Vaterrolle übernimmst und dich um Tom kümmerst. Bekommst du das hin? Er hat am Samstag ein Fußballturnier, zu dem du ihn fahren müsstest. Wenn du nichts kochen willst, könnt ihr ja essen gehen.«

      »Das ist mein geringstes Problem. Ich hatte aber eigentlich etwas vor.«

      »Dann musst du eben umplanen. Ich fahre am Freitag.«

      Ohne auf eine Fortsetzung der Diskussion zu warten, drehte sie sich um und verließ den Raum.

      Kapitel 4

      Mit quietschenden Bremsen hielt der Zug am Freitag am Berliner Hauptbahnhof an. Greta hatte einen sehr frühen Zug genommen, um möglichst viel von dem Tag zu haben. Ein Taxi brachte sie zum Hotel.

      Als sie den Mann in Livree vor der Tür stehen sah, war ihr erster Impuls, auf dem Absatz kehrtzumachen und wieder in das Taxi zu steigen. Sie hatte hier wirklich nichts verloren. Das war ganz und gar nicht ihre Welt. Aber der hochgewachsene Mann ignorierte ihr Zögern und öffnete ihr die messingfarbene Tür. Also trat sie ein und erlebte eine Zeitreise. Mit einem Schlag fühlte sie sich siebzig, achtzig Jahre in der Zeit zurückversetzt. Das Adlon war vor einigen Jahren an dem Platz neu errichtet worden, an dem es früher einmal gestanden hatte, nur wenige Meter vom Brandenburger Tor entfernt. Dabei hatte man seinen ursprünglichen Charme und Glanz erhalten.

      Sie sah sich in der großen Eingangshalle um. Ihre Blicke schweiften nach oben zu der riesigen Glaskuppel, die alles in ein angenehmes Licht tauchte. Mehrere quaderförmige Säulen aus weißem Marmor trugen die Galerie, von der aus man nach unten in die Lobby blicken konnte. Glänzende Marmorböden, ein Brunnen, dazu gemütliche Sitzmöbel, die aus einer anderen Zeit zu stammen schienen, rundeten das Bild ab. Hier also hatte schon die Crème de la Crème, von Caruso über Thomas Mann bis zum Kaiser persönlich, ihren Kaffee getrunken, wie Greta aus einer TV-Dokumentation über das berühmte Hotel wusste, die sie vor einer Weile zufällig angeschaut hatte. Niemals hätte sie es für möglich gehalten, einmal selbst hier einzuchecken. Sie war beeindruckt und fragte sich, ob sie sich wirklich ein Zimmer für zwei Nächte in diesem Nobelhotel leisten könnte. Aber für einen Rückzieher war es jetzt zu spät, und außerdem nahm sie an, dass Connor die Hotelrechnung übernehmen würde.

      An der Rezeption nannte sie ihren Namen und ergänzte, dass ein Zimmer für sie reserviert sei.

      »Mr. O’Bannion erwartet Sie schon in seiner Suite«, meinte der Hotelangestellte leise und beugte sich dabei über den Tresen. Offenbar wollte er verhindern, dass jemand den Namen mitbekam. »Einen kleinen Augenblick, ich rufe jemanden, der Sie nach oben begleitet.«

      Sie sah sich um und registrierte, dass die Gäste durchweg gut gekleidet waren, auch wenn sich scheinbar ein paar Touristen


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